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40 VerwaltungsverfahrenNorm
B-VG Art140 Abs1 / PräjudizialitätLeitsatz
Zurückweisung des Antrags eines unabhängigen Verwaltungssenats auf Aufhebung von Bestimmungen des AVG über die Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung eines mündlich verkündeten Bescheides und den Beginn des Laufs der Berufungsfrist mangels Präjudizialität bzw mangels Darlegung von Bedenken im einzelnenSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
1.1.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien stellte durch sein zuständiges Mitglied (§51 c VStG) in dem bei ihm anhängigen Verfahren über die Berufung des P P gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Favoriten, vom 8. August 1991, Z Pst 6299/F/91, womit Verwaltungsstrafen von je 600 S (Ersatzfreiheitsstrafen von je 36 Stunden) wegen der Übertretungen nach ArtVIII und IX EGVG verhängt wurden, gemäß Art140 Abs1 iVm Art129 a Abs3 und Art89 Abs2 B-VG den Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge "die Wortfolge: 'bei der Verhandlung (gemeint: Verkündung) nicht anwesenden und jenen', den Nebensatz: 'die spätestens drei Tage nach der Verkündung eine schriftliche Ausfertigung verlangen' sowie den letzten Halbsatz:
'über dieses Recht ist die Partei bei Verkündung des mündlichen Bescheides zu belehren' in §62 Abs3 AVG sowie den Nebensatz: 'im Fall bloß mündlicher Verkündung mit dieser' in §63 Abs5 zweiter Satz AVG als verfassungswidrig" aufheben.
1.1.2. Der unabhängige Verwaltungssenat führte ua. aus, er habe über eine nach der Aktenlage verspätet eingebrachte Berufung gegen einen von der Bundespolizeidirektion Wien iSd Bestimmung des §62 AVG mündlich verkündeten Strafbescheid zu entscheiden.
1.2. Die zur Äußerung aufgeforderte Bundesregierung gab eine schriftliche Stellungnahme ab, in der sie dafür eintrat, den Antrag teils zurück-, teils abzuweisen.
1.3.1. §62 Abs3 AVG lautet:
"(3) Eine schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Bescheides ist den bei der Verkündung nicht anwesenden und jenen Parteien zuzustellen, die spätestens drei Tage nach der Verkündung eine Ausfertigung verlangen; über dieses Recht ist die Partei bei Verkündung des mündlichen Bescheides zu belehren."
1.3.2. §63 Abs5 AVG hat folgenden Wortlaut:
"Die Berufung ist von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat, oder bei der Behörde, die über die Berufung zu entscheiden hat. Die Frist beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Fall bloß mündlicher Verkündung mit dieser."
2. Der Antrag ist unzulässig.
2.1.1. Bei Prüfung der Rechtzeitigkeit einer Berufung gegen einen in Abwesenheit des Berufungswerbers mündlich verkündeten Bescheid hat die Berufungsbehörde zwar §63 Abs5 Satz 2 AVG (über den Beginn des Laufs der Berufungsfrist) anzuwenden, keineswegs aber die Vorschrift des §62 Abs3 AVG heranzuziehen, welche die für die Rechtzeitigkeitsprüfung vollkommen unerhebliche - selbständige - Frage regelt, unter welchen Voraussetzungen den Parteien eine schriftliche Ausfertigung eines mündlich verkündeten Bescheids zugestellt werden muß. Unter den gegebenen Umständen kommt darum der (teilweise) zur Überprüfung beantragte §62 Abs3 AVG als Voraussetzung des anstehenden Erkenntnisses des anfechtenden UVS ganz offensichtlich und schon begrifflich überhaupt nicht in Betracht, wie die Bundesregierung in ihrer Äußerung zur Anfechtungsschrift zutreffend geltend macht.
Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien konnte diese Bestimmung also nicht denkmöglicherweise als präjudiziell iSd des Art140 B-VG ansehen (s. VfSlg. 3511/1959, 5357/1966, 7999/1977, 8318/1978, 9284/1981, 11565/1987), weshalb sich der Antrag in seinem §62 Abs3 AVG betreffenden Teil als unzulässig erweist.
2.1.2. Es verbleibt noch die Anfechtung eines Teils des §63 Abs5 AVG. Dazu legt der unabhängige Verwaltungssenat, der sich in seiner Anfechtungsschrift bloß mit §62 Abs3 AVG befaßt, aber keine (eigenständigen) Bedenken im einzelnen dar (§62 Abs1 Satz 2 VerfGG 1953), sodaß nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs auch insoweit ein Prozeßhindernis besteht (s. VfSlg. 7593/1975, 8485/1979, 8612/1979, 11507/1987).
2.2. Aus diesen Erwägungen mußte der Antrag zur Gänze als unzulässig zurückgewiesen werden.
2.3. Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG 1953 sowie in sinngemäßer Anwendung dessen litc ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.
Schlagworte
VfGH / Formerfordernisse, VfGH / Bedenken, VfGH / Präjudizialität, Verwaltungsverfahren, Ausfertigung (eines Bescheides), Berufung, Fristen (Berufung), Bescheiderlassung, Bescheid mündlicherEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1992:G70.1992Dokumentnummer
JFT_10078870_92G00070_00