TE Vwgh Erkenntnis 1995/3/14 94/20/0650

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Veröffentlicht am 14.03.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §11;
AsylG 1991 §16;
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §60;
FlKonv Art1 AbschnB;
FlKonv Art33;
FlKonv Art43;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. I, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. April 1994, Zl. 4.300.607/8-III/13/94, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG erlassenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. April 1994 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Bangladesh, der am 17. August 1990 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 21. August 1990 den Asylantrag gestellt hat, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 28. März 1991, mit dem festgestellt worden war, daß bei ihm die Voraussetzungen für seine Anerkennung als Flüchtling nicht vorlägen, abgewiesen und ausgesprochen, Österreich gewähre dem Beschwerdeführer kein Asyl.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien hat ihren

negativen Feststellungsbescheid damit begründet, daß dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft (im Sinn des § 1 Asylgesetz (1968) in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) nicht zukomme.

Der Beschwerdeführer hat in seiner dagegen erhobenen Berufung diese Beurteilung der Erstbehörde bekämpft und Gründe dargelegt, warum ihm die Flüchtlingseigenschaft bzw. Asylgewährung dennoch hätte zuerkannt werden müssen.

Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer, ohne sich mit seiner Flüchtlingseigenschaft auseinanderzusetzen, lediglich deshalb kein Asyl gewährt, weil sie der Ansicht war, daß bei ihm der Asylausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 gegeben sei, wonach einem Flüchtling kein Asyl gewährt wird, wenn er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war. Sie stützte sich dabei auf die Angaben des Beschwerdeführers anläßlich seiner Erstbefragung am 27. August 1990, aus denen hervorgehe, er sei vor seiner Einreise nach Österreich in der britischen Kronkolonie Hongkong sowie in der Volksrepublik China aufhältig gewesen und folgerte aus diesen Aufenthalten, der Beschwerdeführer sei bereits dort vor Verfolgung sicher gewesen, weshalb die Asylgewährung ausgeschlossen sei.

Der Beschwerdeführer bekämpft nun die im angefochtenen Bescheid hinsichtlich seiner "Verfolgungssicherheit" getroffenen Annahmen und wirft der belangten Behörde insoweit vor, ihre Verpflichtung zur Ermittlung des vollständigen entscheidungswesentlichen Sachverhaltes und das Parteiengehör verletzt zu haben. Insbesondere habe die belangte Behörde nicht geprüft, warum der Beschwerdeführer Hongkong und die Volksrepublik China nach jeweils nur kurzem Aufenthalt hätte wieder verlassen "müssen", obwohl es ihre Aufgabe gewesen wäre, festzustellen, "welcher Sachverhalt der Ausreise oder Abschiebung des Beschwerdeführers aus diesen Ländern zugrunde lag". Tatsächlich komme es auch nicht darauf an, ob ein Land Mitglied der Genfer Konvention sei oder nicht, sondern ob der Asylwerber in diesem Lande mit weiterer Verfolgung oder Auslieferung in das Heimatland hätte rechnen müssen.

Diese Ausführungen sind nach Maßgabe der den Beschwerdeführer im Verfahren treffenden Mitwirkungspflicht ausreichend konkretisiert, um die Wesentlichkeit der der belangten Behörde unterlaufenen Verletzungen von Verfahrensvorschriften (Parteiengehör, Ermittlungs- und Begründungspflicht) zu erkennen. Die Mitwirkungspflicht der Partei geht nicht so weit, daß sich die Behörde ein ordnungsgemäßes Verfahren ersparen könnte, zu dessen Durchführung sie verpflichtet ist. Der Mitwirkungspflicht kommt vielmehr dort Bedeutung zu, wo es der Behörde nicht möglich ist, von sich aus und ohne Mitwirkung der Partei tätig zu werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 1995, Zl. 94/19/0413). Dies trifft auf die im allgemeinen in der Kronkolonie Hongkong und der Volksrepublik China beobachtete Vorgangsweise betreffend den Schutz von Flüchtlingen vor Rückschiebung in ihren Heimatstaat nicht zu. Die Pflicht eines Beschwerdeführers zur Darlegung der Wesentlichkeit von Verfahrensmängeln vor dem Verwaltungsgerichtshof geht nicht weiter als seine Mitwirkungspflicht im Verwaltungsverfahren gegangen wäre, hätte die belangte Behörde die Verfahrensvorschriften beachtet (vgl. nochmals das zitierte Erkenntnis vom 26. Jänner 1995).

Der Beschwerdeführer hat seine Behauptungen zwar erstmals in seiner Beschwerde aufgestellt, doch wurde ihm im Verwaltungsverfahren - in dem die Erstbehörde diesen Asylausschließungsgrund nicht herangezogen hat - nicht Gelegenheit geboten, zur Frage der Verfolgungssicherheit Stellung zu nehmen, weshalb seiner Rüge, es lägen insoweit Verfahrensverletzungen vor, berechtigt ist und sein in der Beschwerde erstattetes Vorbringen nicht gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG verstößt.

Die belangte Behörde hat aber dadurch, daß sie den angefochtenen Bescheid ohne Vorliegen von - unter dem Blickwinkel der Beschwerdeausführungen - entsprechenden Ergebnissen eines unter Wahrung des Parteiengehörs durchgeführten Ermittlungsverfahrens erlassen hat, diesen mit wesentlichen Verfahrensmängeln belastet. Da somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht im Rahmen des gestellten Begehrens auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994200650.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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