Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des Y in Wien, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 26. Jänner 1994, Zl. SD 636/93, betreffend Aufhebung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 26. Jänner 1994 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, vom 23. März 1993 auf Aufhebung des gegen ihn erlassenen Aufenthaltsverbotes vom 12. März 1990 gemäß § 26 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, abgewiesen.
Begründend wies die belangte Behörde darauf hin, daß sich das über den Beschwerdeführer für die Dauer von zehn Jahren verhängte Aufenthaltsverbot vom 12. März 1990 im wesentlichen auf zwei rechtskräftige gerichtliche Verurteilungen gegründet habe, und zwar wegen Betruges zu einer Geldstrafe (Urteil vom 19. Oktober 1987) sowie wegen des Verbrechens des Bandendiebstahls und wegen Veruntreuung zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, davon 15 Monate bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren (Urteil vom 26. Februar 1990). Hiebei sei darauf Bedacht genommen worden, daß sich der Beschwerdeführer seit dem Jahr 1978 in Österreich aufhalte und hier auch seine Ehegattin lebe.
Der Beschwerdeführer habe nichts dargetan, wonach die Gründe, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt hätten, weggefallen seien. Die von ihm ins Treffen geführte Integration und seine "familiäre Beziehung zu Österreich" hätten bereits bei Verhängung des Aufenthaltsverbotes Berücksichtigung gefunden und könnten daher bei der hier zu treffenden Entscheidung ebensowenig zugunsten des Beschwerdeführers ins Gewicht fallen wie sein Hinweis, daß er seit 29. April 1993 beschäftigt sei.
Nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei der Beschwerdeführer neuerlich, und zwar wegen fahrlässiger Körperverletzung, gerichtlich verurteilt worden. Darüber hinaus sei er viermal wegen Aufenthaltes in Österreich trotz des bestehenden Aufenthaltsverbotes und einmal wegen Übertretung des § 4 Abs. 5 StVO bestraft worden. Damit habe der Beschwerdeführer den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 2 FrG verwirklicht; dies würde (neuerlich) die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes rechtfertigen. Vor allem die Bestrafungen wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes zeigten sehr deutlich, daß der Beschwerdeführer keine Bedenken habe, sich über die für ihn maßgeblichen fremdenrechtlichen Vorschriften hinwegzusetzen. Das Gewicht der für die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes sprechenden öffentlichen Interessen habe sich demnach beträchtlich erhöht, weshalb eine Aufhebung des Aufenthaltsverbotes nicht in Betracht komme.
2. Die dagegen zunächst an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde von diesem Gerichtshof nach Ablehnung von deren Behandlung dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten (Beschluß vom 27. September 1994, B 508/94).
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof begehrt der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Gemäß § 26 FrG ist das Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind.
1.2. Nach dieser Bestimmung, die ihren Inhalt nur aus dem Zusammenhalt mit den §§ 18 bis 20 FrG gewinnt, hat sich die Behörde mit der Frage auseinanderzusetzen, ob ein relevanter Eingriff im Sinne des § 19 FrG vorliegt und - gegebenenfalls - die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes dringend geboten ist und - bejahendenfalls - ferner, ob sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes jene Umstände, die zur Beurteilung der öffentlichen Interessen einerseits und der privaten und familiären Interessen andererseits maßgebend sind, zugunsten des Fremden geändert haben, und daran anschließend diese Interessen gegeneinander abzuwägen.
1.3. Entscheidend ist, ob sich seit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes die dafür maßgebenden Umstände zugunsten des Fremden geändert haben. Bei einer Entscheidung nach § 26 FrG ist aber auch auf die nach Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen. (Vgl. zum Ganzen aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa das Erkenntnis vom 3. November 1994, Zl. 94/18/0365, mwN.)
2.1. Die Beschwerde - soweit sie sich an den Verwaltungsgerichtshof richtet - bekämpft den angefochtenen Bescheid mit folgendem Vorbringen:
"Nach § 20/2 FremdG 1992 darf ein Aufenthaltsverbot dann nicht erlassen werden, wenn dem Fremden vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10/1 des StbG 1985 BGBl 311 verliehen hätte werden können.
Wie in der Sachverhaltsschilderung dargelegt, halte ich mich bereits seit 1976 aufrecht gemeldet im Bundesgebiet auf. Die Verhängung des Aufenthaltsverbotes am 12.3.1990 (sohin 14 Jahre nach meiner Einreise in die Republik Österreich) hat gegen die Bestimmung des § 20/2 FremdG 1992 massiv verstoßen. Da ich bereits zum damaligen Zeitpunkt meinen ordentlichen Wohnsitz seit mindestens 10 Jahren ununterbrochen im Gebiet der Republik Österreich hatte, und auch die sonstigen Voraussetzungen des § 10 StbG vorlagen, hätte die Behörde das Aufenthaltsverbot überhaupt nicht erlassen dürfen. Der Straftatbestand des § 130 StGB (Bandendiebstahl) ist mit einer Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren bedroht, sodaß auch der Ausnahmetatbestand des § 20/2, 2. Fall FremdG 1992 (Aufenthaltsverbot nach § 18/2, Ziff. 1 FrG) nicht zur Anwendung kommt".
2.2. Damit verkennt die Beschwerde die Rechtslage. Der für die im Grunde des § 20 Abs. 2 FrG gebotene Beurteilung, ob die Verleihungsvorraussetzungen des § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG) gegeben sind, entscheidende Zeitpunkt ("vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes") ist jener, der unmittelbar vor der letzten Bestrafung des Beschwerdeführers gelegen ist. Erst mit dieser - jedenfalls nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes erfolgten - Bestrafung (ob es sich hiebei um eine der vier Bestrafungen wegen unerlaubten Aufenthaltes oder um die Bestrafung wegen Übertretung des § 4 Abs. 5 StVO handelt, ist unerheblich), die nach dem oben II.1.3. Gesagten ebenso wie die anderen nach Verhängung des Aufenthaltsverbotes ergangenen Bestrafungen bei der Entscheidung nach § 26 FrG mitzuberücksichtigen ist, war der für die Frage des Wegfalls der Gründe für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgebliche Sachverhalt verwirklicht. Unmittelbar vor Verwirklichung des solcherart konstituierten maßgeblichen Sachverhaltes aber stand der Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer die Nichterfüllung der Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 2 lit. a, 5 und 6 StbG entgegen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 1. Dezember 1994, Zl. 94/18/0486).
3. Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
Schlagworte
Maßgebende Rechtslage maßgebender SachverhaltEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994180814.X00Im RIS seit
20.11.2000