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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1991 §16;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des K in E, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. Mai 1993, Zl. 4.326.103/2-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. Mai 1993 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen "der ehemaligen UdSSR", der am 17. September 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 22. Oktober 1991, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft abgewiesen und ausgesprochen, daß Österreich dem Beschwerdeführer kein Asyl gewähre.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer nicht nur deshalb kein Asyl gewährt, weil sie der Auffassung war, er sei vor seiner Einreise nach Österreich bereits in der "damaligen CSFR" vor Verfolgung sicher im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 gewesen, sondern auch deshalb, weil sie meinte, der Beschwerdeführer habe im durchgeführten Ermittlungsverfahren begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 nicht glaubhaft gemacht.
Soweit sich der angefochtene Bescheid darauf stützt, der Beschwerdeführer sei bereits in der "damaligen CSFR" vor Verfolgung sicher im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 gewesen, wird in der Beschwerde im wesentlichen geltend gemacht, der Beschwerdeführer sei durch diesen Staat lediglich durchgereist; er habe sich dort weder längere Zeit aufgehalten, noch mit den dortigen Behörden Kontakt gehabt. Auf Grund der Beweisergebnisse des vorliegenden Verwaltungsverfahrens könne auch nicht davon ausgegangen werden, daß er "im Falle eines Aufenthaltes" durch die Behörden der "ehemaligen CSFR" vor Rückschiebung in sein Heimatland sicher gewesen wäre. Diesbezüglich handle es sich um "haltlose Spekulationen der belangten Behörde", die durch keine wie immer gearteten Beweisergebnisse erhärtet seien, und die im angefochtenen Bescheid auch nicht näher begründet würden. Hätte die belangte Behörde jedoch den maßgeblichen Sachverhalt ausreichend ermittelt und "entsprechende Feststellungen" getroffen, wäre sie zu dem Ergebnis gelangt, daß der Beschwerdeführer in der CSFR keinesfalls vor Verfolgung sicher gewesen sei.
Soweit der Beschwerdeführer meint, der Umstand, daß er durch diesen Staat lediglich durchgereist sei und mit den dortigen Behörden keinen Kontakt gehabt habe, stünde der Annahme von Verfolgungssicherheit i.S.d. § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 entgegen, übersieht er, daß es darauf nicht ankommt (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0357, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird). Im übrigen macht der Beschwerdeführer jedoch zutreffend geltend, daß keine ausreichenden Ermittlungen gepflogen wurden, um annehmen zu können, die "ehemalige CSFR" habe als Zufluchtsstaat von ihrer effektiv geltenden Rechtsordnung her einen den Standard der Genfer Flüchtlingskonvention entsprechenden Schutz geboten.
Diese Ausführungen sind nach Maßgabe der den Beschwerdeführer im Verfahren treffenden Mitwirkungspflicht ausreichend konkretisiert, um die Wesentlichkeit der der belangten Behörde unterlaufenen Verletzungen von Verfahrensvorschriften (Parteiengehör, Ermittlungs- und Begründungspflicht) zu erkennen. Die Mitwirkungspflicht der Partei geht nicht so weit, daß sich die Behörde ein ordnungsgemäßes Verfahren ersparen könnte, zu dessen Durchführung sie verpflichtet ist. Der Mitwirkungspflicht kommt vielmehr dort Bedeutung zu, wo es der Behörde nicht möglich ist, von sich aus und ohne Mitwirkung der Partei tätig zu werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 1995, Zl. 94/19/0413). Dies trifft auf die im allgemeinen in der "ehemaligen CSFR" beobachtete Vorgangsweise betreffend den Schutz von Flüchtlingen vor Rückschiebung in ihren Heimatstaat nicht zu. Die Pflicht eines Beschwerdeführers zur Darlegung der Wesentlichkeit von Verfahrensmängeln vor dem Verwaltungsgerichtshof geht nicht weiter als seine Mitwirkungspflicht im Verwaltungsverfahren gegangen wäre, hätte die belangte Behörde die Verfahrensvorschriften beachtet (vgl. nochmals das zitierte Erkenntnis vom 26. Jänner 1995).
Der Beschwerdeführer hat diese Behauptungen zwar erstmals in der Beschwerde vorgebracht, doch wurde ihm - nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten - im Verwaltungsverfahren nicht Gelegenheit gegeben, zur Annahme der belangten Behörde, er sei bereits in der "damaligen CSFR" vor Verfolgung sicher im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 gewesen, Stellung zu nehmen, weshalb dieses Vorbringen nicht gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot (§ 41 Abs. 1 VwGG) verstößt.
Die belangte Behörde hat somit dadurch, daß sie den angefochtenen Bescheid ohne Vorliegen von - unter dem Blickwinkel der Beschwerdeausführungen - entsprechenden Ergebnissen eines unter Wahrung des Parteiengehörs durchgeführten Ermittlungsverfahrens erlassen hat, diesen mit Verfahrensmängeln belastet, die, weil die belangte Behörde bei deren Vermeidung zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können, wesentlich im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG sind.
Es ist daher weiters zu prüfen, ob die belangte Behörde die Abweisung des Asylantrages zutreffend darauf gestützt hat, daß der Beschwerdeführer nicht als Flüchtling im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 zu qualifizieren sei. In dieser Hinsicht gleicht der vorliegende Beschwerdefall in den für die Entscheidung relevanten Einzelheiten (Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juli 1994, Zl. G 92, 93/94) jenem, der dem hg. Erkenntnis vom 25. August 1994, Zl. 94/19/0435, zugrundelag. Auf dieses Erkenntnis wird daher gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen, wobei eine Ausfertigung zur Information angeschlossen ist.
Aus den dort dargelegten Erwägungen stellt sich der angefochtene Bescheid in bezug auf die Anwendung des § 1 Z. 1 i. V.m. § 3 Asylgesetz 1991 als inhaltlich rechtswidrig gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG dar. Der angefochtene Bescheid war daher - ohne daß auf das übrige Beschwerdevorbringen eingegangen werden mußte - aus diesem Grunde aufzuheben, da die Aufhebung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit einer solchen wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1994, Zl. 94/19/1306, und andere).
Die Entscheidung über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
Schlagworte
Begründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung MitwirkungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994190649.X00Im RIS seit
20.11.2000