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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Blaschek und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des A in S, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 31. März 1994, Zl. 4.343.772/1-III/13/93, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers, eines irakischen Staatsangehörigen, der am 10. Dezember 1993 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 16. Dezember 1993 den Asylantrag gestellt hatte, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 21. Dezember 1993, mit dem sein Asylantrag abgewiesen worden war, ab.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die belangte Behörde begründete ihre - abweisliche - Entscheidung, ohne sich mit der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers gemäß § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991, wie dies das Bundesasylamt noch getan hatte, auseinanderzusetzen, lediglich damit, der Beschwerdeführer sei vor seiner Einreise in das Bundesgebiet in Rumänien und Bulgarien bereits im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 vor Verfolgung sicher gewesen, wobei es im wesentlichen die zur Frage der "Verfolgungssicherheit" ergangene verwaltungsgerichtliche Judikatur richtig erkannt hat. Selbst wenn daher der Beschwerdeführer als Flüchtling im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 anzusehen wäre, wäre ihm Asyl zu versagen, wenn dieser Ausschließungsgrund vorliegt.
Der Beschwerdeführer bringt in seiner Beschwerde zur Frage der "Verfolgungssicherheit" vor, ihm sei zum Zeitpunkt seiner Einreise nach Österreich nicht einmal der detaillierte Fluchtweg bekannt gewesen, er habe daher auch nicht gewußt, daß die Reise durch Bulgarien und Rumänien gehen sollte. Darüber hinaus habe es die belangte Behörde unterlassen, Erhebungen und Beweisaufnahmen dahingehend durchzuführen, ob und inwieweit für einen irakischen Staatsbürger in Rumänien und Bulgarien überhaupt Verfolgungssicherheit gegeben gewesen wäre. Tatsächlich hätte dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückschiebung die sofortige "Weiterschiebung" gedroht. Letztendlich wäre er wiederum im Irak gelandet, wo er mit schwersten persönlichen Nachteilen und Verfolgungshandlungen zu rechnen gehabt hätte. Der angefochtene Bescheid zeige, daß bei der von der belangten Behörde angewandten Auslegung der Verfolgungssicherheit in einem Drittstaat mit größter Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen hätte werden müssen, daß er über verschiedene Länder letztendlich bis in den Irak zurückgeschoben worden wäre, ohne daß die inhaltlichen Gründe seines Asylantrages jemals geprüft worden wären.
Diese Ausführungen sind nach Maßgabe der den Beschwerdeführer im Verfahren treffenden Mitwirkungspflicht ausreichend konkretisiert, um in Bestreitung der von der belangten Behörde herangezogenen Annahme der Verfolgungssicherheit in Rumänien und Bulgarien die Wesentlichkeit der der belangten Behörde unterlaufenen Verletzungen von Verfahrensvorschriften (insbesondere Parteiengehör, Ermittlungs- und Begründungspflicht) zu erkennen. Dabei geht die Mitwirkungspflicht der Parteien nicht so weit, daß sich die Behörde ein ordnungsgemäßes Verfahren ersparen könnte, zu dessen Durchführung sie (hier gemäß §§ 39, 45, 60 AVG in Verbindung mit §§ 16 und 20 Asylgesetz 1991) verpflichtet ist. Insbesondere dort könnte der Mitwirkungspflicht der Partei Bedeutung zukommen, wo es der Behörde ansonsten nicht möglich ist, von sich aus und ohne Mitwirkung der Partei tätig zu werden. Dies trifft aber auf die im allgemeinen in Rumänien und Bulgarien beobachtete Vorgangsweise betreffend den Schutz von Flüchtlingen vor Rückschiebung in ihren Heimatstaat keineswegs zu. Die Pflicht eines Beschwerdeführers zur Darlegung der Wesentlichkeit von Verfahrensmängeln vor dem Verwaltungsgerichtshof geht aber auch nicht weiter als eine Mitwirkungspflicht im Verwaltungsverfahren gegangen wäre, hätte die belangte Behörde die Verfahrensvorschriften beachtet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 1995, 94/19/0413).
Das in der Beschwerde erstmals aufgestellte, jedoch vom Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG nicht umfaßte Vorbringen, reicht daher aus, die Wesentlichkeit der der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensmängel aufzuzeigen, könnte doch - würden diese Behauptungen zutreffen - nicht mehr ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß der Beschwerdeführer bereits in diesen Ländern vor Verfolgung sicher gewesen sei.
Da sohin Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994200337.X00Im RIS seit
20.11.2000