TE Vwgh Erkenntnis 1995/3/2 94/19/1215

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Veröffentlicht am 02.03.1995
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §11;
AsylG 1991 §16;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §60;
FlKonv Art1 AbschnB;
FlKonv Art33;
FlKonv Art43;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. März 1994, Zl. 4.321.158/2-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120.-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Angola, der am 28. August 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist, hat den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 17. September 1991, mit dem festgestellt worden war, bei ihm lägen die Voraussetzungen für seine Anerkennung als Flüchtling nicht vor, mit Berufung bekämpft.

Mit Bescheid vom 10. März 1994 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Der Beschwerdeführer hat bei seiner Ersteinvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien am 7. September 1991 angegeben, sich vor seiner Einreise in das Bundesgebiet in Italien aufgehalten zu haben. Die belangte Behörde hat die Abweisung seiner Berufung und damit die Versagung von Asyl, ohne sich mit seiner Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 auseinanderzusetzen, ausschließlich darauf gestützt, daß der Beschwerdeführer auf Grund seines Aufenthaltes in Italien bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher gewesen sei, weshalb ausgehend von § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 die Gewährung von Asyl gemäß § 3 leg. cit. nicht in Betracht komme. Die belangte Behörde befaßte sich hiebei näher mit dem Begriff der "Verfolgungssicherheit", wobei sie im wesentlichen im Einklang mit der ständigen Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes (beginnend mit dem Erkenntnis vom 27. Mai 1993, Zl. 93/01/0256, und insbesondere dem hg. Erkenntnis vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0357), auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, die Rechtslage richtig erkannt hat.

Der Beschwerdeführer hat in der Beschwerde insbesondere geltend gemacht, die belangte Behörde habe es unterlassen zu ermitteln, ob der Beschwerdeführer in Italien hätte befürchten müssen, ohne Prüfung seiner Fluchtgründe in sein Heimatland abgeschoben zu werden. Ebenso seien Ermittlungen über die Asylpraxis in Italien, über die realistischen Möglichkeiten des Beschwerdeführers, in diesem Staat Asyl zu beantragen, über die Beziehungen Italiens zum den Beschwerdeführer verfolgenden Regime in Angola und über die Behandlung von angolanischen Staatsbürgern mit vergleichbaren Problemen - insbesondere Sympathisanten der UNITA - in Italien unterblieben und gründe sich die von der belangten Behörde festgestellte Verfolgungsicherheit lediglich auf unüberprüfbare Vermutungen.

Mit diesem Vorbringen macht der Beschwerdeführer zutreffend geltend, daß keine ausreichenden Ermittlungen gepflogen wurden, um annehmen zu können, Italien biete ihm - wie dies die belangte Behörde allein auf Grund der Mitgliedschaft dieses Staates bei der Genfer Flüchtlingskonvention annahm - als Zufluchtsstaat von seiner effektiv geltenden Rechtsordnung her einen dem Standard der Genfer Flüchtlingskonvention entsprechenden Schutz.

Diese Ausführungen sind nach Maßgabe der den Beschwerdeführer im Verfahren treffenden Mitwirkungspflicht ausreichend konkretisiert, um die Wesentlichkeit der der belangten Behörde unterlaufenen Verletzung von Verfahrensvorschriften (Parteiengehör, Ermittlungs- und Begründungspflicht) zu erkennen. Die Mitwirkungspflicht der Partei geht nicht so weit, daß sich die Behörde ein ordnungsgemäßes Verfahren ersparen könnte, zu dessen Durchführung sie (hier gemäß §§ 11 und 16 Asylgesetz 1991 in Verbindung mit §§ 39, 45 und 60 AVG) verpflichtet ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. April 1984, Zl. 81/05/0019, u.v.a.). Der Mitwirkungspflicht kommt dort Bedeutung zu, wo es der Behörde nicht möglich ist, von sich aus und ohne Mitwirkung der Partei tätig zu werden (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 23. Jänner 1987, Zl. 86/11/0044, und vom 27. April 1993, Zl. 91/08/0123). Dies trifft auf die allgemein in Italien beobachtete Vorgangsweise betreffend den Schutz von Flüchtlingen vor Rückschiebung in ihren Heimatstaat nicht zu. Die Pflicht eines Beschwerdeführers zur Darlegung der Wesentlichkeit von Verfahrensmängeln vor dem Verwaltungsgerichtshof geht nicht weiter als seine Mitwirkungspflicht im Verwaltungsverfahren gegangen wäre, hätte die belangte Behörde die Verfahrensvorschriften beachtet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 1995, Zl. 94/19/0413).

Der Beschwerdeführer hat diese Einwendungen zwar erstmals in der Beschwerde erhoben, doch wurde ihm im Verwaltungsverfahren - die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien ist zufolge der von ihr anzuwendenden Rechtslage des Asylgesetzes (1968) nicht von Verfolgungssicherheit des Beschwerdeführers in Italien ausgegangen - nicht Gelegenheit geboten, zur Frage der Verfolgungssicherheit in diesem Staat Stellung zu nehmen, weshalb seine Rüge, es lägen in dieser Hinsicht Verfahrensverletzungen vor, berechtigt ist. Daraus ergibt sich weiters, daß der Beschwerdeführer mit diesem Vorbringen nicht dem gemäß § 41 Abs. 1 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot unterliegt.

Die belangte Behörde hat somit dadurch, daß sie den angefochtenen Bescheid ohne Vorliegen von - unter dem Blickwinkel der Beschwerdeausführungen - entsprechenden Ergebnissen eines unter Wahrung des Parteiengehörs durchgeführten Ermittlungsverfahrens erlassen hat, diesen mit wesentlichen Verfahrensmängeln belastet.

Da somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des erhobenen Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Begründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994191215.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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