TE Vwgh Erkenntnis 1995/2/27 90/10/0008

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Veröffentlicht am 27.02.1995
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Index

L40018 Anstandsverletzung Ehrenkränkung Lärmerregung
Polizeistrafen Vorarlberg;
L40058 Prostitution Sittlichkeitspolizei Vorarlberg;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

SittenpolG Vlbg 1976 §18 Abs1 litc;
SittenpolG Vlbg 1976 §4 Abs1;
SittenpolG Vlbg 1976 §4 Abs4;
VStG §5 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde der L K in F, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 16. November 1989, Zl. Ia 909-44/89, betreffend Übertretung des Vorarlberger Sittenpolizeigesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 16. November 1989 wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, sie habe sich am 12. Juli 1989 um 0.10 Uhr in F. an der B 202, auf der Höhe des Parkplatzes des Autohauses H. zur Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht angeboten, indem sie von einem Mann für die Durchführung eines Geschlechtsverkehrs einen Betrag von DM 100 verlangt habe. Sie habe hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach § 18 Abs. 1 lit. c in Verbindung mit § 4 Abs. 1 des Vorarlberger Sittenpolizeigesetzes, LGBl. Nr. 6/1976 (Vbg SPG) begangen. Es wurde eine Arreststrafe in der Dauer von 14 Tagen verhängt.

In der Begründung wird ausgeführt, aus der Anzeige des Gendarmeriepostens X vom 18. Juli 1989 gehe hervor, daß von den Gendarmeriebeamten anläßlich einer Außendienstpatrouille am 12. Juli 1989 um 0.10 auf der B 202 in F. auf Höhe des Parkplatzes des Autohauses H. festgestellt werden habe können, wie die amtsbekannte Prostituierte L.K. - die Beschwerdeführerin - auf ihrem üblichen Anbahnungsort mit einem Pkw-Lenker Kontakt aufgenommen habe. Der Fahrzeuglenker sei daraufhin angehalten worden und er habe auf Befragung angegeben, daß die Frau für einen Geschlechtsverkehr im Zimmer DM 100 verlangt habe.

Die Bezirkshauptmannschaft Bregenz habe ein Verwaltungsstrafverfahren durchgeführt und gegen die Beschwerdeführerin eine Verwaltungsstrafe wegen Übertretung des § 18 Abs. 1 lit. c iVm § 4 Abs. 1 Vbg SPG erlassen. Die Beschwerdeführerin habe in der Berufung behauptet, der Pkw-Lenker habe vor ihr angehalten und sie nach dem Weg gefragt. Er habe sie zum Mitfahren aufgefordert. Vor der Gendarmerie habe er angegeben, daß er sich lediglich nach dem "Dirnenlohn" erkundigen habe wollen, da er es nicht notwendig habe, mit Dirnen ins Zimmer zu gehen.

Im Berufungsverfahren sei der Freier M.J. als Zeuge einvernommen worden. Er habe angegeben, am 12. Juli 1989 um 0.10 Uhr sei er auf der B 202 von B. kommend in Richtung F. gefahren. Entlang der B 202 habe er schon mehrere "Damen" stehen gesehen und er habe sich gedacht, daß er sich bei einer dieser Damen, rein interessehalber, nach dem Preis erkundigen könne. In F. auf Höhe des Parkplatzes des Autohauses H. sei er dann zu einer Dame hingefahren. Er habe die Scheibe seiner Beifahrertür heruntergedreht, worauf die Dame zu ihm gekommen sei. Sie habe "Hallo" gesagt und gefragt, ob er mit ihr kommen wolle. Er habe daraufhin gefragt, wieviel dies kosten würde. Sie habe dann einen Betrag genannt. Ob sie nun S 700,-- oder DM 100 verlangt habe wisse er heute nicht mehr. Jedenfalls habe der Gegenwert DM 100 betragen. Kaum habe sie den Betrag genannt, sei die Gendarmerie gekommen und habe vor seinem Fahrzeug angehalten. Die Dame sei in Richtung ihres Pkws, der in der Nähe gestanden sei, gegangen, und habe sich hineingesetzt. Einer der zwei Gendarmeriebeamten sei sogleich zu ihr hingegangen und habe mit ihr kurz gesprochen. Daraufhin sei dieser Gendarmeriebeamte zu ihm gekommen. Dieser habe ihn gefragt, was die Dame gewollt habe. Er habe diesem geantwortet, daß sich die Dame zu einem entgeltlichen Geschlechtsverkehr um einen Betrag von DM 100 angeboten habe. Es sei nicht richtig, daß er die Dame nach einem Weg gefragt habe. Er habe die Dame auch nicht zum Mitfahren aufgefordert.

Die belangte Behörde habe der Aussage des Zeugen Glauben geschenkt. Diese sei detailliert und widerspruchsfrei und der Zeuge sei vor seiner Einvernahme auf die strafgerichtlichen Folgen einer falschen Zeugenaussage hingewiesen worden. Während des gesamten Ermittlungsverfahrens seien keine Umstände bekannt geworden, die darauf hindeuteten, daß der Zeuge absichtlich zum Nachteil der Beschwerdeführerin eine falsche Aussage habe machen wollen. Die belangte Behörde habe daher keine Zweifel, daß sich der Sachverhalt so zugetragen habe, wie vom Zeugen angegeben. Danach habe sich die Beschwerdeführerin dem Zeugen gegenüber zu einem entgeltlichen Geschlechtsverkehr angeboten. Die Angaben der Beschwerdeführerin, daß sich der Zeuge nach dem Weg erkundigt und sie aufgefordert habe, mitzufahren, müßten auf Grund des Ermittlungsverfahrens als reine Schutzbehauptungen gewertet werden.

Durch die strafbare Handlung seien zwar keine unmittelbaren Schäden aufgetreten, das durch die verletzte Norm geschützte Rechtsgut der öffentlichen Sittlichkeit sei jedoch verletzt worden. Als besonders erschwerend bei der Strafbemessung zu berücksichtigen sei der Umstand gewesen, daß die Beschwerdeführerin bereits mehrfach wegen Übertretung der gleichen Verwaltungsbestimmung bestraft worden sei. Zuletzt sei über sie mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 10. Mai 1989 eine Geldstrafe in Höhe von S 20.000,-- verhängt worden. Die Beschwerdeführerin habe somit nur wenige Wochen nach dieser Bestrafung ihre äußerst ablehnende und gleichgültige Haltung gegenüber dem rechtlich geschützten Gut neuerlich zum Ausdruck gebracht. Aus ihrem bisherigen Verhalten ergebe sich, daß die Verhängung einer Geldstrafe nicht genügen würde, um sie von weiteren Übertretungen der gleichen Art abzuhalten. Es sei daher unbedingt erforderlich gewesen, über sie eine Arreststrafe zu verhängen, um sie von ihrem rechtswidrigen Verhalten abzubringen. Die Feststellung, daß durch die Tat keine nachteiligen Folgen eingetreten seien, sei im Rahmen des § 19 Abs. 1 VStG erfolgt und dieser Umstand sei daher nicht als mildernd bei der Strafbemessung zu berücksichtigen. Mildernde Umstände seien während des Verfahrens keine hervorgekommen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die Behebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

Die Beschwerdeführerin bringt vor, im Rahmen der Beweiswürdigung, welche hier nicht bekämpft werden könne, stelle die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid fest, die Beschwerdeführerin hätte sich am 12. Juli 1989 dem Zeugen zu einem entgeltlichen Geschlechtsverkehr angeboten. Eine Feststellung, wonach sie dabei die Absicht gehabt hätte, sich durch die Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, sei nicht getroffen worden. Es fehle daher beim festgestellten Sachverhalt an der rechtlich relevanten Feststellung des wesentlichen Tatbestandsmerkmals des § 4 Vbg SPG.

Weiters stelle die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zwar fest, daß durch die strafbare Handlung keine unmittelbaren Schäden aufgetreten seien, äußere sich aber auch nicht darüber, wodurch allenfalls eine mittelbare Schädigung erfolgt sein solle und damit, ob überhaupt im Sinn des § 19 VStG eine mit der Tat verbundene Schädigung oder Gefährdung von Interessen, deren Schutz die Strafdrohung diene, eingetreten sei.

Nur unter Heranziehung der im § 1 Vbg SPG normierten Generalklausel über den öffentlichen Anstand ziehe die belangte Behörde den Schluß, daß durch die der Beschwerdeführerin zur Last gelegte Tat das geschützte Rechtsgut der öffentlichen Sittlichkeit verletzt worden sei. Dagegen sei bei Zugrundelegung der von der belangten Behörde getroffenen Tatsachenfeststellung die Tat ausschließlich unter § 4 Vbg SPG zu subsumieren, der nicht das Verbot der Verletzung von Anstandspflichten zum Gegenstand habe, sondern ausschließlich unter der Voraussetzung der Gewerbsmäßigkeit die Ausübung der Unzucht verbiete.

Darüber hinaus gehe die belangte Behörde in ihren Feststellungen davon aus, daß der Zeuge nicht die Absicht gehabt habe, sich von der Beschwerdeführerin ein Angebot erstatten zu lassen, sondern sich lediglich nach dem Preis habe erkundigen wollen. Nach diesen Feststellungen sei davon auszugehen, daß die Nennung eines Preises für die Durchführung eines Geschlechtsverkehrs nicht als Angebot, sondern als Information zu sehen sei, weshalb hinsichtlich der Erfüllung des Tatbestandes des § 4 Vbg SPG ein untauglicher Versuch vorliege.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 4 Abs. 1 Vbg SPG ist die Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht und das Anbieten hiezu, soweit nicht Ausnahmen infolge einer Bewilligung gemäß § 5 zugelassen sind, verboten.

Nach § 4 Abs. 3 leg. cit. ist die Unzucht gewerbsmäßig, wenn sie in der Absicht betrieben wird, sich durch ihre wiederkehrende Ausübung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.

Anbieten im Sinne des Abs. 1 ist nach § 4 Abs. 4 leg. cit. jedes Verhalten, das auf die Anbahnung von Beziehungen zur Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht abzielt.

Nach den Feststellungen der belangten Behörde ist die Beschwerdeführerin zum Auto des Zeugen (Freiers) gekommen und hat ihn gefragt, ob er mit ihr kommen wolle. Auf seine Frage, wieviel das kosten würde, hat sie ihm einen Betrag genannt. Dieses Verhalten stellt eindeutig "Anbieten" im Sinne des § 4 Abs. 4 Vbg SPG dar. Ob der Zeuge dabei tatsächlich - die nach außen hin nicht erkennbare - Absicht gehabt hat, sich lediglich nach dem Preis zu erkundigen, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Von einem untauglichen Versuch des Anbietens kann keine Rede sein.

Die Gewerbsmäßigkeit ergibt sich aus dem gesamten Verhalten der Beschwerdeführerin, vor allem auch im Zusammenhang mit ihren einschlägigen Vorstrafen.

§ 1 VbG SPG hat die belangte Behörde entgegen der Behauptung in der Beschwerde nicht herangezogen.

Der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr gehört nicht zum Tatbestand des § 18 Abs. 1 lit. c VbG SPG, sodaß die Rüge der Beschwerdeführerin über mangelnde Feststellungen der belangten Behörde in dieser Richtung ins Leere geht.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1990100008.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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