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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Stöberl, Dr. Holeschofsky und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des G, zuletzt in Y, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in Y, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. Februar 1994, Zl. 4.325.451/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer (Staatsangehörigkeit: Ghana) ist am 3. Oktober 1991 in das Bundesgebiet eingereist und hat am 7. Oktober 1991 beantragt, ihm Asyl zu gewähren. Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 5. November 1991 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling nicht erfülle.
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. Februar 1994 wurde die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen.
Über die wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts des bekämpften Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die belangte Behörde war - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - nicht gehalten, den erstinstanzlichen Bescheid vom 5. November 1991 deshalb für rechtswidrig zu erklären, weil seine Begründung den Erfordernissen des § 60 AVG nicht genügt habe; daß nämlich allfälligen diesbezüglichen Begründungsmängeln des Bescheides der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich insoweit Relevanz zukäme, daß damit auch der vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet wäre, vermag der Beschwerdeführer nicht darzutun.
Soweit sich die belangte Behörde in ihrer Begründung auf das Nichtvorliegen eines Asylgrundes im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 stützt, gleicht der vorliegende Beschwerdefall in allen für die Entscheidung relevanten Einzelheiten (Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 AsylG 1991 durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92, 93/94, und Erhebung der Beschwerde nach dessen Kundmachung BGBl. Nr. 610/1994) jenem, der dem hg. Erkenntnis vom 16. November 1994, Zl. 94/01/0610, zugrundelag. Auf dieses Erkenntnis wird daher gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.
Schon aus den dort dargelegten Erwägungen ist auch der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.
Die belangte Behörde hat die Abweisung der Berufung und damit die Versagung von Asyl aber auch darauf gestützt, daß der Beschwerdeführer aufgrund seines Aufenthaltes in Italien bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher gewesen sei, weshalb gemäß § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 die Gewährung von Asyl ausgeschlossen sei. Überdies sei der Asylantrag des Beschwerdeführers in Italien rechtskräftig abgewiesen worden, weshalb auch der Asylausschließungsgrund des § 2 Abs. 3 leg. cit. vorliege.
Zutreffend verweist in diesem Zusammenhang der Beschwerdeführer auf seine maßgebenden (vgl. § 20 Abs. 1 AsylG 1991) Angaben in erster Instanz. Anläßlich seiner niederschriftlichen Befragung vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 30. Oktober 1991 hat er in diesem Zusammenhang ausgeführt wie folgt:
"In einem Schiff versteckt kam ich von Togo, von der Hafenstadt Lomi nach Italien. Die Hafenstadt in Italien ist mir nicht bekannt. Ich gelangte unerkannt an Land. In der mir unbekannten Hafenstadt in Italien ging ich zu einem Polizeiposten und suchte um politisches Asyl an. Der Beamte sagte mir, daß ich in Italien kein politisches Asyl bekommen würde. Ich wurde jedoch in Italien nicht festgenommen, obwohl ich keinen Ausweis hatte. Ein mir unbekannter Italiener, näheres nicht bekannt, es dürfte sich um einen Fernfahrer gehandelt haben, verlangte US $ 200,-- für die Verschaffung nach Österreich. ... "
Im Gegensatz zur belangten Behörde kann der Gerichtshof diesen Angaben des Beschwerdeführers, die auch dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegen, weder entnehmen, daß ein Asylantrag des Beschwerdeführers rechtskräftig abgewiesen wurde (vgl. § 2 Abs. 3 AsylG 1991) noch, daß der Beschwerdeführer in Italien vor Verfolgung sicher gewesen sei (vgl.§ 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit.). Es hätte zumindest noch weiterer Feststellungen aufgrund zusätzlicher Beweisergebnisse bedurft, um aus der oben wiedergegebenen Aussage des Beschwerdeführers abzuleiten, daß sein Asylantrag in einem anderen Staat, der die Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention beachtet, abgewiesen wurde. Im Hinblick auf die Angaben des Beschwerdeführers hätte die belangte Behörde aber auch nicht ohne weiteres davon ausgehen dürfen, daß er in Italien Verfolgungssicherheit im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 genossen habe, wurde ihm doch zumindest bei seiner ersten Kontaktnahme mit staatlichen Behörden die Stellung eines Asylantrages (allenfalls) nicht ermöglicht.
Die belangte Behörde hat somit dadurch, daß sie den angefochtenen Bescheid ohne Vorliegen von - unter dem Blickwinkel der Beschwerdeausführungen - entsprechenden Ergebnissen eines unter Wahrung des Parteiengehörs durchgeführten Ermittlungsverfahrens erlassen hat, diesen auch mit Verfahrensmängeln belastet.
Im Hinblick auf die dem angefochtenen Bescheid innewohnende Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und auch den Umstand, daß die Aufhebung eines angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes der Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht (vgl. die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 572 zweiter Absatz, angeführte Rechtsprechung) war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994 im Rahmen des gestellten Begehrens, wobei das Mehrbegehren abzuweisen war, weil die Umsatzsteuer insoweit bereits im Pauschalbetrag für den Schriftsatzaufwand enthalten ist.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994191354.X00Im RIS seit
20.11.2000