TE Vfgh Erkenntnis 1992/11/30 B97/92

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Veröffentlicht am 30.11.1992
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

EMRK Art6 Abs1 / Tribunal
EMRK Art6 Abs1 / Verfahrensgarantien
Vlbg GVG §1 Abs3 litc
Vlbg GVG §5 Abs2 litc
Vlbg GVG §15

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Ausländergrunderwerbs; keine Bedenken gegen die Qualifizierung einer juristischen Person mit überwiegend ausländischer Beteiligung als Ausländerin im Vlbg GVG; keine Bedenken gegen die Zusammensetzung des Grundverkehrssenates

Spruch

Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Beschwerdeführerin ist eine in Feldkirch ansässige Offene Handelsgesellschaft. Sie betreibt Hoch- und Tiefbau. Ihre beiden Gesellschafter sind Staatsangehörige von Liechtenstein.

2. Die beschwerdeführende Gesellschaft beantragte am 9. März 1989 die grundverkehrsbehördliche Genehmigung zum Erwerb des Grundstückes Nr. 2039/102, GB Altenstadt.

Der Grundverkehrssenat des Landes Vorarlberg versagte mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 29. November 1991 gemäß §5 Abs2 litc des Vorarlberger Grundverkehrsgesetzes, LGBl. 18/1977 idF LGBl. 63/1987, (im folgenden kurz: Vlbg. GVG), die begehrte Genehmigung und begründete dies im wesentlichen wie folgt:

"Gemäß §5 Abs2 Grundverkehrsgesetz ist ein Rechtserwerb durch Ausländer nur zu genehmigen, wenn land- und forstwirtschaftliche Interessen nicht verletzt werden, staatspolitische Interessen nicht beeinträchtigt werden und am Rechtserwerb ein kulturelles, volkswirtschaftliches oder soziales Interesse besteht.

Gesellschafter der Fa. H & J OHG sind zwei liechtensteinische Staatsbürger. An der Berufungswerberin sind somit ausschließlich Ausländer, nämlich natürliche Personen, welche die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzen, beteiligt. Die Berufungswerberin ist eine Personengesellschaft des Handelsrechts in der Rechtsform der OHG und infolge der Beteiligungsverhältnisse Ausländerin gemäß §1 Abs3 litc GVG. Im gleichgelagerten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10.6.1991, Zl. B216/91, wurde die Ausländereigenschaft der Fa. H & J OHG bestätigt.

Gemäß §1 Abs1 litb GVG fällt der Verkehr mit Grundstücken unter die Bestimmungen des Grundverkehrsgesetzes, sofern an diesen Ausländer Rechte erwerben.

Zur Genehmigung des gegenständlichen Rechtserwerbes fehlen vor allem die Voraussetzungen des §5 Abs2 litc GVG. Ein kulturelles oder soziales Interesse wurde weder behauptet noch glaubhaft gemacht. Ein volkswirtschaftliches Interesse fehlt jedoch schon deshalb, weil aufgrund der Ermittlungen als erwiesen anzunehmen ist, daß der Erwerbszweck durch die Berufungswerberin nicht oder nicht in absehbarer Zeit verwirklicht werden kann. Erwerbszweck ist der Kiesabbau auf dem Kaufgrundstück. Der geologische Amtssachverständige bei der Abteilung Raumplanung und Baurecht des Amtes der Vorarlberger Landesregierung kommt in seinem Gutachten zum Ergebnis, daß die alte Abfalldeponie in der Alten Rüttenen nach Durchführung einiger Sicherungsmaßnahmen an Ort und Stelle verbleiben könnte, was einen Kiesabbau auf dem Kaufgrundstück verunmöglichen würde. Auch im Schreiben vom 14.11.1990 an den Grundverkehrssenat, welches zum gleichgelagerten Verfahren Zl. GVS-410-775 'C' ergangen ist und auf welches die Berufungswerberin verwiesen hat, gesteht die Berufungswerberin ein, daß derzeit keine Aussicht auf eine Bewilligung der Bezirkshauptmannschaft für den Kiesabbau besteht. Um Erteilung öffentlich-rechtlicher (wie der wasserrechtlichen oder landschaftsschutzrechtlichen) Bewilligungen ist wohlweislich nicht angesucht worden, weil eine negative Entscheidung der Behörde befürchtet wurde.

Somit ist davon auszugehen, daß am Rechtserwerb kein volkswirtschaftliches Interesse besteht.

Da schon die Voraussetzungen des §5 Abs2 litc GVG zur Genehmigung des gegenständlichen Kaufes fehlen, erübrigt es sich, auf die anderen Voraussetzungen des §5 Abs2 GVG einzugehen.

Dem Gutachten des geologischen Amtssachverständigen ist zu entnehmen, daß ein Kiesabbau jedenfalls in nächster Zeit nicht verwirklicht werden kann. Deshalb hat es der Grundverkehrssenat nicht als erforderlich betrachtet, die Entscheidung im gegenständlichen Verfahren zu vertagen, zumal die Verkäuferseite auf eine rasche Entscheidung drängt und die Grundverkehrsbehörde die Grundsätze der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis gemäß §39 Abs2 AVG 1950 anzuwenden hat. Im Zuge des nun schon mehrere Jahre lang dauernden Verfahrens hätte die Berufungswerberin überdies mehrfach Gelegenheit gehabt, ein Gegengutachten einzuholen, zumal sie vor ca. 1 Jahr das geologische Gutachten erhalten hat und schon vorher im Fall 'C' ein gleichlautendes Gutachten erstattet wurde.

Für das gegenständliche Verfahren ist es unerheblich, ob der Firma im Jahre 1974 der Erwerb von zwei Grundstücken in den Alten Rüttenen grundverkehrsbehördlich genehmigt worden ist. Vor 15 Jahren war es noch denkbar, daß ein Kiesabbau durchführbar ist, sodaß es durchaus möglich ist, daß die Grundverkehrsbehörde im Jahre 1974 im Grunderwerb ein volkswirtschaftliches Interesse erblickt hat. In den letzten Jahren hat sich jedoch die Situation aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse und der Erlassung einer Fülle von abfallrechtlichen Vorschriften wesentlich geändert."

3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

4.a) Der Grundverkehrssenat als jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der er begehrt, die Beschwerde abzuweisen.

b) Die Verkäufer des in Rede stehenden Grundstückes gaben als Beteiligte dieses verfassungsgerichtlichen Verfahrens Äußerungen ab.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.a) Die beschwerdeführende Gesellschaft macht zunächst geltend, in dem durch Art6 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht dadurch verletzt worden zu sein, daß die Zusammensetzung des Grundverkehrssenates nicht den an ein "Tribunal" iS dieser Konventionsnorm zu stellenden Ansprüchen genüge, es fehle der "objective approach":

Der Senatsvorsitzende sei 25 Jahre lang das für Grundverkehrsfragen zuständige Mitglied der Vorarlberger Landesregierung gewesen. Ein Senatsmitglied sei der Präsident der Landwirtschaftskammer, die die Interessen der Landwirtschaft zu vertreten habe. Der Berichterstatter stehe in "Mischverwendung"; er sei neben seiner Tätigkeit im Grundverkehrssenat beim Amt der Vorarlberger Landesregierung tätig.

b) Zur Widerlegung dieser Bedenken ist die beschwerdeführende Gesellschaft auf die grundsätzlichen Überlegungen in der Vorjudikatur, so insbesondere im Erkenntnis VfSlg. 12074/1989, hinzuweisen. Die damals entschiedene Beschwerde wurde vom selben Rechtsanwalt wie die nun vorliegende eingebracht; dieser wurde bereits zu einer ähnlichen, von ihm verfaßten Beschwerde auf die soeben zitierte Entscheidung aufmerksam gemacht (VfGH 10.6.1991 B216/91). Der Verfassungsgerichtshof sieht sich auch nicht aufgrund des nunmehrigen Beschwerdevorbringens veranlaßt, von dieser Judikatur abzurücken.

Er teilt die hier ob der Verfassungsmäßigkeit (Art6 EMRK) der konkreten Zusammensetzung des Grundverkehrssenates von der beschwerdeführenden Gesellschaft dargelegten Bedenken nicht: Der Umstand allein, daß der Vorsitzende eines "Tribunals" ehemals ein Politiker war, erweckt nicht den Anschein, daß er nicht unparteiisch oder nicht unabhängig sei; dies auch dann nicht, wenn er früher das für Grundverkehrsangelegenheiten zuständige oberste Vollzugsorgan war.

Gleiches gilt für den Präsidenten der Landwirtschaftskammer; es ist unerfindlich, weshalb gerade er parteiisch entscheiden sollte, nicht aber ein Beamter dieser Kammer; auch für ihn gilt, was bereits im Erkenntnis VfSlg. 12074/1989, S 559, ausgeführt wurde:

Der Sinn des vom Vlbg. GVG vorgesehenen Bestellungsmodus (Entsendung von Senatsmitgliedern durch berufliche Interessenvertretungen) liegt darin, daß diese Mitglieder über solche spezifische Kenntnisse und Erfahrungen verfügen, die erforderlich sind, um die Entscheidungen des Grundverkehrssenates sachgerecht treffen zu können; hiebei kann die Kenntnis der (allenfalls divergierenden) Interessen von besonderer Bedeutung sein.

Auch die Bestellung eines Verwaltungsbeamten zum Senatsmitglied beeinträchtigt die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit an sich nicht. Es müßten konkrete Umstände vorliegen, die geeignet sind, sie in Zweifel zu ziehen (vgl. VfSlg. 11131/1986); solche sind hier nicht feststellbar. Die in der Beschwerde vorgenommene Gleichstellung des Grundverkehrssenates (in dem Beamte nebenberuflich tätig sind) mit dem Unabhängigen Verwaltungssenat (dem die Organwalter hauptberuflich angehören) ist verfehlt; daher ist darauf nicht weiter einzugehen.

2.a) Die beschwerdeführende Gesellschaft behauptet weiters, in dem durch Art6 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht deshalb verletzt worden zu sein, weil bei der Entscheidung über ein "civil right" das Parteiengehör verletzt worden sei; es sei ihr keine Gelegenheit geboten worden, ein angeblich verfehltes Amtsgutachten geeignet zu widerlegen.

b) Das Verfahren hat keine in die Verfassungssphäre reichende Verfahrensfehler ergeben; solche liegen schon deshalb nicht vor, weil das Gutachten des Amtssachverständigen vom 25. Oktober 1990 - wie in der Gegenschrift unbestritten dargestellt wird - der beschwerdeführenden Gesellschaft bereits seit Dezember 1990 bekannt war und sie dieses erst bei der mündlichen Verhandlung vom 21. November 1991 in Frage stellte.

3.a) Der Grundverkehrssenat geht im angefochtenen Bescheid davon aus, daß der in Rede stehende Rechtserwerb den - gegenüber den Regelungen über den Inländergrundverkehr strengeren - Vorschriften über den Ausländergrundverkehr unterläge, weil die Käuferin (die beschwerdeführende Gesellschaft) gemäß §1 Abs3 litc Vlbg. GVG als Ausländer iS dieses Gesetzes zu behandeln sei.

Diese Bestimmung lautet im hier maßgebenden Zusammenhang auszugsweise:

"(3) Als Ausländer im Sinne dieses Gesetzes gelten:

a) natürliche Personen, welche die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzen;

b) juristische Personen und Personengesellschaften des Handelsrechtes, die ihren Sitz im Ausland haben;

c) juristische Personen und Personengesellschaften des Handelsrechtes mit dem Sitz im Inland, an denen ausschließlich oder überwiegend Ausländer gemäß lita und b beteiligt sind ...;

d) . . .".

b) Die beschwerdeführende Gesellschaft macht geltend, §1 Abs3 litc Vlbg. GVG verletze den Art1 des (1.) ZPEMRK allein und iVm Art14 EMRK; dies deshalb, weil diese Vorschrift bei Bestimmung des für juristische Personen und Personengesellschaften des Handelsrechtes (so etwa für eine OHG) mit dem Sitz im Inland geltenden Ausländerbegriffes ausschließlich auf die Staatsangehörigkeit der Gesellschafter abstelle und sämtliche anderen Gesichtspunkte für die Beurteilung dieser Frage ausschließe, so etwa eine langjährige Tätigkeit der Gesellschaft im Inland. Ein sachgerechter Ausländerbegriff müßte bei juristischen Personen daher auch diese Komponente langjähriger Tätigkeit adäquat mitberücksichtigen. Der Ausländerbegriff des Vlbg. GVG überschreite also bei weitem jenen Ermessensspielraum, den die autonome Rechtsetzung den Konventionsstaaten nach der Menschenrechtskonvention vor dem Hintergrund des Diskriminierungsverbotes einräume.

c) Zur Widerlegung des Vorwurfes ist auf das Erkenntnis VfGH 10.6.1991, B216/91, hinzuweisen. Darin wurden ähnliche Bedenken als unbegründet qualifiziert, die in einer vom selben Rechtsanwalt eingebrachten Beschwerde gegen die Verfassungsmäßigkeit des §1 Abs3 litc Vlbg. GVG vorgebracht worden waren.

Die soeben wiedergegebenen, zum Teil neuen Argumente veranlassen den Verfassungsgerichtshof nicht, von der zitierten Judikatur abzurücken. Wenn der Landesgesetzgeber in den Ausländerbegriff auch Gesellschaften einbezogen hat, die zwar ihren Sitz im Inland haben, die aber von Ausländern beherrscht werden, ist dies keineswegs unsachlich. Die Regelung dient dazu, Umgehungshandlungen zu verhindern, ist es für Ausländer doch ziemlich leicht, eine inländische Gesellschaft zu gründen, und zwar auch dann, wenn dies offenkundig nur oder vornehmlich den Zweck verfolgt, daß formell die Gesellschaft als Grundstückskäufer auftritt (vgl. den Motivenbericht der Regierungsvorlage über eine Abänderung des Grundverkehrsgesetzes, 5. Blg. im Jahr 1969 zu den Sitzungsberichten des XX. Vlbg. Landtages; abgedruckt in Küng, Das Vlbg. Grundverkehrsgesetz, Bregenz 1990, Anm. 5 zu §1).

4. Das Verfahren hat auch keine sonstigen, von der beschwerdeführenden Gesellschaft nicht vorgebrachten, vom Verfassungsgerichtshof in einem Verfahren nach Art144 B-VG wahrzunehmenden Fehler ergeben.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

5. Die vom Beteiligten H M geltend gemachten Kosten waren schon deshalb nicht zuzusprechen, weil dieser nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war und auch andere nach Art88 VerfGG ersatzfähige Kosten nicht entstanden sind.

6. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung beschlossen werden.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Behördenzusammensetzung, Ausländergrunderwerb, Person juristische, Tribunal

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1992:B97.1992

Dokumentnummer

JFT_10078870_92B00097_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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