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60/04 Arbeitsrecht allgemein;Norm
AuslBG §4 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Germ, Dr. Höß und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde der Firma I Gesellschaft m.b.H. & Co. KG in W, vertreten durch Dr. Z, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 22. Februar 1994, Zl. IIc/6702 B, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende Partei beantragte nach Ausweis der Akten des Verwaltungsverfahrens mit Schreiben vom 17. Jänner 1992 beim Arbeitsamt Bekleidung - Druck - Papier die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für die am 6. Oktober 1968 geborene polnische Staatsbürgerin Z. für die berufliche Tätigkeit als "Büglerin".
Im zweiten Rechtsgang (die Berufung der beschwerdeführenden Partei gegen die erste Erledigung des obgenannten Arbeitsamtes vom 19. Februar 1992 war mit Bescheid der belangten Behörde vom 10. Juli 1992 mit der Begründung zurückgewiesen worden, es mangle der angefochtenen Erledigung mangels einer dem § 18 Abs. 4 AVG entsprechenden Fertigung die Bescheidqualität) wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 11. Februar 1993 die Berufung der beschwerdeführenden Partei gegen den Bescheid des Arbeitsamtes vom 17. Juli 1992 ab und bestätigte die Nichterteilung der Beschäftigungsbewilligung. In dieser Berufung hatte die beschwerdeführende Partei im wesentlichen vorgebracht, die Behörde erster Instanz - diese hatte sich auf § 4 Abs. 6 AuslBG gestützt - habe keine den Bestimmungen des AVG entsprechenden Bescheid erlassen; die gegenständliche Berufung sei einzubringen gewesen, "damit die Berufungsbehörde den tatsächlichen Nichtbescheid aufhebt". Die belangte Behörde stützte die Nichterteilung der Beschäftigungsbewilligung in ihrer Berufungsentscheidung auf § 4 Abs. 1 und § 4 Abs. 6 AuslBG.
Mit Erkenntnis vom 13. Juli 1993, Zl. 93/09/0067, hob der Verwaltungsgerichtshof diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Auf die Darstellung des bisherigen Verwaltungsgeschehens in diesem Erkenntnis wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Zu § 4 Abs. 1 AuslBG führte der Verwaltungsgerichtshof (mit näherer, hier nicht interessierender Begründung) aus, es fehlte an einwandfreien Feststellungen darüber, aus welchen Gründen eine Beschäftigung von Ersatzkräften durch die beschwerdeführende Partei nicht zustande gekommen war.
Zu § 4 Abs. 6 AuslBG führte der Verwaltungsgerichtshof aus, zu der von der belangten Behörde angenommenen Überschreitung der Landeshöchstzahl - infolge der Erlassung des angefochtenen Bescheides im Jahr 1993 war die für dieses Kalenderjahr geltende Verordnung maßgebend - hatte der (noch 1992 erlassene) erstinstanzliche Bescheid naturgemäß eine einschlägige Feststellung nicht enthalten. Die belangte Behörde wäre auch in diesem Fall nach § 45 Abs. 3 AVG verpflichtet gewesen, die beschwerdeführende Partei vom Ergebnis ihrer diesbezüglichen Beweisaufnahme (insbesondere der Ermittlung der Landeshöchstzahl) in Kenntnis zu setzen und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Ausgehend von diesen Erwägungen stellten die Ausführungen in der Beschwerde zur Tatsachenfrage der Überschreitung der Landeshöchstzahl nicht unzulässige Neuerungen, sondern vom Verwaltungsgerichtshof zu beachtende Hinweise auf der belangten Behörde unterlaufene relevante Verfahrensmängel dar. Da somit im damaligen Beschwerdefall die Überschreitung der Landeshöchstzahl nicht mehr unbestritten geblieben war und das auch hier gegebene Unterbleiben der Gewährung des Parteiengehörs den angefochtenen Bescheid somit auch insoweit mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet hatte, erübrigten sich weitere Erwägungen zur Frage, ob unter Bezugnahme auf welche Bestimmung des § 4 Abs. 6 AuslBG die beschwerdeführende Partei allenfalls für ihren Antrag auch wichtige Gründe im Sinne dieser Gesetzesbestimmung in Anspruch nehmen konnte.
Im fortgesetzten Verfahren teilte die belangte Behörde im Vorhalt vom 19. Jänner 1994 folgendes mit:
"Eine Beschäftigungsbewilligung darf nach Überschreiten der Landeshöchstzahl nur erteilt werden, wenn - abgesehen davon, daß die allgemeinen Voraussetzungen vorliegen müssen - der Vermittlungsausschuß gemäß § 44a des Arbeitsmarktförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 31/1969, in der jeweils geltenden Fassung, bzw. gem. § 20 Abs. 3 AuslBG im Berufungsverfahren der Verwaltungsausschuß, einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet ODER
gemäß § 4 Abs. 6 Ziff. 2 die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere
a) als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer, oder
b) in Betrieben, die in strukturell gefährdeten Gebieten neu gegründet wurden, oder
d) als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes, oder
d) im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege erfolgen soll, oder
gem. Ziff 3 öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern.
Für das Kalenderjahr 1993 wurde die Landeshöchstzahl für das Bundesland Wien mit Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 30.11.1992, BGBl.738/1992 zahlenmäßig mit 97.000 festgesetzt.
Die Landeshöchstzahl ist laut der offiziellen Statistik des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales seit Beginn des Kalenderjahres 1993 weit überschritten.
Für das Kalenderjahr 1994 wurde die Landeshöchstzahl für das Bundesland Wien durch Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 26.11.1993, BGBl. Nr. 794/1993, auf 91.000 gesenkt. Demnach tritt hinsichtlich des Umstandes, daß die Landeshöchstzahl überschritten ist, keine Änderung ein.
Der gegenständliche Fall muß demnach unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des § 4 Abs. 6 entschieden werden.
Weiters werden Sie ersucht und aufgefordert, den Reisepaß mit der Aufenthaltsberechtigung der beantragten Ausländerin im Original hieramts beim Landesarbeitsamt Wien, 1010 Wien, Hegelg. 6, binnen der unten angeführten Frist vorzulegen.
Sie haben Gelegenheit, zu obigen Feststellungen binnen 14 Tagen ab Erhalt dieses Schreibens ha. schriftlich Einwendungen anzubringen bzw. Umstände zu nennen, durch die
oa. Voraussetzungen erfüllt werden, ansonsten die Entscheidung aufgrund der derzeitigen Aktenlage erfolgt."
Dazu gab die beschwerdeführende Partei durch ihren Beschwerdevertreter mit Schreiben vom 3. Februar 1994 folgende Stellungnahme ab:
"1.
Aus Abs. 2 Ihres Schreibens vom 19.1.1994 geht bereits hervor, daß die Berufungsbehörde die Ansicht vertritt, daß der Verwaltungsausschuß nicht einhellig die Erteilung der beantragten BB befürwortet.
Es ist unverständlich, daß bereits am 19.1.1994 ein zukünftiges Ereignis als sicher angenommen wird, diese Ansicht ist nur dann sinnvoll, wenn die Berufungsbehörde bereits vor Befassung des Verwaltungsausschuß die Absicht hat, "einhellig" die Erteilung der beantragten BB nicht zu befürworten.
2.
Nicht nachvollziehbar ist die bereits vor der Befassung des Verwaltungsausschuß vertretene Ansicht, daß die beantragte DN KEINE Schlüsselkraft sei, ebenso, daß die beantragte DN KEIN dringender Ersatz für eine freigewordene Arbeitsstelle sei.
3.
Weiters ist unerklärlich, weshalb bereits vor Erlassung des Berufungsbescheid von der Berufungsbehörde eindeutig davon gesprochen wird, daß gegen die Erteilung der beantragten BB "öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen" sprechen.
4.
Mit den Begriffen "Landeshöchstzahl", "Überschreitung" der Landeshöchstzahl kann meine Mandantin nichts anfangen.
5.
Der Reisepaß der beantragten DN ist im Original bereits am 01.02.1994 beim LAA Wien vorgewiesen worden. Die beantragte DN besitzt eine bis zum 30.05.1994 wirksame AB für eine unselbständige Erwerbstätigkeit.
6.
Sieht meine Mandantin davon ab, daß der Wortlaut des Berufungsbescheid bereits im Schreiben vom 19.1.1994 enthalten ist, so ist dieses Schreiben hiemit ausführlich und vollständig erledigt.
Ausdrücklich muß die Berufungswerberin darauf hinweisen, daß seit der verfahrenseinleitenden Antragstellung keine befähigten, geeigneten und gewillten Ersatzkräfte bei meiner Mandantin erschienen sind, die weiterhin freie Arbeitsstelle steht sohin wie bisher zur Besetzung frei."
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 22. Februar 1994 gab die belangte Behörde der Berufung der beschwerdeführenden Partei (gegen den Bescheid des Arbeitsamtes vom 17. Juli 1992) neuerlich gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 4 Abs. 6 und § 13a AuslBG keine Folge. In der Begründung wies sie (wörtlich mit dem Vorhalt übereinstimmend) darauf hin, daß die Landeshöchstzahlen im Kalenderjahr 1993 und 1994 überschritten seien, weshalb es zum strengeren Landeshöchstzahlenüberschreitungsverfahren nach § 4 Abs. 6 AuslBG komme. Nach wörtlicher Zitierung dieser Bestimmung (mit bestimmten zusätzlichen Ausführungen) wies die belangte Behörde darauf hin, es seien weder im Ermittlungsverfahren noch in der Berufung Gründe vorgebracht worden, durch die ein Tatbestand des § 4 Abs. 6 leg. cit. erfüllt worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat unter Abstandnahme von der von der beschwerdeführenden Partei beantragten mündlichen Verhandlung nach § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG erwogen:
§ 4 Abs. 6 AuslBG (Z. 1 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 684/1991, die übrigen Bestimmungen in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 450/1990) lautet:
"Über bestehende Kontingente (§ 12) hinaus sowie nach Überschreitung der Landeshöchstzahlen (§§ 13 und 13a) dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 vorliegen und
1.
bei Kontingentüberziehung und bei Überschreitung der Landeshöchstzahl der Vermittlungsausschuß gemäß § 44a des Arbeitsmarktförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 31/1969, in der jeweils geltenden Fassung, einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet, oder
2.
die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere
a)
als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer, oder
b)
in Betrieben, die in strukturell gefährdeten Gebieten neu gegründet wurden, oder
c)
als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes, oder
d)
im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege
erfolgen soll, oder
3.
öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern, oder
4.
die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 gegeben sind."
Der im fortgesetzten Verfahren ergangene nunmehr angefochtene Bescheid vom 22. Februar 1994 unterscheidet sich in einem wesentlichen Punkt grundlegend von dem vorangegangenen Verfahren, das dem hg. Erkenntnis vom 13. Juli 1993, Zl. 93/09/0067, zugrunde lag: Im Beschwerdefall hat nämlich die belangte Behörde mit Vorhalt vom 19. Jänner 1994 in Wahrung des Parteiengehörs dargelegt, weshalb sie die Voraussetzungen für das erschwerte Verfahren nach § 4 Abs. 6 AuslBG als gegeben erachtete. Das in Punkt 4. der oben wiedergegebenen Stellungnahme der beschwerdeführenden Partei vom 3. Februar 1994 erstattete Vorbringen ist auf Grund seines Inhaltes, der überhaupt nicht erkennen läßt, warum die beschwerdeführende Partei mit dem verwendeten Begriff "Landeshöchstzahl", "Überschreitung" nichts anfangen könne und wodurch sie gehindert gewesen sei, ein taugliches Vorbringen zu erstatten, nicht geeignet, die von der belangten Behörde getroffene Feststellung, die Landeshöchstzahl sei überschritten, in Zweifel zu ziehen. Die weiteren Äußerungen in dieser Stellungnahme, die sich auf den "Verwaltungsausschuß" beziehen, beruhen entweder auf einer Verwechslung mit dem in § 4 Abs. 6 Z. 1 AuslBG vorgesehenen Vermittlungsausschuß, dessen Reaktion auf den Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung Voraussetzung dafür ist, ob § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 leg. cit. überhaupt anzuwenden ist oder nicht, und dessen Befassung im Verfahren vor der Behörde erster Instanz die beschwerdeführende Partei nicht bestritten hat;
oder sie hat tatsächlich den Verwaltungsausschuß vor Augen, dem im Berufungsverfahren vor der belangten Behörde aber lediglich ein Anhörungsrecht zukommt (vgl. §§ 20 Abs. 2 und 23 AuslBG);
vom Inhalt einer allfälligen Stellungnahme des Verwaltungsausschusses ergeben sich keine unmittelbaren Auswirkungen für § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG.
Es war daher nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde im Beschwerdefall davon ausging, daß die Anwendungsvoraussetzungen für das erschwerte Landeshöchstzahlüberschreitungsverfahren im Beschwerdefall gegeben waren.
Mit Rücksicht darauf wäre es aber der beschwerdeführenden Partei oblegen, nach § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG Gründe vorzubringen, die für die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung im erschwerten Verfahren im Sinne des § 4 Abs. 6 AuslBG hätten maßgebend sein können (vgl. dazu z.B. das hg. Erkenntnis vom 21. April 1994, Zl. 93/09/0267 und die dort genannte Vorjudikatur). Trotz gebotener Gelegenheit hat die beschwerdeführende Partei aber diesbezüglich nichts Erhebliches vorgebracht; das einzige im Verwaltungsverfahren überhaupt in diese Richtung deutbare Vorbringen findet sich in den Punkten 2. und 3. der oben wörtlich wiedergegebenen Stellungnahme vom 3. Februar 1994. Es enthält aber keinerlei konkrete Behauptungen, aus denen sich auch nur ansatzweise erkennen läßt, auf Grund welcher Umstände die beschwerdeführende Partei vom Vorliegen der angesprochenen Voraussetzungen ausgeht.
Die belangte Behörde konnte daher die Versagung der Beschäftigungsbewilligung für Z. rechtlich zutreffend auf § 4 Abs. 6 AuslBG stützen, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47, 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 und 59 VwGG in Verbindung mit der im Zeitpunkt der Einbringung der Gegenschrift bereits in Kraft gestandenen Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994090083.X00Im RIS seit
20.11.2000