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95/01 Elektrotechnik;Norm
ETG 1992 §3 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Pallitsch und Dr. Stöberl als Richter im Beisein des Schriftführers Oberkommissär MMag. Dr. Balthasar, über die Beschwerde der E-Gesellschaft mbH in W, vertreten durch Dr. O, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 27. Mai 1994, Zl. 94.423/132-IX/4/94, betreffend Untersagung des Inverkehrbringens elektrischer Betriebsmittel, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 27. Mai 1994 untersagte der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten der Beschwerdeführerin gemäß § 9 Abs. 4 Z. 2 Elektrotechnikgesetz 1992 (ETG 1992) das Inverkehrbringen eines näher bezeichneten elektrischen Betriebsmittels (Dampfreinigungsgerät) sowie aller jener elektrischen Betriebsmittel, die in demselben Betrieb lagern und von denen nach ihrer Art, Marke, Type, Fabrikationsnummer (Seriennummer) oder ihrem Herstellungsjahr anzunehmen ist, daß sie dieselbe vorschriftswidrige Beschaffenheit aufweisen. In der Begründung führte der Bundesminister aus, die Dampfreinigungsgeräte "Saeco, Super Vap, LVP 001" seien vom Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten überprüft worden. Für die Beurteilung der elektrotechnischen Sicherheit dieses Betriebsmittels im Sinne des § 3 ETG 1992 seien insgesamt sieben näher bezeichnete ÖVE-HG/EN-Bestimmungen herangezogen worden. Bei der Kontrolle sei festgestellt worden, daß an dem Dampfreinigungsgerät folgende Aufschrift fehle:
"Achtung Verbrühungsgefahr", wodurch der Benützer des Gerätes auf die Verletzungsgefahr durch den aus der Düse austretenden Dampf aufmerksam gemacht werden solle; "siehe
ÖVE-HG/EN 60335-2-54/1991, Abschnitt 7.1.". Gemäß § 9 Abs. 4 Z. 2 ETG 1992 sei das Inverkehrbringen elektrischer Betriebsmittel zu untersagen, wenn der Zustand des elektrischen Betriebsmittels nicht den Bestimmungen des § 3 Abs. 1 ETG 1992 oder den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen entspreche und dadurch eine unmittelbare Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Personen drohe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht auf Unterbleiben der Untersagung des Inverkehrbringens des in Rede stehenden Betriebsmittels verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes trägt die Beschwerdeführerin vor, sie vertreibe u.a. Dampfreinigungsgeräte der in Rede stehenden Art. Die Feststellungen im angefochtenen Bescheid, auf den im Bescheid näher umschriebenen Gerät fehle die Aufschrift "Achtung Verbrühungsgefahr" sei unrichtig. Tatsächlich befinde sich auf dem Gerät deutlich erkennbar an der Unterseite eine Etikette mit dieser Aufschrift. Die belangte Behörde habe den entscheidungswesentlichen Sachverhalt nicht erschöpfend festgestellt und das Gerät nicht den Bestimmungen des AVG entsprechend in Augenschein genommen. Es seien Verfahrensvorschriften außer acht gelassen worden, bei deren Einhaltung die Behörde zum Ergebnis gelangen hätte müssen, daß der bekämpfte Bescheid nicht zu erlassen sei. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt sei zumindest ergänzungsbedürftig.
Die hier bezughabenden Bestimmungen des Elektrotechnikgesetzes 1992 lauten wie folgt:
S i c h e r h e i t s m a ß n a h m e n
a u f d e m G e b i e t e d e r
E l e k t r o t e c h n i k
§ 3 (1) Elektrische Betriebsmittel und elektrische Anlagen sind innerhalb des ganzen Bundesgebietes so zu errichten, herzustellen, instandzuhalten und zu betreiben, daß ihre Betriebssicherheit, die Sicherheit von Personen und Sachen, ferner in ihrem Gefährdungs- und Störungsbereich der sichere und ungestörte Betrieb anderer elektrischer Anlagen und Betriebsmittel sowie sonstige Anlagen gewährleistet ist. Um dies zu gewährleisten, ist gegebenenfalls bei Konstruktion und Herstellung elektrischer Betriebsmittel nicht nur auf den normalen Gebrauch, sondern auch auf die nach vernünftigem Ermessen zu erwartende Benutzung Bedacht zu nehmen. In anderen Rechtsvorschriften enthaltene Bestimmungen über den Schutz des Lebens und der Gesundheit von Personen werden durch diese Bestimmungen nicht berührt.
...
(4) Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten kann nach Anhörung der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft und der Bundesarbeitskammer unter Bedachtnahme auf internationale Abkommen durch Kundmachung im Bundesgesetzblatt Bestimmungen für die Elektrotechnik verlautbaren, deren Anwendung zwar nicht verbindlich ist, bei deren Anwendung aber die Anforderungen der Abs. 1 und 2 als erfüllt angesehen werden. Diese Kundmachung hat die Titel und die Fundstellen dieser Bestimmungen für die Elektrotechnik anzugeben.
...
(5) Bestimmungen für die Elektrotechnik, die ... gemäß Abs. 4 zur Anwendung empfohlen werden sollen, müssen aus Wissenschaft und Erfahrung abgeleitet sein, von fachlichen Stellen herausgegeben werden und in Österreich erhältlich sein. Die "Österreichischen Bestimmungen für Elektrotechnik" werden vom Österreichischen Verband für Elektrotechnik erarbeitet und veröffentlicht; dieser unterliegt hiebei die Aufsicht durch den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten.
...
(8) Elektrische Betriebsmittel, die im Abs. 1 und den auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen nicht entsprechen, dürfen nicht in Verkehr gebracht werden. ...
...
(11) Die in den Abs. 1, 2, 8 und 10 festgelegten Verpflichtungen hat, je nach der Art derselben, derjenige zu erfüllen, der die elektrische Anlage bzw. die elektrischen Betriebsmittel errichtet, herstellt, einführt, instandhält, betreibt oder in Verkehr bringt ...
...
D i e Ü b e r w a c h u n g e l e k t r i s c h e r
A n l a g e n u n d e l e k t r i s c h e r
B e t r i e b s m i t t e l
...
§ 9. (4) Wird festgestellt, daß der Zustand oder Betrieb einer elektrischen Anlage oder ein elektrisches Betriebsmittel diesem Bundesgesetz oder den auf seiner Grundlage erlassenen Verordnungen nicht entspricht und droht dadurch eine unmittelbare Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Personen oder für Sachen, hat die Behörde, wenn der gesetzmäßige Zustand nicht sofort hergestellt wird,
...
2. bei elektrischen Betriebsmitteln dem darüber Verfügungsberechtigten deren Inverkehrbringen (§ 3 Abs. 8) zu untersagen; die Untersagung ist dabei für jene in demselben Betrieb lagernden elektrischen Betriebsmittel auszusprechen, von denen nach ihrer Art, Marke, Type, Fabrikationsnummer (Seriennummer) oder ihrem Herstellungsjahr anzunehmen ist, daß sie dieselbe vorschriftswidrige Beschaffenheit aufweisen.
...
(6) Wird der Behörde bekannt, daß Betriebsmittel, von denen nach ihrer Art, Marke, Type, Fabrikationsnummer oder ihrem Herstellungsjahr anzunehmen ist, daß sie dieselbe vorschriftswidrige Beschaffenheit aufweisen, auch von anderen in Verkehr gebracht werden, so kann in begründeten Fällen ein Bescheid nach Abs. 4 oder 5 auch an den hierüber Verfügungsberechtigten ergehen.
...
(10) Die auf Grund der Abs. 3 bis 7 zu erlassenden Bescheide haben die festgestellte Vorschriftswidrigkeit der elektrischen Anlage oder des elektrischen Betriebsmittels anzugeben. ....
..."
In der in Ausführung des ETG 1992 ergangenen Norm EN 60 335-1/1988 ist unter Punkt 7 Aufschriften u.a. folgende Bestimmung enthalten:
"7.13 Anweisungen und sonstige in der vorliegenden Norm geforderte Texte müssen in der (den) offiziellen Sprache(n) des Landes abgefaßt sein, in dem das Gerät verkauft werden soll.
...
7.14 Aufschriften, die in dieser Norm gefordert werden, müssen leicht lesbar und dauerhaft sein.
...
Aufschriften auf befestigten Geräten müssen von außen deutlich erkennbar sein, nachdem das Gerät im sachgemäßen Gebrauch befestigt worden ist, aber, falls erforderlich, nach Entfernen einer Abdeckung.
Die Aufschriften auf anderen Geräten müssen von außen deutlich erkennbar sein, falls notwendig, nach Entfernen einer Abdeckung; bei ortsveränderlichen Geräten darf das Entfernen dieser Abdeckung kein Werkzeug erfordern.
...
Nach allen Prüfungen dieser Norm müssen die Aufschriften leicht lesbar sein; es darf nicht leicht möglich sein, Aufschriftenschilder zu entfernen, und sie dürfen keine Kräuselung zeigen.
..."
In der Norm EN 60335-2-54/1991 ist unter Punkt 7 Aufschriften folgende Bestimmung enthalten:
"Es gilt dieser Abschnitt des Teiles 1, ausgenommen wie folgt:
7.1 Ergänzung:
Soweit zutreffend, muß das Gerät auch mit dem Nenn-Wasserdruck gekennzeichnet sein.
Geräte, bei denen die Reinigungs-Flüssigkeit mit einer Temperatur über 50oC austritt, müssen im wesentlichen die folgende Aufschrift tragen:
"Achtung Verbrühungsgefahr"
..."
Wie die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides in einer für den Verwaltungsgerichtshof nachvollziehbaren und von der Beschwerdeführerin diesbezüglich unbestritten gebliebenen Weise dargelegt hat, soll durch die Aufschrift auf einem Dampfreinigungsgerät der hier zur Beurteilung vorliegenden Art der Benützer des Gerätes auf die Verletzungsgefahr durch den aus der Düse austretenden Dampf aufmerksam gemacht werden. Die im § 3 Abs. 1 ETG 1992 geforderte Sicherheit von Personen und Sachen beim Betrieb des in Rede stehenden elektrischen Betriebsmittels ist auf Grund der vordargestellten Normenlage im gegebenen Zusammenhang dann als gewährleistet anzusehen, wenn die zum Schutz des Lebens und der Gesundheit von Personen im ETG 1992 sowie in den in Ausführung desselben enthaltenen Bestimmungen über Aufschriften auf elektrischen Betriebsmitteln zur Warnung vor bestimmten Gefahren beim Betrieb derselben in der von den vorzitierten Normen geforderten Weise angebracht sind. Dies ist bei der hier geforderten Aufschrift "Vorsicht Verbrühungsgefahr" dann der Fall, wenn diese Aufschrift leicht lesbar und dauerhaft und von außen deutlich erkennbar ist. Entgegen der von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift vertretenen Rechtsansicht steht aber - abgesehen von einer mangelnden diesbezüglichen Feststellung im angefochtenen Bescheid - der Annahme der Erfüllung dieser Verpflichtung unabhängig von der Bau- und Verwendungsart nicht schon allein der Umstand entgegen, daß die Aufschrift bei einem ortsveränderlichen Gerät an dessen Unterseite angebracht ist.
Damit erweist sich aber die in der Beschwerde erhobene Behauptung, auf dem im Bescheid angeführten, von der Beschwerdeführerin in Verkehr gebrachten elektrischen Betriebsmittel befände sich die geforderte Aufschrift deutlich erkennbar an der Unterseite, als entscheidungswesentlich. Die belangte Behörde hat vor Bescheiderlassung der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren keine Gelegenheit gegeben, zu den Ermittlungsergebnissen der Behörde Stellung zu nehmen. Damit war es der Beschwerdeführerin verwehrt, im Verwaltungsverfahren ein entscheidungswesentliches Vorbringen zu erstatten. Die belangte Behörde belastete daher den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994040085.X00Im RIS seit
20.11.2000