Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §10 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Germ als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde der M in Salzburg, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Salzburg vom 22. August 1994, Zl. UVS-11/222/5-1994, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Verwaltungsstrafsache nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit und Soziales), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Anfechtung, also hinsichtlich seines Spruchpunktes 2.), wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Über die Beschwerdeführerin als handelsrechtliche Geschäftsführerin der Firma M-Gesellschaft m.b.H. wurde mit Bescheid des Magistrates Salzburg (Mag.) vom 24. Mai 1994 wegen einer Verwaltungsübertretung gegen § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) eine Geldstrafe in der Höhe von S 5.000,-- verhängt. Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin am 30. Mai 1994 eigenhändig zugestellt.
Innerhalb offener Berufungsfrist, nämlich am 6. Juni 1994, langte beim Mag. eine auf Firmenpapier verfaßte, von B. unterfertigte Berufung vom 3. Juni 1994 ein. Am Kopf des Firmenpapiers und auf einer der Unterschrift beigesetzten Stampiglie schien der Wortlaut "M, Haute Couture und Tracht" auf, am unteren Rand des Firmenpapiers findet sich die Bezeichnung "M-Ges.m.b.H.". Die Berufung war wie folgt begründet:
"Fräulein E Y war in unserem Betrieb lediglich zur BETRIEBSBESICHTIGUNG IM GEGENSEITIGEN INTERESSE, aber nicht im Sinne einer Beschäftigung.
Um ihr den Versicherungsschutz zu gewähren haben wir sie selbstverständlich angemeldet."
Diese Berufung legte der Mag. am 10. Juni 1994 als Berufung der Beschwerdeführerin der belangten Behörde vor.
Mit Schreiben vom 24. Juni 1994, der Beschwerdeführerin zugestellt am 29. Juni 1994, forderte die belangte Behörde die Beschwerdeführerin auf, binnen zwei Wochen bekanntzugeben, ob die Berufung in ihrem Namen eingebracht worden und ob die unterfertigende Person zur Einbringung bevollmächtigt gewesen sei.
Innerhalb dieser Frist brachte die Beschwerdeführerin beim Mag. eine mit 7. Juli 1994 datierte und eigenhändig unterfertigte Berufung ein, und zwar unter Verwendung desselben Geschäftspapieres sowie mit dem wortgleichen Text wie am 6. Juni 1994. Von dieser Berufung wurde gemäß den vorgelegten Verwaltungsakten die belangte Behörde einerseits durch Fax, andererseits durch ein Schreiben der Beschwerdeführerin vom 9. Juli 1994 (beide Schriftstücke bei der belangten Behörde eingegangen am 11. Juli 1994) in Kenntnis gesetzt.
Ohne aus den Verwaltungsakten ersichtlichen Anlaß leitete die Beschwerdeführerin der belangten Behörde ein (wiederum auf Geschäftspapier verfaßtes und von der Beschwerdeführerin unterfertigtes) Schreiben vom 14. Juli 1994 folgenden Inhaltes zu:
"Betr.: Unser Schreiben vom 9.7.1994, sowie Ihr Schreiben
vom 24.6.1994, Zahl UVS-11/222/1-1994.
Sehr geehrte Frau Doktor H, ich beziehe mich auf Ihr Schreiben, sowie auf das heutige Telefonat.
Ich möchte hiermit bestätigen, daß die Berufung gegen das Straferkenntnis mit der Zahl 1/06/22391/94/003 des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg vom 24.5.1994, in meinem Namen eingebracht wurde und ich habe die unterfertigte Person am 9.7.1994 zur Einbringung bevollmächtigt."
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 22. August 1994 wies die belangte Behörde 1. die Berufung der Firma M-Ges.m.b.H. mangels Parteistellung und 2. die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 63 Abs. 5 AVG in Verbindung mit § 24 VStG wegen Verspätung zurück.
Was die im Beschwerdefall allein relevante Zurückweisung der Berufung der Beschwerdeführerin betrifft, ging die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides davon aus, daß sie die Beschwerdeführerin aufgefordert habe, bekanntzugeben, ob die Berufung vom 3. Juni 1994 in ihrem Namen eingebracht worden sei. Dazu habe die Beschwerdeführerin trotz Belehrung über die Rechtsfolgen vorerst nicht Stellung genommen, sondern nur "unter Bezugnahme auf das oben angeführte behördliche Schreiben die Berufung mit 7. Juli 1994, der Post am 8. Juli 1994 zur Beförderung übergeben und mittels Telefax zusätzlich am 9. Juli 1994 eingebracht, noch einmal wortgleich, jedoch mit eigenhändiger Unterschrift" vorgelegt. Dazu sei die Beschwerdeführerin fernmündlich belehrt worden, daß dem Verbesserungsauftrag nicht in korrekter Weise entsprochen worden sei, worauf die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 14. Juli 1994 die am 9. Juli 1994 an Frau B. zur Einbringung der Berufung erteilte Vollmacht bestätigt habe.
Gemäß § 63 Abs. 5 AVG sei die Berufung von der Partei einzubringen. Da trotz eindeutiger formaler Zuordnung der Berufung vom 3. Juni 1994 an die juristische Person nicht von vornherein ausgeschlossen werden konnte, daß diese Berufung im Auftrag und mit Vollmacht der Beschwerdeführerin eingebracht worden sei, sei sie zur Bekanntgabe des Parteiwillens aufgefordert worden. Aus ihrer Reaktion, wonach vorerst keinerlei Bezug auf eine allenfalls erteilte Vollmacht genommen worden sei, die Beschwerdeführerin wohl aber die Berufung neu datiert und eigenhändig unterfertigt habe, während sie erst nachträglich der belangten Behörde mitgeteilt habe, sie habe Frau B. erst am 9. Juli 1994 Vollmacht erteilt, ergebe sich eindeutig, "daß die ursprünglich - fristgerecht - eingebrachte Berufung nicht als eine der Beschuldigten zuzurechnende zu betrachten ist, weil die Vollmacht erst nach Einbringung der Berufung erteilt wurde, das Vollmachtsverhältnis jedoch schon zum Zeitpunkt der Setzung des Rechtsaktes, also bei Einbringung der Berufung, bestehen hätte müssen".
Jene Berufung, welche die Beschwerdeführerin mit eigenhändiger Unterschrift am 8. Juli 1994 zur Post gegeben habe, sei "bei großzügiger Interpretation dieser zuzurechnen, weil das Straferkenntnis an sie als handelsrechtliche Geschäftsführerin und somit als das gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ der Firma M-GesmbH erging, und daher ein sachlicher Zusammenhang besteht, welcher die Verwendung des Firmenpapiers rechtfertigt". Diese Berufung sei indes mit Rücksicht auf das Zustelldatum 30. Mai 1994 verspätet eingebracht worden.
Gegen diesen Bescheid, und zwar inhaltlich ausschließlich gegen dessen Spruchpunkt 2., richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem gesetzlich gewährleisteten Recht auf inhaltliche Behandlung ihrer Berufung verletzt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Hinsichtlich der innerhalb offener Berufungsfrist beim Mag. eingelangten Berufung vom 3. Juni 1994 hat die belangte Behörde zutreffend erkannt, daß die Verwendung von Firmenpapier und Firmenstampiglie sowie die Unterfertigung durch eine andere für die Gesellschaft m.b.H. zeichnungsberechtigte Person darauf hindeutete, daß dieses Rechtsmittel nicht von der Beschwerdeführerin, sondern im Namen der Gesellschaft erhoben worden ist. Die belangte Behörde hat aber ferner auch erkannt, daß für die Annahme der Einbringung dieser Berufung im Namen der Beschwerdeführerin sprach, daß sich das erstinstanzliche Straferkenntnis gegen sie persönlich gerichtet hat und daß im Verwaltungsstrafverfahren gegen das satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufene Organ einer Gesellschaft m.b.H. dieser keine Parteistellung zukommt. Die belangte Behörde hat es deshalb für erforderlich gehalten, eine eindeutige Klärung herbeizuführen, wem diese Berufung zuzurechnen sei. Die diesbezüglichen Zweifel konnten durch den Inhalt der Verwaltungsakten nicht beseitigt werden. Sie waren ferner nicht etwa im Wege eines Auftrages zur Behebung von Formgebrechen gemäß § 13 Abs. 3 AVG auszuräumen, sondern es war hier nach § 37 AVG vorzugehen. Nach dieser Gesetzesstelle ist den Parteien im Ermittlungsverfahren Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. Ebenso wie die Behörde etwa verpflichtet ist, den Sinn einer mehrdeutigen Parteienerklärung festzustellen, ist sie auch verpflichtet, sich in einem Zweifelsfall wie dem vorliegenden Klarheit darüber zu verschaffen, wer Rechtsmittelwerber ist, wobei es sich dabei nicht um die Nachholung einer an sich befristeten Prozeßhandlung handelt, sondern um die Klärung des Inhaltes einer zwar rechtzeitigen, jedoch undeutlichen Prozeßhandlung (vgl. dazu die Ausführungen im Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Dezember 1984, Zl. 81/11/0119 = Slg. 11625/A, und die dort angeführte Vorjudikatur).
Im Zuge des zur erforderlichen Klarstellung durchgeführten Ermittlungsverfahrens hat die Beschwerdeführerin innerhalb der ihr dafür eröffneten Frist durch Einbringung einer wortgleichen, mit ihrer eigenen Unterschrift vorgesehenen Berufung zu erkennen gegeben, daß sie die Anfrage der belangten Behörde vom 24. Juni 1994 dahingehend beantworten wollte, daß die Berufung von allem Anfang an in ihrem Namen eingebracht worden war (wie dies aus ihrer Stellung als der im Verwaltungsstrafverfahren allein Beschuldigten auch durchaus logisch und einsichtig war). Die belangte Behörde hat sich damit jedoch nicht zufriedengegeben und hat - was allerdings nicht aktenkundig ist - die Beschwerdeführerin unter gleichzeitiger stillschweigender Fristverlängerung telefonisch zur Ergänzung ihrer Stellungnahme aufgefordert. Diese Stellungnahme erfolgte mit Schreiben der Beschwerdeführerin vom 14. Juli 1994, in welchem die Beschwerdeführerin endgültig und eindeutig klargestellt hat, daß die Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis in ihrem Namen eingebracht worden ist.
Damit im Widerspruch stand allerdings der Hinweis, die Beschwerdeführerin habe "die unterfertigte Person am 9. Juli 1994 zur Einbringung bevollmächtigt". Die belangte Behörde hat sich dessenungeachtet nicht mehr veranlaßt gesehen, auch diesen Widerspruch aufzuklären, sie hat vielmehr im angefochtenen Bescheid aus der zuletzt genannten Formulierung geschlossen, Frau B. habe bei Unterfertigung der Berufung vom 3. Juni 1994 noch keine Vollmacht der Beschwerdeführerin dazu gehabt.
Dabei hat die belangte Behörde übersehen, daß zu unterscheiden ist zwischen dem Fall, daß ein Vollmachtsverhältnis schon im Zeitpunkt der fristgerechten Verfahrenshandlung bestanden hat und erst nachträglich beurkundet wird, und einer erst nachträglichen Begründung eines solchen Vollmachtsverhältnisses (vgl. dazu die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, auf S. 148 angeführten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes). Die bisherigen Erklärungen der Beschwerdeführerin dazu lassen, wie gezeigt, beide Möglichkeiten offen. In dem zur Beseitigung von Unklarheiten bei der vorliegenden Berufungserhebung dienenden Ermittlungsverfahren durfte diese Frage nicht unaufgeklärt bleiben.
Da die belangte Behörde somit in Verkennung der Rechtslage eine Ergänzung ihrer amtswegigen Ermittlungen zur Zurechnung der Berufung vom 3. Juni 1994 in einem wesentlichen Punkt unterlassen hat, erweist sich der angefochtene Bescheid in dieser Frage mit der behaupteten Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet. Der angefochtene Bescheid war deshalb in dem aus der Beschwerde unzweifelhaft hervorgehenden Umfang seiner Anfechtung gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Dabei konnte von der Abhaltung der von der Beschwerdeführerin beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Beginn Vertretungsbefugnis Vollmachtserteilungnachträgliche VollmachtserteilungVoraussetzungen des Berufungsrechtes Berufungslegitimation Person des BerufungswerbersEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994090296.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
24.03.2014