TE Vwgh Erkenntnis 1995/2/28 94/04/0215

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Veröffentlicht am 28.02.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

VStG §27 Abs1;
VStG §44a Z1;
VStG §51 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär MMag. Dr. Balthasar, über die Beschwerde des K in B, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 9. Juni 1994, Zl. UVS 30.9-199/93-5, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einem Verwaltungsstrafverfahren, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau vom 18. Oktober 1993 wurde der Beschwerdeführer einer Übertretung gemäß § 367 Z. 16 GewO 1973 schuldig erkannt; der Spruchbestandteil gemäß § 44a Z. 1 VStG (die als erwiesen angenommene Tat) wurde dabei wie folgt gefaßt:

"Sie haben es als gewerberechtlicher Geschäftsführer der Fa. "X Ges.m.b.H." zu verantworten, daß am 14.10.1992 in H, S-Straße 21a, eine Werbeveranstaltung durchgeführt wurde, bei der verschiedene Waren und Geräte präsentiert worden sind und somit entgegen § 46. (1) Gewerbeordnung das Handelsgewerbe unzulässigerweise außerhalb des Standortes der Gewerbeberechtigung oder einer weiteren Betriebsstätte ausgeübt wurde."

Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat Salzburg, welcher die Berufung "gemäß § 51 Abs. 1 VStG zuständigkeitshalber" dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Steiermark übermittelte.

Mit dem Bescheid vom 10. Juni 1994 wies der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark die Berufung "gemäß § 51 Abs. 1 VStG BGBl. Nr. 52/1991 wegen Unzuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark" zurück. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, gemäß § 51 Abs. 1 VStG stehe dem Beschuldigten das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat zu, in dessen Sprengel nach dem Ausspruch der Behörde erster Instanz die Tat begangen wurde. Gemäß § 370 Abs. 2 GewO 1973 seien, wenn die Bestellung eines Geschäftsführers angezeigt oder genehmigt wurde, Verwaltungsstrafen gegen den Geschäftsführer zu verhängen. Dies setze voraus, daß sich ein in Hinblick auf eine Verwaltungsstrafnorm ergehender Unrechts- und Schuldvorwurf gegen den Geschäftsführer richte. Insofern stelle dessen Verhalten in dessen für die Rechtmäßigkeit des Gewerbebetriebes bestehendem Verantwortungsbereich die Begehung der Verwaltungsübertretung dar. Im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses seien sowohl der Sitz der juristischen Person, der mit dem Ausgangspunkt des Verantwortungsbereiches des gewerberechtlichen Geschäftsführers zusammenfalle (Salzburg) als auch der Ort der unbefugten Tätigkeit (Steiermark) angeführt. Als Tatort gemäß § 51 VStG sei demgemäß als "Verantwortlichkeitstatort" Bischofshofen in Salzburg anzusehen. Die im Spruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses vorgenommene örtliche Umschreibung der unbefugten Ausübung des Gewerbes in einer nicht angezeigten bzw. genehmigten weiteren Betriebsstätte stelle lediglich ein - wenn auch essentielles - Sachverhaltselement im Sinne des § 44a Z. 1 VStG dar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem "Recht auf Entscheidung über meine Berufung durch die zuständige Behörde, nämlich den Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark, verletzt". In Ausführung dieses so formulierten Beschwerdepunktes trägt der Beschwerdeführer im wesentlichen vor, im erstinstanzlichen Straferkenntnis werde kein Ort expressis verbis als Tatort bezeichnet. Aus der Sachverhaltsdarstellung lasse sich jedoch entnehmen, daß M von der Erstbehörde als Tatort betrachtet worden sei; der Ort des Sitzes des Unternehmens scheine demgegenüber, sehe man von der Adresse in der Parteienbezeichnung ab, im ganzen Bescheid nicht auf. Demnach sei die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark gegeben.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Recht:

Zunächst ist festzustellen, daß, worauf in der Beschwerde zutreffend hingewiesen und was von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift auch eingeräumt wird, entgegen den diesbezüglichen Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides das erstinstanzliche Straferkenntnis eine Angabe über den Sitz derjenigen juristischen Person, als deren gewerberechtlicher Geschäftsführer der Beschwerdeführer bestraft wurde, NICHT enthält.

Gemäß § 51 Abs. 1 VStG steht dem Beschuldigten das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat zu, in dessen Sprengel nach dem Ausspruch der Behörde erster Instanz die Tat begangen wurde.

In verfassungskonformer Interpretation dieser Bestimmung ist in jenen Fällen, in denen - wie im vorliegenden Fall - eine ausdrückliche Bezeichnung des Tatortes im erstinstanzlichen Straferkenntnis fehlt, aufgrund der Bescheidbegründung in Verbindung mit der Aktenlage zu ermitteln, von welchem Tatort die erstinstanzliche Behörde ausgegangen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. April 1993, Zl. 93/18/0092, unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Oktober 1991 = VfSlg. 12883).

Die Begründung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses beginnt mit folgenden Worten:

"Am 22.03.1993 wurde gegen den Beschuldigten ein Strafverfahren eingeleitet und diesem der im Spruch angeführte Tatbestand zur Last gelegt."

Damit wurde auf die mit "22.03.1993" datierte "Aufforderung zur Rechtfertigung" der Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau Bezug genommen, welche wie folgt lautet:

"Es wird ihnen folgendes zur Last gelegt:

Angaben zur Tat:

Tatzeit: 14.10.1992

Ort: H

S-Straße 21a

Begangene Tat und dadurch übertretene Verwaltungsvorschrift:

(es folgt der bereits wiedergegebene Spruchbestandteil gemäß § 44a Z. 1 VStG)"

Aus der Bescheidbegründung in Verbindung mit dem Akteninhalt des erstinstanzlichen Straferkenntnisses ist somit klar ersichtlich, daß die Strafbehörde erster Instanz vom Tatort "H, S-Straße 21a" ausgegangen IST. Dies ergibt sich im übrigen auch noch aus dem Umstand, daß sich im Akt hinsichtlich des gegenständlichen Strafverfahrens eine gemäß § 29a VStG ergangene Verfügung der Bezirkshauptmannschaft Mürzzuschlag (vom 14. Dezember 1992) findet.

Da somit NACH DEM AUSSPRUCH DER BEHÖRDE ERSTER INSTANZ die verfahrensgegenständliche Tat im Sprengel der belangten Behörde begangen wurde, hat die belangte Behörde zu Unrecht ihre Zuständigkeit zur Entscheidung über die Berufung des Beschwerdeführers gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft St. Johann im Pongau vom 18. Oktober 1993 verneint.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 1 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Mängel im Spruch Spruch Begründung (siehe auch AVG §58 Abs2 und §59 Abs1 Spruch und Begründung)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994040215.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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