TE Vwgh Erkenntnis 1995/3/2 94/19/1188

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Veröffentlicht am 02.03.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §60;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des J in I, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. Juni 1994, Zl. 4.303.362/2-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG erlassenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. Juni 1994 wurde die Berufung des Beschwerdeführers - eines Staatsangehörigen von Ghana, der am 24. September 1990 in das Bundesgebiet eingereist war und am 25. September 1990 einen Asylantrag gestellt hatte - gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 11. September 1991 - mit dem festgestellt worden war, daß bei ihm die Voraussetzungen für seine Anerkennung als Flüchtling nicht vorlägen - abgewiesen und damit die Asylgewährung versagt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark hat ihren negativen Feststellungsbescheid damit begründet, daß dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht zukomme.

Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer - ohne sich mit seiner Flüchtlingseigenschaft auseinanderzusetzen - deshalb kein Asyl gewährt, weil sie der Ansicht war, daß bei ihm der Asylausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 gegeben sei, wonach einem Flüchtling kein Asyl gewährt wird, wenn er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war. Sie stützte sich auf die Angaben des Beschwerdeführers bei seiner niederschriflich festgehaltenen Vernehmung am 29. September 1990, wonach dieser sich in Togo aufgehalten habe und folgerte aus diesem Aufenthalt, daß der Beschwerdeführer bereits in Togo vor Verfolgung sicher gewesen sei, weshalb die Asylgewährung ausgeschlossen sei.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen diese Annahme der belangten Behörde, daß er bereits in Togo vor Verfolgung sicher gewesen sei. Er bringt dazu vor, Die belangte Behörde habe nicht ausreichend ermittlt, ob er (in Togo) tatsächlich vor Verfolgung und Rückschiebung sicher gewesen sei. Die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung, daß Togo das Rückschiebungsverbot beachte, werde nicht durch Ermittlungsergebnisse gestützt. Durch Auskünfte österreichischer Vertretungsbehörden und Berichte des UNHCR wäre aber festgestellt worden, daß Togo kein sicheres Drittland sei.

Dem Beschwerdeführer ist darin zuzustimmen, daß in dem seiner Beschwerde zugrundeliegenden Verwaltungsverfahren keine ausreichenden Ermittlungen gepflogen wurden, um annehmen zu können, Togo hätte ihm aufgrund seiner "im großen und ganzen effektiv geltenden Rechtsordnung" als Zufluchtsstaat bereits einen dem Standard der Genfer Flüchtlingskonvention - insbesondere hinsichtlich des Rückschiebungsschutzes - entsprechenden Schutz geboten.

Die Beschwerdeausführungen sind nach Maßgabe der einen Asylwerber im Verfahren treffenden Mitwirkungspflicht ausreichend konkretisiert, um die Wesentlichkeit der im vorliegenden Beschwerdefall der belangten Behörde unterlaufenen Verletzungen von Verfahrensvorschriften (Parteiengehör, Ermittlungs- und Begründungspflicht) zu erkennen. Die Mitwirkungspflicht der Partei geht nicht soweit, daß sich die Behörde ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren ersparen könnte, zu dessen Durchführung sie (hier gemäß den §§ 11, 16 Asylgesetz 1991 in Verbindung mit den §§ 39, 45 und 60 AVG) verpflichtet ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Jänner 1995, Zl. 94/19/0413).

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid nicht entsprechend der durch § 60 in Verbindung mit § 67 AVG gebotenen Begründung dargelegt, aufgrund welcher Ermittlungen und Überlegungen sie zu der Feststellung gelangte, der Beschwerdeführer habe nicht darzutun vermocht, daß er keinen Rückschiebungsschutz (in Togo) genossen habe.

Des weiteren verstößt auch das erstmals in der Beschwerde gegen die Annahme von "Verfolgungssicherheit" in Togo erstattete Vorbringen deshalb nicht gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot (§ 41 Abs. 1 VwGG), weil der Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 erstmals im angefochtenen Bescheid in das Verfahren gebracht wurde und die belangte Behörde ihre insoweit zugrunde gelegten Annahmen dem Beschwerdeführer vor der Bescheiderlassung nie im Verfahren zur Kenntnis gebracht und ihm daher entgegen dem § 45 Abs. 3 AVG Parteiengehör zu dieser Frage nicht gewährte.

Die aufgezeigten Verletzungen von Verfahrensvorschriften sind auch wesentlich, weil unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens und dem nach der Aktenlage hinsichtlich des gebrauchten Ausschließungsgrundes fehlenden Ermittlungsverfahren nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei deren Vermeidung zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht im Rahmen des gestellten Begehrens auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil Stempelgebühren für die dritte Ausfertigung der Beschwerde - da diese nicht im Sinne des § 48 Abs. 1 Z. 1 VwGG erforderlich waren (vgl. u.a. den hg. Beschluß vom 27. April 1977, Slg. Nr. 9312/A) - nicht zu berücksichtigen sind.

Schlagworte

Begründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994191188.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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