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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AWG 1990 §15;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Pallitsch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär MMag. Dr. Balthasar, über die Beschwerde des A in K, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 19. Mai 1993, Zl. 316.121/3-III/4/93, betreffend Nachsicht vom Ausschluß von der Gewerbeausübung, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich als Gewerbebehörde erster Instanz vom 25. Jänner 1993 wurde "dem Ansuchen des Herrn A, ..., vom 30. 4. 1992 um Erteilung der Nachsicht vom Ausschluß von der Gewerbeausübung gemäß § 26 Abs. 1 der Gewerbeordnung 1973 (...) gemäß § 26 Abs. 1 der Gewerbeordnung 1973 keine Folge gegeben". Zur Begründung führte der Landeshauptmann aus, daß der Beschwerdeführer die Nachsicht gemäß § 26 Abs. 1 GewO 1973 "nur für eine Tätigkeit des Einschreiters als abfallwirtschaftlicher Geschäftsführer für die Firma G gemäß § 15 Abs. 5 des Abfallwirtschaftsgesetzes (Erlaubnis zum Sammeln von gefährlichen Abfällen) angestrebt" habe. Aus dem Wortlaut des § 26 Abs. 1 GewO 1973 gehe eindeutig hervor, daß nur für die Ausübung eines Gewerbes, nicht jedoch für andere Zwecke, die der Gewerbeordnung fremd seien, Nachsicht erteilt werden könne. Die Erteilung einer solchen Nachsicht für die Ausübung der Funktion eines abfallwirtschaftlichen Geschäftsführers sei daher nicht möglich.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahin abgeändert, "daß das Nachsichtsgesuch des Berufungswerbers vom 30. April 1992 im Grunde des § 26 Abs. 1 GewO 1973 als unzulässig zurückgewiesen wird". Begründet wurde dies vom Bundesminister damit, daß gemäß § 26 Abs. 1 GewO 1973 bei Vorliegen der Voraussetzungen für den Ausschluß von der Gewerbeausübung wegen Eröffnung des Konkurses oder zweimaliger Eröffnung des Ausgleichsverfahrens oder Abweisung eines Antrages auf Konkurseröffnung mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens die Nachsicht vom Ausschluß von der Gewerbeausübung zu erteilen sei, wenn auf Grund der nunmehrigen wirtschaftlichen Lage der natürlichen oder juristischen Person oder Personengesellschaft des Handelsrechtes erwartet werden könne, daß sie den mit der Gewerbeausübung verbundenen Zahlungspflichten nachkommen werde. Wie schon dem Nachsichtsvorbringen zu entnehmen gewesen sei und im übrigen eine Einsichtnahme in die bezughabenden Akten ergeben habe, sei mit Beschluß des Kreisgerichtes vom 26. April 1984 über das Vermögen des Beschwerdeführers das Ausgleichsverfahren eröffnet worden. Mit Beschluß vom 8. August 1984 sei die Rechtskraft des Einstellungsbeschlusses festgestellt und ein Anschlußkonkurs mangels Vermögens nicht eröffnet worden (§ 69 Abs. 1 AO). Weitere Konkurs- oder Ausgleichsanträge seien laut Auskunft des Kreisgerichtes nicht gestellt worden. Da somit lediglich einmal das Ausgleichsverfahren über das Vermögen des Beschwerdeführers eröffnet worden und es weder zu einer Konkurseröffnung noch zur Abweisung eines Konkursantrages mangels kostendeckenden Vermögens gekommen sei (die Entscheidung gemäß § 69 Abs. 1 AO sei von Amts wegen zu treffen), liege auch kein Ausschlußgrund im Sinne des § 13 Abs. 3 und 4 GewO 1973 vor. Im Hinblick auf die unmittelbaren Auswirkungen auf das Grundrecht der Erwerbsfreiheit sowie die höchstgerichtliche Judikatur sei beim Rechtsinstitut des Gewerbeausschlusses grundsätzlich von einer (restriktiven) Verbalinterpretation auszugehen. Auch wenn die wirtschaftliche Lage des Gewerbeinhabers im Fall der Nichteröffnung eines Anschlußkonkurses mangels Vermögens (§ 69 Abs. 1 AO) jener bei Abweisung eines Konkursantrages mangels kostendeckenden Vermögens entspräche, bestünde daher keine Veranlassung zur Annahme einer diesbezüglichen unbeabsichtigten Gesetzeslücke, auf Grund welcher durch Analogieschluß auf § 13 Abs. 4 GewO 1973 geschlossen werden könnte. Da der Beschwerdeführer somit keinen Ausschlußgrund gegen sich gelten lassen müsse, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Dagegen richtet sich die vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 28. September 1993, B 1244/93-3, nach Ablehnung an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abgetretene Beschwerde.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Die Beschwerde ist unzulässig.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, "bei Vorliegen der Voraussetzungen für den Ausschluß von der Gewerbeausübung wegen Eröffnung des Konkurses oder Abweisung eines Antrages auf Konkurseröffnung mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens die Nachsicht vom Ausschluß von der Gewerbeausübung erteilt zu erhalten, wenn die weiteren Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 GewO 1973 vorliegen". In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes trägt der Beschwerdeführer vor, bei Erteilung der begehrten Nachsicht wäre er eine verläßliche Person im Sinne des § 15 Abs. 3 Abfallwirtschaftsgesetz. Die von der belangten Behörde gewählte Auslegung des § 13 Abs. 3 und 4 GewO 1973 führe dazu, daß der Beschwerdeführer im gegenständlichen Fall der Nichteröffnung des Anschlußkonkurses mangels Vermögens keinen Anspruch auf Erteilung der Nachsicht trotz Zutreffens der gesetzlichen Voraussetzungen im Sinne des § 26 GewO 1973 hätte, obwohl im völlig gleichgelagerten Fall der Abweisung eines Konkursantrages mangels kostendeckenden Vermögens bei Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 26 GewO 1973 die Nachsicht zu erteilen wäre. Daß es sich in beiden Fällen "um gleiche Tatbestände" handle, an welche die gleichen Rechtsfolgen geknüpft seien, ergebe sich aus der Literatur und Judikatur (Hinweis auf Mache-Kinscher, Die Gewerbeordnung, 5. Aufl., Anm. 39 zu § 13). Auch die von der Gewerbebehörde erster Instanz vertretene - von der belangten Behörde nicht aufrechterhaltene - Rechtsansicht sei unrichtig. Es spreche nichts dagegen, die Bestimmungen der Gewerbeordnung - soweit sie die Nachsicht beträfen - auch dahingehend zu interpretieren, daß die Nachsicht auch für solche Zwecke erteilt werden könne, in Ansehung welcher Voraussetzungen zu erfüllen seien, die nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung beurteilt werden müßten.
Gemäß § 26 Abs. 1 GewO 1973 in der im Hinblick auf die Erlassung des angefochtenen Bescheides anzuwendenden Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993, hat die Behörde (§ 346 Abs. 1 Z. 2) bei Vorliegen der Voraussetzungen für den Ausschluß von der Gewerbeausübung wegen Eröffnung des Konkurses oder zweimaliger Eröffnung des Ausgleichsverfahrens oder Abweisung eines Antrages auf Konkurseröffnung mangels eines zur Deckung der Kosten des Konkursverfahrens voraussichtlich hinreichenden Vermögens die Nachsicht vom Ausschluß der Gewerbeausübung zu erteilen, wenn auf Grund der nunmehrigen wirtschaftlichen Lage der natürlichen oder juristischen Person oder Personengesellschaft des Handelsrechtes erwartet werden kann, daß sie den mit der Gewerbeausübung verbundenen Zahlungspflichten nachkommen wird.
§ 26 Abs. 3 leg. cit. bestimmt, daß die Abs. 1 und 2 auch bei Ansuchen um Nachsicht von den im Abs. 1 oder 2 angeführten Ausschlußgründen zum Zwecke der Bestellung als Geschäftsführer oder Filialgeschäftsführer gelten; bei der Beurteilung, ob die Nachsichtsvoraussetzungen gegeben sind, ist darauf abzustellen, ob der Nachsichtswerber den mit einer Gewerbeausübung, wie sie dem Gewerbe entspricht, für die er zum Geschäftsführer bestellt werden soll, verbundenen Zahlungspflichten nachkommen könnte.
Aus § 26 Abs. 1 leg. cit. (im Zusammenhang mit Abs. 3) ergibt sich nun, daß die Frage, ob die Nachsichtsvoraussetzungen vorliegen, in bezug auf die beabsichtigte Gewerbeausübung zu prüfen ist, weil nur dann der nach dem Inhalt der Bestimmung erforderliche konkrete Sachverhaltsbezug hergestellt ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 29. Mai 1990, Zl. 89/04/0232, vom 28. Jänner 1994, Zl. 92/04/0207 und vom 23. November 1993, Zl. 93/04/0001).
Nach Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG - die weiteren Zuständigkeitstatbestände kommen bei dem hier gegebenen Sachverhalt nicht in Betracht - kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit nach Erschöpfung des Instanzenzuges Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine auf Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG gestützte Beschwerde nur dann zulässig, wenn zumindest die Möglichkeit besteht, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid im Rahmen des von ihm geltend gemachten Beschwerdepunktes in einem gesetzlich normierten subjektiven Recht verletzt wurde (vgl. den hg. Beschluß eines verstärkten Senates vom 2. Juli 1981, Slg. N.F. Nr. 10.511/A).
Der auf "§ 26 Abs. 1 GewO 1973" gestützte Antrag des Beschwerdeführers wurde damit begründet, die Nachsicht von den Voraussetzungen für die Ausübung von Gewerben sei deshalb erforderlich, da der G, welche um Erweiterung ihrer Erlaubnis zum Sammeln von gefährlichen Abfällen gemäß § 15 Abs. 1 Abfallwirtschaftsgesetz (AWG) unter gleichzeitiger Namhaftmachung des Beschwerdeführers zur Bestellung als abfallwirtschaftlichen Geschäftsführer gemäß § 15 Abs. 3 AWG angesucht habe, mitgeteilt worden sei, ihr Ansuchen wäre deshalb abzuweisen, da der Beschwerdeführer nicht als verläßliche Person gemäß § 15 Abs. 3 AWG anzusehen sei.
Nach dem oben Gesagten könnte der Beschwerdeführer nur dann im Recht auf Nachsicht (§ 26 Abs. 1 und 3 leg. cit.) verletzt sein, wenn der Antrag eine den Bestimmungen der Gewerbeordnung unterliegende Tätigkeit zur Grundlage gehabt hätte. Derartiges kann aber insbesondere auch nicht aus der Bezugnahme auf Bestimmungen des AWG abgeleitet werden.
Gemäß § 3 Abs. 1 des am 1. Juli 1990 in Kraft getretene Abfallwirtschaftsgesetzes, BGBl. Nr. 1990/325 (AWG), gilt dieses Bundesgesetz für gefährliche Abfälle (§ 2 Abs. 5) und Altöle (§ 21). § 15 AWG normiert eine Erlaubnispflicht für Abfallsammler und -behandler.
Gemäß Abs. 1 des § 15 AWG bedarf, wer gefährliche Abfälle oder Altöl sammelt (abholt oder entgegennimmt) oder behandelt (verwertet, ablagert oder sonst behandelt) hiefür einer Erlaubnis des Landeshauptmannes. Die Erlaubnis ist zu erteilen, wenn die fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten sowie die Verläßlichkeit in bezug auf die auszuübende Tätigkeit nachgewiesen werden. Gemäß Abs. 5 leg. cit. ist eine hauptberufliche tätige Person als Geschäftsführer zu bestellen, wenn die Tätigkeit nicht von einer natürlichen Person ausgeübt werden soll oder der Erlaubniswerber die in bezug auf die auszuübende Tätigkeit erforderlichen fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht selbst nachweist. Zum Geschäftsführer darf nur bestellt werden, wer die Verläßlichkeit sowie die fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten in bezug auf die auszuübende Tätigkeit besitzt, seinen Wohnsitz im Inland hat und in der Lage ist, sich im Betrieb entsprechend zu betätigen.
Gleichzeitig mit Inkrafttreten des AWG wurde die erst mit der Gewerberechtsnovelle 1988, BGBl. Nr. 399/1988 geschaffene Konzessionspflicht des Sonderabfallsammlers und -beseitigers und des Altölsammlers und -verwerters und die damit zusammenhängenden Bestimmungen (§§ 248a ff GewO 1973) ersatzlos aufgehoben. Damit sollte diese Tätigkeit dem Geltungsbereich der Gewerbeordnung entzogen und ausschließlich dem AWG unterstellt (vgl. hiezu die erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zum AWG zu § 15 und zu Art. IV (Änderung der Gewerbeordnung 1973)) und die bisher erforderliche gewerberechtliche Konzession ersetzt werden
(Funk in Funk (Hrsg.), Abfallwirtschaftsrecht Seite 16).
Aufgrund der vorher dargestellten Rechtslage bedarf daher das Sammeln oder Behandeln gefährlicher Abfälle oder Altöle ausschließlich der Erlaubnis nach § 15 AWG (vgl. Pauger, Gewerberecht, S. 21 f; Schröfl, Handkommentar zum Umweltschutzrecht, S. 324) - der ein für sich allein vollziehbares eigenständiges Regime mit den Vorschriften über den Befähigungsnachweis, die Verläßlichkeit, die Stellung des Geschäftsführers und den Entziehungsvoraussetzungen enthält - und nicht etwa (auch) nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung. Nach der dargestellten Rechtslage kommt dem Beschwerdeführer somit ein subjektives Recht auf Nachsicht von den in § 15 AWG genannten Voraussetzungen nach § 26 GewO 1973 nicht zu.
Aus diesen Gründen erweist sich - im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes - die Beschwerde als unzulässig. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG wegen des Mangels der Beschwerdeberechtigung in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1993040231.X00Im RIS seit
20.11.2000