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DE-22 Zivilprozess Deutschland;Norm
EheGDV 04te §24 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Stöberl, Dr. Holeschofsky und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde der S, derzeit in California/USA, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 30. November 1994, Zl. 247.616/4-I.9/1994, betreffend Anerkennung eines ausländischen Ehescheidungsurteiles (mitbeteiligte Partei: J in Sydney/Australien, vertreten durch Dr. I, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Dem durch Ausfertigungen des angefochtenen Bescheides sowie des Urteiles und der darin aufgenommenen einstweiligen Verfügung des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 19. März 1993 belegten Beschwerdevorbringen zufolge haben die Beschwerdeführerin, eine amerikanische Staatsangehörige, und ein australischer Staatsangehöriger (Mitbeteiligter) am 24. Juli 1987 vor dem Standesamt Wien Innere Stadt die Ehe geschlossen. Ende 1992 verließ der Mitbeteiligte - der Devisenausländer war und in steuerlicher Hinsicht seinen Wohnsitz auf den Philippinen hatte - den bislang gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in Wien I, und pendelte fortan zwischen Österreich und der BRD.
Am 8. Jänner 1993 erhob die Beschwerdeführerin - die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Wien weiter aufrechterhalten hatte - beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien die Scheidungsklage; das Verfahren über diese Klage ist bislang (jedenfalls bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides) nicht entschieden.
Am 5. November 1993 beantragte der Mitbeteiligte beim Family Court of Australia in Sydney die Scheidung. Mit Entscheidung dieses Gerichtes vom 6. Juli 1994 wurde die Ehe der Beschwerdeführerin und des Mitbeteiligten wegen tiefgreifender Zerrüttung geschieden. Diese Entscheidung ist am 7. August 1994 endgültig geworden.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde über Antrag des Mitbeteiligten unter Berufung auf § 24 Abs. 1 der
4. Durchführungsverordnung zum Ehegesetz vom 25. Oktober 1941, RGBl. I S 654, festgestellt, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung der Entscheidung des Family Court of Australia in Sydney vom 6. Juli 1994, soweit mit dieser die am 24. Juli 1987 vor dem Standesamt Wien Innere Stadt zwischen der Beschwerdeführerin und dem Mitbeteiligten geschlossene Ehe geschieden worden ist, gegeben sind. Begründend führte die belangte Behörde aus, daß keiner der in § 328 Abs. 1 dZPO genannten Versagungsgründe gegeben sei, zumal die in § 76 Abs. 2 JN geregelte inländische Scheidungsgerichtsbarkeit keine ausschließliche sei und demnach eine Anerkennung der Scheidungsgerichtsbarkeit anderer Staaten nicht ausschließe. Unter spiegelbildlicher Anwendung des § 76 Abs. 2 Z. 1 JN und mit Rücksicht auf die australische Staatsangehörigkeit eines Ehegatten sei im vorliegenden Fall australischen Gerichten die Scheidungsgerichtsbarkeit zugekommen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Nichtanerkennung des australischen Ehescheidungsurteiles bei Vorliegen eines Versagungsgrundes verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 24 Abs. 1 des mit "Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen" überschriebenen § 24 der - auf österreichische Verhältnisse umzustellenden und als österreichische Rechtsvorschrift auf der Stufe eines (einfachen) Bundesgesetzes in der österreichischen Rechtsordnung der Zweiten Republik weiterhin in Geltung stehenden (§ 2 R-ÜG; vgl. auch Dittrich/Tades, ABGB34, S. 2466, E 1-2) - vierten Durchführungsverordnung zum Ehegesetz vom 25. Oktober 1941, Deutsches RGBl. I, S. 654 (4. DVEheG) sind u. a. Entscheidungen, durch die im Ausland eine Ehe dem Bande nach (oder unter Aufrechterhaltung des Ehebandes) geschieden ist, in Österreich nur wirksam, wenn der Bundesminister für Justiz festgestellt hat, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung der Entscheidung gegeben sind. Dabei ist
§ 328 der deutschen Zivilprozeßordnung sinngemäß anzuwenden.
Nach (dem auf österreichische Verhältnisse umzustellenden)
§ 328 Abs. 1 dZPO ist die Anerkennung des Urteils eines ausländischen Gerichts u.a. dann ausgeschlossen, wenn die Gerichte des Staates, dem das ausländische Gericht angehört, nach den österreichischen Gesetzen nicht zuständig sind (Z. 1).
Die Beschwerdeführerin macht in ihrer Beschwerde geltend, der vorerwähnte Versagungsgrund des § 328 Abs. 1 Z. 1 dZPO sei deshalb gegeben, weil zufolge des ausschließlichen Gerichtsstandes des § 76 JN - der infolge des gewöhnlichen inländischen Aufenthalts der Ehefrau und des letzten gewöhnlichen Aufenthalts beider Ehegatten im Inland zu bejahen wäre - auch die ausschließliche inländische Gerichtsbarkeit vorliege und das australische Gericht nach den österreichischen Gesetzen nicht zuständig gewesen sei. Das Verfahren vor dem ausländischen Gericht (in Australien) habe daher keine Streitanhängigkeit bewirkt.
Diese Ausführungen sind nicht geeignet, eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen und die Beschwerde zum Erfolg zu führen.
Die von der Anerkennung ausländischer Ehescheidungsurteile handelnden Regelungen sind dem österreichischen internationalen Zivilverfahrensrecht zuzurechnen. Die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung bewirkt die Gleichstellung mit einer inländischen Entscheidung gleicher Art in prozeßrechtlicher Hinsicht, sie erstreckt die verfahrensrechtlichen Wirkungen aus dem Recht des Erststaates auf jenes des die Entscheidung anerkennenden Zweitstaates. In dem auf bescheidmäßige Feststellung gerichteten Verfahren des Bundesministers für Justiz ist aber nur die Frage der formellen Voraussetzungen für die innerstaatliche Anerkennung des ausländischen Scheidungsurteiles zu lösen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. März 1982, Slg. 10693/A; OGH 25.5.1993, 1 Ob 544/93; H. Hoyer, Die Anerkennung ausländischer Entscheidungen, JBl. 1982, 637 und 641). Die in der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob die Parallelprozeßführung im Inland und in Australien das Prozeßhindernis der Streitanhängigkeit im Inland bewirken kann (vgl. dazu Fasching, Lehrbuch2, RZ 1191), gehört jedoch nicht zu den im vorliegenden Anerkennungsverfahren zu prüfenden Anerkennungsvoraussetzungen. Die inländische Rechtsanhängigkeit gehört (auch) nicht zum ordre public (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. September 1985, Slg. Nr. 11842/A).
Die Versagung der Anerkennung einer ausländischen Entscheidung - als eine Abwehrhandlung des Zweitstaates gegen Jurisdiktionsakte des Erststaates - findet in Bereichen statt, die der Erststaat seiner ausschließlich eigenen Zuständigkeit vorbehalten hat. Die Beschwerdeführerin verkennt jedoch die rechtliche Tragweite der vom inländischen Gesetzgeber im Bereich der streitigen Ehesachen ausdrücklich und umfassend vorgenommenen Regelung der inländischen Gerichtsbarkeit. Diese Regelung des § 76 Abs. 2 JN schließt - wie sich eindeutig aus den Gesetzesmaterialen ergibt (669 Blg NR 15. GP 35) - eine Gesetzeslücke aus. Die inländische Gerichtsbarkeit ist daher nur bei Vorliegen der in § 76 Abs. 2 JN ausdrücklich normierten Voraussetzungen gegeben (OGH 28.5.1991 5 Ob 530/1991).
Dieser im § 76 Abs. 2 JN geregelte Justizgewährungsanspruch bewirkt die Zurverfügungstellung der inländischen Gerichtsbarkeit und billigt mithin dem einzelnen Privatrechtsubjekt einen Anspruch gegen den Staat auf ein justizmäßiges Verfahren vor dem zuständigen inländischen Gericht zu. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist der Bestimmung des § 76 Abs. 2 JN aber nicht der Regelungsgehalt zu entnehmen, daß Österreich in diesem Bereich die AUSSCHLIEßLICHE INLÄNDISCHE GERICHTSBARKEIT in Anspruch nimmt (vgl. Fasching, a. a.O., Randzahlen 9 und 70). Die in der Beschwerde zitierten Ausführungen von Köhler (in ÖJZ 1951, 559 f) zur ausschließlichen inländischen Ehegerichtsbarkeit sind durch die Novellierung des § 76 JN jedenfalls überholt. Die ausschließliche inländische Gerichtsbarkeit in Ehesachen liegt nur dann vor, wenn beide Ehegatten österreichische Staatsangehörige sind und beide ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben; nur in einem solchen Fall steht der Vorbehalt der ausschließlichen inländischen Gerichtsbarkeit der Anerkennung einer ausländischen Entscheidung entgegen (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 11. September 1985).
Aus dem Umstand, daß § 76 Abs. 1 JN einen ausschließlichen GERICHTSSTAND für Streitigkeiten in Ehesachen vorsieht, ist für den Standpunkt der Beschwerdeführerin nichts gewonnen, weil der Gerichtsstand lediglich die örtliche Zuständigkeit regelt. Die örtliche Zuständigkeitsordnung unterscheidet zwischen dem allgemeinen Gerichtsstand und besonderen Gerichtsständen. Diese besonderen Gerichtsstände können entweder ausschließliche - die den allgemeinen Gerichtsstand ausschließen -, Wahlgerichtsstände oder Zwangsgerichtsstände sein (vgl. dazu Fasching, a.a.O., RZ 268). Da die inländische Gerichtsbarkeit im Bereich der Streitigkeiten in Ehesachen - anders als bei vermögensrechtlichen Prozessen - eine ausdrückliche und umfassende Regelung durch den inländischen Gesetzgeber erfahren hat, muß die Regelung der örtlichen Zuständigkeit in diesem Bereich unerheblich bleiben.
Die Beschwerdeführerin vermag somit das Vorliegen des von ihr behaupteten Versagungsgrundes nicht aufzuzeigen.
Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Damit erübrigt sich eine besondere Entscheidung über den Antrag der Beschwerdeführerin, ihrer Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995190016.X00Im RIS seit
11.07.2001