TE Vwgh Erkenntnis 1995/2/27 94/16/0007

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Veröffentlicht am 27.02.1995
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
35/02 Zollgesetz;

Norm

BAO §257;
BAO §276 Abs1;
BAO §303;
BAO §77;
BAO §78 Abs1;
BAO §78 Abs3;
ZollG 1988 §178;
ZollG 1988;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):94/16/0008

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell, über die Beschwerden der R-Gen. m.b.H. in Salzburg, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom 23. November 1992, Zl. R-R 1/4-GA7-Sch/92, und vom 4. Dezember 1992, Zl. R-R 1/5-GA7-Sch/92, betreffend Zurückweisung eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens in einem Zollverfahren, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 8.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren der belangten Behörde wird abgewiesen.

Begründung

Mit den angefochtenen Bescheiden vom 23. November 1992, (hg. Zl. 94/16/0008) und 4. Dezember 1992 (hg. Zl. 94/16/0007) hat die Finanzlandesdirektion für Salzburg (belangte Behörde) Anträge der Beschwerdeführerin vom 23. August 1991 auf Wiederaufnahme der mit Bescheiden vom 4. Oktober 1989 bzw. 26. Juni 1990 gegen J K durchgeführten rechtskräftig abgeschlossenen Abgabenverfahren zurückgewiesen. Nach Wiedergabe des Sachverhaltes und der Rechtsgrundlagen führte die belangte Behörde in der Begründung der angefochtenen Bescheide im wesentlichen gleichlautend aus, zur Stellung des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens sei der berechtigt, der im vorangegangenen Verfahren Parteistellung gehabt habe. Dem Antrag der Beschwerdeführerin sei unzweifelhaft zu entnehmen, daß es sich bei den wiederaufzunehmenden Verfahren um jene handle, welche das Zollamt Salzburg unter den Aktenzahlen K 160/2/9-1982 und K 163/1/1-86 mit J K abgeführt habe und die mit Berufungsentscheidungen der belangten Behörde rechtskräftig abgeschlossen worden seien. Partei in den rechtskräftig abgeschlossenen Abgabenverfahren sei J K gewesen. Dieser sei Abgabepflichtiger und gegen ihn seien die Bescheide ergangen, auf welche sich nunmehr die Beschwerdeführerin beziehe. Da die Beschwerdeführerin weder Abgabepflichtige noch persönlich Haftende sei, komme ihr eine Parteistellung nicht zu, sodaß die Anträge auf Wiederaufnahme der Verfahren wegen fehlender Aktivlegitimation zurückzuweisen gewesen seien.

Die Behandlung der zunächst vor dem Verfassungsgerichtshof erhobenen Beschwerden wurde mit Beschluß vom 30. November 1993, B 2092/92-7 und B 47/93-7, abgelehnt und es wurden die Beschwerden dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Parteistellung hinsichtlich der Wiederaufnahme der Zollverfahren verletzt und beantragt die Aufhebung der angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Verbindung beider Rechtssachen wegen ihres persönlichen, sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung beschlossen und hiezu erwogen:

Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Das Recht, einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens zu stellen, steht nach den im Zollverfahren anzuwendenden Bestimmungen der BAO (und nicht des AVG, dessen Bestimmungen die Beschwerdeführerin in ihrer Argumentation teilweise heranzieht) nur der Partei des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens zu.

Partei im Abgabenverfahren ist nach § 78 Abs. 1 BAO der Abgabepflichtige (§ 77), im Berufungsverfahren auch jeder, der eine Berufung einbringt (Berufungswerber), einem Berufungsverfahren beigetreten ist (§§ 257 bis 259) oder, ohne Berufungswerber zu sein, einen Antrag auf Entscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz gemäß § 276 Abs. 1 gestellt hat.

Andere als die genannten Personen haben nach § 78 Abs. 3 BAO die Rechtsstellung einer Partei dann und insoweit, als sie auf Grund abgabenrechtlicher Vorschriften die Tätigkeit einer Abgabenbehörde in Anspruch nehmen oder als sich die Tätigkeit einer Abgabenbehörde auf sie bezieht.

Nach Auffassung der Beschwerdeführerin ergibt sich ihre Parteistellung und somit das Antragsrecht auf Wiederaufnahme der rechtskräftig abgeschlossenen Abgabenverfahren aus § 78 Abs. 3 BAO, wonach sich die Tätigkeit der belangten Behörde insofern auf sie bezogen habe, als mit den Abgabenfestsetzungen, für die sie mit den zu ihren Gunsten verpfändeten Gegenständen hafte (die Beschwerdeführerin war Bescheidadressatin von auf § 178 ZollG gestützten Sachhaftungsbescheiden, mit denen Waren beschlagnahmt worden wären, hinsichtlich derer J K mit Abgabenbescheid als Abgabenschuldner zur Zahlung herangezogen worden war), die Höhe der Abgabenschuld festgelegt worden sei.

Wie die Beschwerdeführerin in der Beschwerde zutreffend ausführt, wäre ein Wiederaufnahmsantrag hinsichtlich der Sachhaftungsverfahren ohne jegliche Erfolgschance, weil in diesem Verfahren nicht die Höhe und Bemessungsgrundlage der festgelegten Abgabe gegenständlich sei, sondern nur die Frage der Sachhaftung dem Grunde nach (vgl. Erkenntnis vom 14. Februar 1991, Zl. 90/16/0184). Aber auch die von der Beschwerdeführerin nunmehr vertretene Ansicht vermag ihr nicht zum Erfolg zu verhelfen. Unbestritten ist, daß die Beschwerdeführerin nicht Abgabepflichtige in den gegen J K rechtskräftig abgeschlossenen Abgabenverfahren ist. Durch die an den Bescheidadressaten J K gerichteten und diesem zugestellten Bescheide hat sich die Tätigkeit der Abgabenbehörde weiters keinesfalls (weder formell noch materiell) auf die Beschwerdeführerin bezogen. Hatten doch diese Bescheide ihr gegenüber keinerlei Wirkung. Eine Exekution konnte auf Grund dieser Bescheide gegen die Beschwerdeführerin nicht erfolgen. Die Sachhaftung für die Eingangsabgaben aber war nach § 178 Abs. 1 ZollG bereits mit dem Enstehen der Eingangsabgabenschuld gegeben und die Waren hafteten schon ab diesem Zeitpunkt ohne Rücksicht auf die Rechte anderer Personen für die auf sie entfallenden Eingangsabgaben. Erst mit der bescheidmäßigen Geltendmachung der Sachhaftung hat die Beschwerdeführerin durch die an sie gerichteten Beschlagnahmebescheide Parteistellung nach § 78 Abs. 3 BAO im Beschlagnahmeverfahren erhalten. Diese Parteistellung bewirkt jedoch nicht, daß ihr auch Parteistellung im Abgabenverfahren, das gegenüber einer anderen Person geführt wird, zukommt. Dem persönlich Haftenden wird im Unterschied zu dem von der Sachhaftung Betroffenen im Fall seiner Inanspruchnahme nach § 248 BAO ausdrücklich das Recht eingeräumt, auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch zu berufen. Dieser Regelung des § 248 BAO bedürfte es für die Berufungsmöglichkeit des persönlich Haftenden gegen den Abgabenanspruch nicht, wenn sich seine Parteistellung nicht nur in der Frage der Heranziehung zur Haftung, sondern auch im Abgabenverfahren selbst unmittelbar aus § 78 Abs. 3 BAO ergebe.

Soweit die Beschwerdeführerin auch vor dem Verwaltungsgerichtshof die Verletzung verfassungsrechtlich gewährleisteter Rechte rügt, genügt es im vorliegenden Verfahren darauf hinzuweisen, daß die Behandlung solcher Fragen nicht in die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes fällt. Im übrigen hat der Verfassungsgerichtshof - wie schon angeführt - das Beschwerdevorbringen in der Verfassungsgerichtshofbeschwerde geprüft und die Behandlung der Beschwerde abgelehnt. Verfassungsrechtliche Bedenken sind dem Verwaltungsgerichtshof aus Anlaß der Beschwerde nicht entstanden.

Da die belangte Behörde die Anträge der Beschwerdeführerin auf Wiederaufnahme der rechtskräftig abgeschlossenen Abgabenverfahren mangels Aktivlegitimation mit Recht zurückwies, waren die Beschwerden gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Das Kostenmehrbegehren der belangten Behörde war abzuweisen, weil der Vorlageaufwand nur einmal angefallen ist.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994160007.X00

Im RIS seit

03.04.2001

Zuletzt aktualisiert am

10.11.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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