TE Vwgh Erkenntnis 1995/3/2 94/19/0131

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Veröffentlicht am 02.03.1995
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §25 Abs2;
B-VG Art140 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Stöberl, Dr. Holeschofsky und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des V in G, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. Mai 1993, Zl. 4.331.064/1-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG erlassenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. Mai 1993 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen der ehemaligen UdSSR, der am 19. November 1991 in das Bundesgebiet eingereist war und am 28. November 1991 Asyl beantragt hatte, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 4. Dezember 1991 - mit dem festgestellt worden war, daß bei ihm die Voraussetzungen für seine Anerkennung als Flüchtling nicht vorlägen - abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, die belangte Behörde habe rechtswidrig das Asylgesetz 1991 (insbesondere dessen § 2 Abs. 2 Z. 3) in einer gegen das Verbot der Rückwirkung von Gesetzen verstoßenden Weise angewandt und den Beschwerdeführer dadurch schlechter gestellt, ist auf § 25 Abs. 2 AsylG 1991 hinzuweisen, wonach die am 1. Juni 1992 beim Bundesminister für Inneres anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zu Ende zu führen sind. Da die am 23. Dezember 1991 rechtzeitig erhobene Berufung des Beschwerdeführers zu diesem Zeitpunkt unbestritten bei der belangten Behörde anhängig war, war diese somit verpflichtet, die Bestimmungen des Asylgesetzes 1991 ihrer Entscheidung zugrunde zu legen. Diesbezüglich hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 16. Dezember 1992, Zlen. B 1387/92, B 1542/92, ausgesprochen, daß gegen § 25 Abs. 2 AsylG 1991 und die sich daraus ergebende Anwendung des Asylgesetzes 1991 im anhängigen Berufungsverfahren keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 16. September 1993, Zl. 92/01/1115).

In dem Umfang jedoch, als die belangte Behörde das Bestehen der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 verneinte und aus diesem Grunde die Gewährung von Asyl versagte, gleicht der vorliegende Beschwerdefall in allen für die Entscheidung relevanten Einzelheiten (Aufhebung des Wortes "offenkundig" im § 20 Abs. 2 AsylG 1991 durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juli 1994, Zl. G 92, 93/94) jenem, der dem hg. Erkenntnis vom 25. August 1994, Zl. 94/19/0435, zugrundelag. Auf dieses Erkenntnis wird daher gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer aber nicht nur deshalb kein Asyl gemäß § 3 AsylG 1991 gewährt, weil sie seine Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 1 Z. 1 leg. cit. verneint hat, sondern auch deshalb, weil sie der Ansicht war, daß der Asylausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. gegeben sei. Nach dieser Gesetzesstelle wird einem Flüchtling kein Asyl gewährt, wenn er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war. Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides habe das durchgeführte Ermittlungsverfahren ergeben, daß sich der Beschwerdeführer vor seiner Einreise in das Bundesgebiet in Ungarn und Jugoslawien aufgehalten habe. Daraus folgerte die belangte Behörde, daß der Beschwerdeführer bereits dort vor Verfolgung sicher gewesen sei, zumal "Verfolgungssicherheit" - nach der Begründung des angefochtenen Bescheides - dann anzunehmen sei, wenn ein Asylwerber vor seiner Einreise nach Österreich in einem Drittland keiner Verfolgung ausgesetzt gewesen sei und nicht habe befürchten müsssen, ohne Prüfung der Fluchtgründe in sein Heimatland bzw. in einen Verfolgerstaat abgeschoben zu werden.

Dem hält der Beschwerdeführer jedoch entgegen, die Behörde habe nicht festgestellt, wie die Lage in den "sicheren Drittstaaten" tatsächlich sei, insbesondere ob der Beschwerdeführer dort bereits um Asyl hätte ansuchen können.

Der Beschwerdeführer hat diese Behauptungen wohl erstmals in der Beschwerde aufgestellt, doch wurde ihm - zumal die Erstbehörde infolge der von ihr anzuwendenden Rechtslage des Asylgesetzes (1968) ihren abweislichen Bescheid zutreffend nicht darauf gestützt hat, daß der Beschwerdeführer bereits in anderen Staaten vor Verfolgung sicher gewesen sei - im Berufungsverfahren nicht Gelegenheit geboten, zu der ihm noch nicht bekannt gegebenen Annahme der belangten Behörde, daß er (offenbar) in Jugoslawien und Ungarn "Verfolgungssicherheit" erlangt habe, Stellung zu nehmen, weshalb sein in der Beschwerde erstattetes Vorbringen auch nicht gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG verstößt.

Die belangte Behörde hat somit dadurch, daß sie den angefochtenen Bescheid ohne Vorliegen von - unter dem Blickwinkel der Beschwerdeausführungen - ensprechenden Ergebnissen eines unter Wahrung des Parteiengehörs durchgeführten Ermittlungsverfahrens erlassen hat, diesen insoweit mit wesentlichen Verfahrensmängeln belastet, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 1995, Zl. 94/19/0413).

Der vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpfte Bescheid war jedoch aus den im Erkenntnis vom 25. August 1994 näher dargelegten Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, da die Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes einer Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 572, zitierte Rechtsprechung).

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994190131.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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