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98 WohnbauNorm
B-VG Art139 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung von Verordnungen der Wiener Landesregierung betreffs Erklärung von Teilen des Wiener Gemeindegebietes zum Assanierungsgebiet; kein unmittelbarer Eingriff in die Rechtssphäre hinsichtlich der Anbotsverpflichtung nach dem StadterneuerungsG; Zumutbarkeit der Erwirkung eines Bescheides hinsichtlich der Genehmigungspflicht von RechtsgeschäftenSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. Mit dem auf Art139 Abs1 letzter Satz B-VG gestützten (Individual-)Antrag begehrt die Einschreiterin mit näherer Begründung die Aufhebung der Verordnungen der Wiener Landesregierung, mit denen jeweils ein Teil des Wiener Gemeindegebietes zum Assanierungsgebiet erklärt wird, LGBl. für Wien 21 bis 25/1991, zur Gänze wegen Gesetzwidrigkeit; hilfsweise wird deren Aufhebung nur insoweit beantragt, als sie sich auf näher bestimmte im Eigentum der Antragstellerin stehende Grundstücke beziehen. Zur Antragslegitimation bringt die Einschreiterin vor, daß sie aufgrund der angefochtenen Verordnungen nach dem StadterneuerungsG, BGBl. 287/1974, eine Anbotsverpflichtung gemäß §8 und eine Genehmigungspflicht gemäß §9 treffe.
Die bezogenen Paragraphen des StadterneuerungsG, aus welchen die Antragstellerin ihre Legitimation ableitet, lauten folgendermaßen:
"Anbotsverpflichtung
§8. (1) In den gemäß §1 festgelegten Gebieten sind der Gemeinde Grundstücke vor ihrem Verkauf unter Bekanntgabe des Kaufpreises und aller Nebenbedingungen zunächst zum Kauf anzubieten. Die Gemeinde kann von diesem Anbot Gebrauch machen, wenn sie diese Grundstücke für öffentliche Zwecke, die sie wahrzunehmen hat, insbesondere im Zusammenhang mit der örtlichen Raumplanung benötigt. Ist der Kaufpreis nicht angemessen, so hat die Gemeinde an dessen Stelle die von der Bezirksverwaltungsbehörde festgesetzte Gegenleistung zu erbringen (§29 Abs3). Allfällige außer dem Kaufpreis genannte Nebenbedingungen, welche von der Gemeinde nicht oder nur mit unverhältnismäßigen Kosten erfüllt werden können und sich durch einen Schätzungswert (§23) ausgleichen lassen, werden durch dessen Leistung erfüllt. Lassen sie sich auch durch einen Schätzungswert nicht ausgleichen, so gelten sie als nicht gefordert. Sämtliche Bedingungen und alle Bestimmungen, die sich gegen den Zweck der Anbotsververpflichtung richten, gelten gleichfalls als nicht beigesetzt. Ebenso hat ein bei der Veräußerung einer Liegenschaft verlangtes Wiederkaufsrecht für den Fall, daß die Gemeinde von dem Anbot Gebrauch macht, als nicht gefordert zu gelten.
(2) Die Bestimmungen über die Anbotsverpflichtung finden keine Anwendung, wenn das Grundstück
...
Genehmigung von Rechtsgeschäften
§9. (1) (Verfassungsbestimmung) Die Erlassung und Aufhebung sowie die Vollziehung von Vorschriften, wie sie in den Abs2 bis 5 sowie im §31 Abs1 und 2 enthalten sind, richtet sich nach Art11 Abs1 und 3 des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Fassung von 1929.
(2) In den gemäß §1 Abs1 festgelegten Gebieten sowie für Baulichkeiten außerhalb von Assanierungsgebieten gemäß §1 Abs2, im letztangeführten Fall nur, wenn ein Enteignungsverfahren gemäß §13 Abs3 eingeleitet wurde, bedarf die Übertragung des Eigentums, die Einräumung eines Baurechtes und eines Fruchtnießungsrechtes an einem Grundstück oder Teilen davon, soweit sie von Maßnahmen nach diesem Bundesgesetz nicht ausgenommen sind, durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden der Genehmigung der Bezirksverwaltungsbehörde. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die Gegenleistung den angemessenen Wert (§23) übersteigt. Nebenbedingungen sind, soweit sie einen Schätzungswert haben, bei der Bewertung der Angemessenheit der Gegenleistung zu berücksichtigen. Wird die Genehmigung versagt, so ist das Rechtsgeschäft rechtsunwirksam. Ebenso sind Vereinbarungen rechtsunwirksam, die der Umgehung der Genehmigungspflicht dienen.
..."
II. Der Antrag ist nicht zulässig.
Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt.
Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteter Weise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (VfSlg. 10511/1985, 11726/1988).
Was die von der Einschreiterin ins Treffen geführte Anbotsverpflichtung nach §8 des StadterneuerungsG anlangt, ist ihr einzuräumen, daß die angefochtenen Verordnungen (in einem bestimmten Umfang) in ihre Rechtssphäre eingreifen, doch werden ihre Interessen im Hinblick auf die bloß abstrakte Verkaufsmöglichkeit nur potentiell, nicht hingegen aktuell beeinträchtigt. Von einem unmittelbaren Eingriff in die Rechtssphäre im oben dargelegten Sinn könnte erst dann gesprochen werden, wenn die Antragstellerin Verkaufsabsichten in bezug auf ein bestimmtes Grundstück hegt und dartut, daß diesbezüglich konkrete, auf den Abschluß des Rechtsgeschäftes abzielende Verhandlungen stattfinden.
Was die von der Einschreiterin bezogene Genehmigungspflicht gemäß §9 des StadterneuerungsG betrifft, ist es ihr nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofs zumutbar, gemäß §30 Abs1 dieses Gesetzes einen Bescheid der Bezirksverwaltungsbehörde über die Genehmigung eines Rechtsgeschäftes im Sinne des §9 StadterneuerungsG zu erwirken und nach Erschöpfung des Instanzenzuges in einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof die amtswegige Einleitung eines Prüfungsverfahrens betreffend die Assanierungsverordnung (im präjudiziellen Umfang) anzuregen.
Der Individualantrag war somit wegen fehlender Antragsberechtigung zurückzuweisen, was gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne weiteres Verfahren beschlossen werden konnte.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, StadterneuerungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1992:V3.1992Dokumentnummer
JFT_10078984_92V00003_00