TE Vwgh Erkenntnis 1995/2/27 90/10/0078

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Veröffentlicht am 27.02.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
82/05 Lebensmittelrecht;

Norm

LMG 1975 §7 Abs1 litb;
LMG 1975 §8 litg;
VStG §5 Abs1;
VStG §9 Abs1;
VStG §9 Abs2;
VStG §9 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde des K in I, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 15. Februar 1990, Zl. Vd-San-14.772/1, betreffend Übertretungen des Lebensmittelgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Gesundheit und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug erlassenen und nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufenes Organ der F & Co KG mit dem Sitz in I, A-Straße 9, zu verantworten, daß am 23. August 1988 im Lebensmittelgeschäft des genannten Unternehmens in I, A-Straße 9, Schweizersalat, Wurstsalat, Geflügelsalat und italienischer Salat, die im Sinne des § 8 lit. g LMG wertgemindert waren, durch Feilhalten in Verkehr gebracht wurden, ohne daß dieser Umstand deutlich und allgemein verständlich kenntlich gemacht worden wäre. Die belangte Behörde stellte fest, die im Spruch angeführten Salate wiesen nach dem Gutachten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in Innsbruck vom 5. Dezember 1988 Geruchsabweichungen auf und zeigten Anzeichen eines beginnenden Verderbs. Die abwegige Beschaffenheit werde durch den überhöhten ph-Wert und die überhöhten Keimzahlen, die in den dem Beschwerdeführer vorgehaltenen Untersuchungsergebnissen jeweils konkret angeführt waren, objektiviert. Die Salate seien daher gemäß § 8 lit. g LMG wertgemindert und unterlägen dem Verbot des § 7 Abs. 1 lit. b LMG. Der Beschwerdeführer bestreite die Wertminderung nicht, stelle jedoch seine Verantwortung hiefür unter Hinweis auf die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten in Abrede. Der Beschwerdeführer habe jedoch den in § 9 Abs. 4 VStG geforderten Nachweis der Zustimmung des verantwortlichen Beauftragten zu seiner Bestellung nicht erbracht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde vertritt die Auffassung, dem angefochtenen Bescheid könne nicht entnommen werden, worin das Verschulden des Beschwerdeführers liege. Die Ursache der Wertminderung könne in "Unsauberkeit in der Küche oder bei der Zubereitung, Verwendung alter oder überlagerter Bestandteile, Überlagerung der Salate im Geschäft und anderes mehr" liegen. Die belangte Behörde habe nicht festgestellt, welcher Fehler vorliege; ebensowenig sei festgestellt worden, daß die Wertminderung der Waren für den Beschwerdeführer oder seine Mitarbeiter erkennbar gewesen wäre. Das Verschulden des Beschwerdeführers könnte allenfalls darin erblickt werden, daß er unzureichend ausgebildete Mitarbeiter beschäftige, diese ungenügend kontrolliere oder unterweise. Im Hinblick auf die bisherige Unbescholtenheit könne dies aber nicht behauptet werden.

Damit verkennt die Beschwerde die Rechtslage. Zum Tatbestand der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verwaltungsübertretung gehört weder der Eintritt eines Schadens noch einer Gefahr. Es handelt sich somit um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG. Bei diesen Delikten besteht nach § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG die Rechtsvermutung für das Verschulden (in Form fahrlässigen Verhaltens) des Täters. Bestreitet er dieses, so hat er nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes initiativ alles darzutun, was für seine Entlastung spricht, insbesondere, daß er solche Maßnahmen getroffen habe, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen mit Grund die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften erwarten ließen. Ansonsten wäre er selbst dann strafbar, wenn die Verstöße ohne sein Wissen und ohne seinen Willen begangen wurden (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 19. September 1989, Zl. 89/08/0221).

Der Verwaltungsgerichtshof hat weiters wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zuläßt, daß sich der Unternehmer (Arbeitgeber, strafrechtlich Verantwortliche) aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt; es muß ihm vielmehr zugebilligt werden, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf mögliche und zumutbare Maßnahmen zu beschränken, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 19. Mai 1994, Zl. 93/17/0332, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Es wäre somit Sache des Beschwerdeführers gewesen, der Behörde von sich aus darzulegen, welches für den vorliegenden Betrieb entsprechend wirksame Kontrollsystem er eingerichtet habe, von dem mit gutem Grund erwartet werden konnte, daß es die Einhaltung der lebensmittelrechtlichen Vorschriften gewährleisten werde (zu den Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines adäquaten Kontrollsystems vgl. z.B. das Erkenntnis vom 16. November 1993, Zl. 93/07/0022).

Davon ausgehend reichen die oben wiedergegebenen Hinweise des Beschwerdeführers keineswegs aus, ihn zu entlasten, hat er doch damit nicht einmal behauptet, ein entsprechend wirksames Kontrollsystem im Sinne der oben dargelegten Anforderungen eingerichtet zu haben.

Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, die belangte Behörde hätte sich über seine Behauptung, er habe seine Mutter als verantwortliche Beauftragte "für das Einzelhandelsgeschäft, in dem die Salate gezogen wurden" bestellt, nicht mit der Begründung hinwegsetzen dürfen, die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten und dessen Zustimmung zur Bestellung sei nicht nachgewiesen worden. Ein schriftlicher Nachweis sei nicht vorgeschrieben und in einem Familienbetrieb auch nicht üblich. Die Organisation und Kompetenzverteilung hätte durch die beantragten Zeugen "bestätigt" werden können.

Auch damit verkennt die Beschwerde die Rechtslage.

Der Beschwerdeführer als handelsrechtlicher Geschäftsführer hätte sich zwar von der ihn treffenden strafrechtlichen Verantwortung durch die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs. 2 und 4 VStG befreien können. Auf eine derartige Bestellung könnte er sich aber nur dann berufen, wenn bei der Behörde spätestens während des Verwaltungsstrafverfahrens ein - aus der Zeit vor der Begehung der ihm angelasteten Übertretungen stammender - Zustimmungsnachweis eines verantwortlichen Beauftragten eingelangt wäre. Von einem aus der Zeit vor der Begehung der Verwaltungsübertretung stammenden Zustimmungsnachweis kann allerdings nur dann gesprochen werden, wenn ein die Zustimmung zur Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten betreffendes Beweisergebnis schon vor Begehung der Tat vorhanden war; da dies auf ein erst nach diesem Zeitpunkt zustande gekommenes Beweisergebnis nicht zutrifft, genügt es zur Erbringung des vom Gesetz geforderten Zustimmungsnachweises jedenfalls nicht, wenn sich der diesbezüglich beweispflichtige Beschuldigte auf die erst im Verwaltungsstrafverfahren abzulegende Zeugenaussage des verantwortlichen Beauftragten beruft, mit der dessen Zustimmung zur Bestellung unter Beweis gestellt werden soll (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 17. Februar 1992, Zl. 91/19/0335, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Die Beschwerde meint ferner, die Untersuchungsanstalt habe "die Wertminderung der Salate mit einem überhöhten ph-Wert begründet". Die beanstandeten Salate wiesen einen ph-Wert zwischen 4,5 bis 5,0 auf; ein ph-Wert von höchstens 4,5 sei nach der Konservierungsmittelverordnung zwar bei anderen Produkten, nicht aber bei den beanstandeten Salaten vorgeschrieben. Ebenso sei der Hinweis auf überhöhte Keimzahlen nicht überprüfbar, weil die Normalwerte nicht angegeben seien.

Auch diese Darlegungen zeigen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Die Beurteilung der strittigen Produkte als wertgemindert beruht - anders als die Beschwerde annimmt - nicht auf der Feststellung eines ph-Wertes und von Keimzahlen, die verordnete Grenzwerte übersteigen, sondern primär auf dem Ergebnis einer sensorischen Überprüfung (Geruchsabweichungen, Anzeichen beginnenden Verderbs). Nach den dem Beschwerdeführer vorgehaltenen Untersuchungsergebnissen wird dieser sensorische Befund von (jeweils konkret bezifferten) überhöhten ph-Werten und Keimzahlen objektiviert. Auf Vorschriften, die Grenzwerte für die gemessenen Parameter vorschreiben, kommt es im gegebenen Zusammenhang daher nicht an; es ist ausreichend erkennbar, daß sich die angeführte "Überhöhung" von ph-Wert und Keimzahlen auf die entsprechenden Werte bezieht, die bei nicht wertgeminderten Produkten derselben Art vorgefunden werden. Abgesehen von dem nach dem Gesagten nicht zielführenden Hinweis, daß ein bestimmter ph-Wert bei den in Rede stehenden Produkten nicht vorgeschrieben sei, ist der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren den Untersuchungsergebnissen nicht entgegengetreten; er zeigt daher mit seinem oben wiedergegebenen Vorbringen ebenfalls keine Rechtswidrigkeit auf.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1990100078.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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