TE Vwgh Erkenntnis 1995/3/9 93/18/0326

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Veröffentlicht am 09.03.1995
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Index

25/04 Sonstiges Strafprozessrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
41/02 Staatsbürgerschaft;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z2;
FrG 1993 §20 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6;
StbG 1985 §10 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs1;
TilgG 1972;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des P in S, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 2. Februar 1993, Zl. III/133-1/92, betreffend Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 2. Februar 1993 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der jugoslawischen Föderation, gemäß § 18 Abs. 1 und 2 Z. 1 und 2 sowie den §§ 19 bis 21 des Fremdengesetzes (FrG) ein mit zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer sei vom Bezirksgericht Schwaz am 14. Jänner 1992 und am 11. November 1992 wegen des Vergehens der Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB und vom Landesgericht Innsbruck am 28. April 1992 wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung rechtskräftig verurteilt worden. Damit sei der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 (vierter Fall) FrG erfüllt.

Der Beschwerdeführer weise ferner zahlreiche rechtskräftige Verwaltungsstrafen auf, darunter vier wegen Übertretungen des § 5 Abs. 1 StVO und zwei wegen Übertretungen des § 64 Abs. 1 KFG. Diese Übertretungen seien schwerwiegende Verwaltungsübertretungen im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG, sodaß auch dieser Tatbestand erfüllt sei.

Es lägen sohin bestimmte Tatsachen vor, welche die im § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertigten. Maßgebend für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei nicht nur die Erfüllung der Tatbestände des § 18 Abs. 2 Z. 1 und 2 FrG, sondern das Gesamtverhalten des Beschwerdeführers, das sich in 19 rechtskräftigen Verwaltungsstrafen und 3 rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilungen manifestiere.

Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, nämlich zum Schutz der öffentlichen Ruhe und Ordnung und zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen des Beschwerdeführers, dringend geboten und daher zulässig. Der Beschwerdeführer habe weder durch Strafen noch durch ein anhängiges Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zu einem gesetzestreuen Verhalten veranlaßt werden können. Den vom Beschwerdeführer wiederholt verletzten Rechtsgütern komme ein hoher Stellenwert zu. Das Aufenthaltsverbot bewirke zweifellos einen schwerwiegenden Eingriff in das Leben des Beschwerdeführers und seiner Familie, und zwar im Hinblick auf den langjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet und die dadurch bewirkte Integration. Der Lebensmittelpunkt des Beschwerdeführers und seiner Familie befinde sich im Bundesgebiet. Hier habe der Beschwerdeführer einen Arbeitsplatz als Hilfsarbeiter. Dennoch wögen die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes. Der Beschwerdeführer sei nämlich offensichtlich unverbesserlich, erstreckten sich doch seine Bestrafungen bzw. Verurteilungen vom Jahr 1978 bis 1992. Unter Zugrundelegung der in der Berufung enthaltenen Behauptung, daß sich der Beschwerdeführer mit seiner Ehefrau versöhnt habe, sei zwar eine Änderung zu seinen Gunsten eingetreten, doch sei dies vor dem Hintergrund des anhängigen Verfahrens zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes zu sehen. Eine solche Versöhnung habe es auch in der Vergangenheit gegeben, ohne daß dies zu einer dauerhaften Beseitigung der Spannungsverhältnisse in der Ehe des Beschwerdeführers geführt habe, wie die Einreichung der Scheidungsklage im Jahr 1989 und die rechtskräftigen Bestrafungen des Beschwerdeführers wegen vorsätzlicher Körperverletzung (begangen an seiner Ehefrau) zeigten. Beim Beschwerdeführer bestünden noch Bindungen an seinen Heimatstaat, wo er ein Einfamilienhaus besitze und wo andere Angehörige von ihm lebten.

Aus der Tatsache, daß als schwerwiegend zu bezeichnende Verwaltungsübertretungen schon längere Zeit zurücklägen und daß dem Straferkenntnis vom 4. April 1991 das Lenken eines Fahrrades in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand zugrundeliege, könne der Beschwerdeführer nichts gewinnen, weil § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 FrG keine zeitliche Einschränkung enthielten und das Aufenthaltsverbot nicht allein auf das Straferkenntnis vom 4. April 1991 gestützt werde. Im übrigen könne es auch bei einem Verkehrsunfall mit Beteiligung eines alkoholisierten Fahrradlenkers zu schweren Unfalls- und Verleztungsfolgen für Dritte kommen.

§ 20 Abs. 2 FrG hindere die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht, weil der Beschwerdeführer, der seit 1973 in Österreich lebe, seine erste Verwaltungsübertretung, für die er bestraft worden sei, bereits 1978 und die erste Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 StVO bereits 1981 begangen habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1.1. Der Beschwerdeführer bekämpft nicht die

- zutreffende - Auffassung der belangten Behörde, daß auf Grund der gerichtlichen Verurteilungen der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 (vierter Fall) FrG erfüllt sei. Er meint jedoch, der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. sei nicht erfüllt, weil die Verwaltungsstrafen hinsichtlich jener Übertretungen des § 5 Abs. 1 StVO, die zur Entziehung der Lenkerberechtigung geführt hätten, bereits getilgt seien. Das dem Straferkenntnis vom 4. April 1991 zugrunde liegende Lenken eines Fahrrades in alkoholisiertem Zustand stelle keine schwerwiegende Verwaltungsübertretung dar.

1.2. Der Beschwerdeführer übersieht bei seinen Ausführungen, daß die belangte Behörde auch die beiden (am 5. September und am 8. Oktober 1990 erfolgten) Bestrafungen wegen Übertetung des § 64 Abs. 1 KFG ihrer Beurteilung, daß § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG erfüllt sei, zugrunde gelegt hat. Bei diesen Übertretungen handelt es sich nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes um schwerwiegende im Sinne der genannten Gesetzesstelle (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. Februar 1995, Zl. 95/18/0085, mwN). Schon auf Grund dieser Bestrafungen ist der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG erfüllt.

2. Hinsichtlich der dem Straferkenntnis vom 4. April 1991 zugrundeliegenden Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO ist einzuräumen, daß - ohne Kenntnis der näheren Tatumstände - nicht gesagt werden kann, ob es sich dabei um eine schwerwiegende Verwaltungsübertretung im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG gehandelt hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt die Auffassung vertreten, daß Verwaltungsübertretungen nach § 5 Abs. 1 StVO als schwerwiegend anzusehen sind, und in diesem Zusammenhang auf die besonderen von alkoholisierten Kraftfahrzeuglenkern ausgehenden Gefahren für die Allgemeinheit hingewiesen (siehe die hg. Erkenntnisse vom 10. Februar 1994, Zl. 93/18/0366, und vom 4. Mai 1994, Zl. 94/18/0217). Dies kann bei Übertretungen des § 5 Abs. 1 StVO, die durch das Lenken eines Fahrrades in durch Alkohol beeinträchtigtem Zustand begangen wurden, nicht so allgemein gesagt werden, weil das Ausmaß der dadurch bewirkten Gefahren und der möglichen Unfallsfolgen regelmäßig wesentlich geringer ist als beim Lenken eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand.

3. Diese Übertretung - die jedenfalls nicht als bloß geringfügig zu bezeichnen ist - konnte die belangte Behörde aber - ebenso wie die vom Beschwerdeführer in der gegenüber der Erstbehörde abgegebenen Stellungnahme vom 2. September 1992 zugestandene gleichartige Übertretung vom 3. August 1992 - im Rahmen der gemäß § 18 Abs. 1 FrG vorzunehmenden Beurteilung berücksichtigen. Das gleiche gilt für die vom Beschwerdeführer in den Jahren 1981 bis 1986 (offenbar durch das Lenken von Kraftfahrzeugen) begangenen drei Übertretungen des § 5 Abs. 1 StVO, hinsichtlich deren nach der Aktenlage davon auszugehen war, daß sie im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits getilgt waren (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Juli 1994, Zl. 94/18/0374). Diese Übertretungen sowie die den gerichtlichen Verurteilungen zugrundeliegenden Vergehen zeigen eine Neigung des Beschwerdeführers zur Begehung von Alkoholdelikten im Straßenverkehr und zur Gewalttätigkeit in alkoholisiertem Zustand. Die belangte Behörde handelte daher nicht rechtswidrig, wenn sie auf Grund des von ihr festgestellten Sachverhaltes die im § 18 Abs. 1 Z. 1 FrG umschriebene Annahme als gerechtfertigt angesehen hat.

4.1. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes ist zum Schutz der öffentlichen Ruhe und Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen dringend geboten und daher gemäß § 19 FrG zulässig, zumal der Beschwerdeführer weder durch Strafen noch durch ein anhängiges Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zu einem gesetzestreuen Verhalten veranlaßt werden konnte.

4.2. Dem vom Beschwerdeführer wiederholt verletzten Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit von Menschen und dem öffentlichen Interesse am Schutz der Allgemeinheit vor alkoholisierten Fahrzeuglenkern und solchen, die ein Kraftfahrzeug ohne die erforderliche Lenkerberechtigung lenken, kommt ein hoher Stellenwert zu. Den öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes stehen die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf den Beschwerdeführer und seine Familie gegenüber, die auf Grund des langjährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet und die dadurch bewirkte Integration zwar schwerwiegend sind, jedoch nicht schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes. Die vom Beschwerdeführer in der Berufung behauptete Versöhnung mit seiner Ehefrau vermag das Ergebnis der Interessenabwägung nicht entscheidend zu beeinflussen. Der Beschwerdeführer ist nämlich, wie sich aus den Verwaltungsakten ergibt und insbesondere von ihm bei seiner niederschriftlichen Vernehmung vom 4. August 1992 zugestanden wurde, Alkoholiker und hat sich erfolglos Entwöhnungskuren unterzogen. Die Tatsache, daß er trotz Kenntnis von dem anhängigen Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes am 3. August 1992 vorsätzlich seine Ehefrau mit einem Messer verletzt hat, nachdem er sie am 10. Februar 1992 mit der durch den Vorhalt eines Küchenmessers verstärkten Äußerung, er bringe sie um, gefährlich bedroht hatte, und daß seine Tochter bei der am 6. August 1992 erfolgten niederschriftlichen Vernehmung erklärt hat, ihr und ihrer Mutter wäre es am liebsten, wenn der Beschwerdeführer nach Serbien zurückkehre, weil es so nicht weitergehe, relativiert jedenfalls die Intensität der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten familiären Bindungen, sodaß das Ergebnis der von der belangten Behörde im Grunde des § 20 Abs. 1 FrG vorgenommenen Interessenabwägung nicht als rechtswidrig erkannt werden kann.

5. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers stand auch § 20 Abs. 2 FrG der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegen. Der für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 StbG entscheidende Zeitpunkt war der der Rechtskraft der vorletzten der von der belangten Behörde herangezogenen Bestrafungen (siehe das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1994, Zl. 94/18/0939, mwN). Zu diesem Zeitpunkt (nämlich dem der Rechtskraft des Urteiles des Landesgerichtes Innsbruck vom 28. April 1992) war die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG nicht erfüllt, weil der Beschwerdeführer nach seinem bisherigen Verhalten keine Gewähr dafür geboten hat, daß er keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit darstellt, dies insbesondere, wenn man sich die rechtskräftigen Verurteilungen wegen der Vergehen der Körperverletzung und der gefährlichen Drohung und die rechtskräftigen Bestrafungen wegen der Übertretungen des § 64 Abs. 1 KFG und des § 5 Abs. 1 StVO vor Augen hält, die die negative Einstellung des Beschwerdeführers gegenüber diesen zum Schutz von Leben und Gesundheit erlassenen Rechtsvorschriften erkennen lassen (vgl. auch dazu das zitierte Erkenntnis vom 15. Dezember 1994).

6. Aus den dargelegten Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Verhältnis zu anderen Normen und Materien

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1993180326.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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