TE Vwgh Erkenntnis 1995/3/15 94/01/0189

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Veröffentlicht am 15.03.1995
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Index

L10012 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt Kärnten;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/10 Grundrechte;
19/05 Menschenrechte;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ABGB §27;
ABGB §863 Abs1;
ABGB §871 Abs1;
AVG §56;
B-VG Art116a Abs1;
B-VG Art116a Abs4;
B-VG Art119a Abs8;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art18 Abs1;
GdO Allg Krnt 1993 §100 Abs1;
GdO Allg Krnt 1993 §69 Abs1;
GdO Allg Krnt 1993 §81 Abs1;
GdO Allg Krnt 1993 §81 Abs3;
GdO Allg Krnt 1993 §82 Abs2;
GdO Allg Krnt 1993 §82 Abs3;
MRKZP 01te Art1 Abs1;
StGG Art5;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde

1.

der Stadtgemeinde Althofen, 2. der Marktgemeinde Brückl,

3.

der Marktgemeinde Eberstein, 4. der Stadtgemeinde Friesach,

5.

der Marktgemeinde Gurk, 6. der Marktgemeinde Guttaring,

7.

der Marktgemeinde Hüttenberg, 8. der Gemeinde Kappel am Krappfeld, 9. der Marktgemeinde Klein St. Paul, 10. der Gemeinde Liebenfels, 11. der Markgemeinde Metnitz, 12. der Gemeinde Mölbling, 13. der Gemeinde St. Georgen/Längsee,

              14.              der Stadtgemeinde Straßburg, 15. der Marktgemeinde Weitensfeld-Flattnitz, 16. der Gemeinde Glödnitz und 17. der Gemeinde Deutsch-Griffen,

alle vertreten durch den jeweiligen Bürgermeister,

diese vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 14. Jänner 1994, Zl. 3-Gem-2185/2/93, betreffend Vereinbarung des Austrittes einer Gemeinde aus der Verwaltungsgemeinschaft St. Veit an der Glan, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführenden Gemeinden haben dem Land Kärnten insgesamt Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit der von der Kärntner Landesregierung mit Bescheid vom 7. September 1981 genehmigten Vereinbarung gründeten die Gemeinden des politischen Bezirkes St. Veit/Glan gemäß § 71 der Allgemeinen Gemeindeordnung - AGO, LGBl. für Kärnten Nr. 1/1966 in der Fassung des Landesgesetzes LGBl. Nr. 10/1979, eine Verwaltungsgemeinschaft zur Erfüllung einzelner gemeindlicher Verwaltungsaufgaben. Diese Vereinbarung sah keine Möglichkeit eines Austrittes einer Gemeinde aus der Verwaltungsgemeinschaft vor. Mit Schreiben vom 24. Juli 1991 wies die Kärntner Landesregierung darauf hin, daß § 81 Abs. 2 AGO, LGBL. für Kärnten Nr. 8/1982, die Mindestanforderungen für Vereinbarungen von Verwaltungsgemeinschaften festlege und darunter die Regelung falle, wie der Austritt einer Gemeinde aus der Verwaltungsgemeinschaft zu erfolgen habe. Die Verwaltungsgemeinschaft wurde daher aufgefordert, die Vereinbarung entsprechend zu ändern bzw. zu ergänzen. Daraufhin legten die Gemeinden der Verwaltungsgemeinschaft St. Veit/Glan der Landesregierung den Entwurf einer "Änderung" der Vereinbarung vor, nach der in einem ergänzten § 23a bestimmt wurde, daß für den Austritt aus der Verwaltungsgemeinschaft § 23 Abs. 1 zweiter Satz leg. cit. sinngemäß gelte. In § 23 Abs. 1 zweiter Satz der Vereinbarung war vorgesehen, daß Beschlüsse des Verwaltungsausschusses über eine Auflösung der Verwaltungsgemeinschaft mit Zweidrittelmehrheit der Stimmen der in beschlußfähiger Zahl anwesenden Stimmberechtigten zu beschließen seien und der Genehmigung der Landesregierung bedürften. Mit Schriftsatz vom 16. September 1991 teilte die Kärntner Landesregierung der Verwaltungsgemeinschaft St. Veit/Glan mit, "daß die in Aussicht genommene Ergänzung der gegenständlichen do. Vereinbarung hinsichtlich eines allfälligen Austrittes aus der VG ha. zur Kenntnis genommen wird". Am 5. Dezember 1991 beschloß der Verwaltungsausschuß in Abwesenheit von 4 Bürgermeistern die "Änderung" der Vereinbarung im Hinblick auf § 23a mit einer Gegenstimme, die vom Bürgermeister der Gemeinde Frauenstein abgegeben wurde. Die so beschlossene "Änderung" der Vereinbarung der Verwaltungsgemeinschaft St. Veit/Glan wurde der Landesregierung nicht zur Genehmigung gemäß § 81 Abs. 3 AGO 1982 vorgelegt.

Mit dem angefochtenen Bescheid hob die Kärntner Landesregierung, gestützt auf § 100 Abs. 1 der Allgemeinen Gemeindeordnung 1993, LGBl. Nr. 77/1993 (Wiederverlautbarung der Allgemeinen Gemeindeordnung 1982, im folgenden: AGO 1993), den am 5. Dezember 1991 in der Verwaltungsausschußsitzung beschlossenen § 23a der Vereinbarung wegen Gesetzwidrigkeit auf. Es sei im Hinblick auf § 82 AGO 1993 unzulässig, den Austritt von einem Beschluß der in der Verwaltungsgemeinschaft verbleibenden Gemeinden abhängig zu machen. Gemäß § 82 Abs. 2 leg. cit. sei in einer Vereinbarung über eine Verwaltungsgemeinschaft zwingend eine Regelung über den Austritt aus der Verwaltungsgemeinschaft vorzusehen. Weder die AGO 1982 noch die AGO 1993 enthielten darüber nähere Bestimmungen, wie eine solche Regelung auszusehen habe. Keinesfalls dürfe jedoch vorgesehen werden, daß der vom Gesetz her an sich vorgesehene Austritt einer Gemeinde durch Beschluß der verbleibenden Gemeinden verhindert werden könnte. Da § 82 AGO 1993 den Austritt einer Gemeinde aus der Verwaltungsgemeinschaft nur mit Genehmigung der Landesregierung vorsehe und diese Genehmigung zu erteilen sei, wenn durch den Austritt die Möglichkeit der gemeinsamen Besorgung der Geschäfte der beteiligten Gemeinden nicht in Frage gestellt sei, stehe in der Vereinbarung nur ein Regelungsspielraum im Zusammenhang mit dem Austritt in bezug auf die Vermögensauseinandersetzung, bestimmte Austrittsfristen oder die Vorschrift, der Austritt sei nicht zur Unzeit möglich, zur Verfügung. § 23a der Vereinbarung finde daher in § 81 AGO 1993 keine Deckung und sei daher gesetzwidrig. Gemäß § 100 Abs. 1 AGO 1993 könnten außer in den Fällen der §§ 95 bis 99 leg. cit. rechtskräftige Bescheide, Beschlüsse und sonstige Maßnahmen von Gemeindeorganen, die den Wirkungsbereich der Gemeinde überschreiten oder Gesetze oder Verordnungen verletzen, von der Aufsichtsbehörde von Amts wegen oder auf Antrag aufgehoben werden. Da die Verwaltungsgemeinschaft gemäß § 81 Abs. 1 zweiter Satz AGO 1993 und § 1 Abs. 3 der Vereinbarung keine Rechtspersönlichkeit besitze und stets nur im Namen der Gemeinde handle, deren Geschäfte sie besorge, und die Regelung des § 23a der Vereinbarung von allen Gemeindeorganen der Gemeinden der Verwaltungsgemeinschaft zum Beschluß erhoben worden sei, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Die Gemeinden der Verwaltungsgemeinschaft St. Veit/Glan mit Ausnahme der Gemeinden Frauenstein und Micheldorf und der Stadtgemeinde St. Veit/Glan erhoben gegen diesen Bescheid Beschwerde und machten Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, die Verwaltungsakten vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Gemäß § 81 Abs. 1 AGO 1993 können Gemeinden zum Zwecke der sparsameren und zweckmäßigeren Besorgung gleichartiger Geschäfte des eigenen und des übertragenen Wirkungsbereiches bei Aufrechterhaltung ihrer Selbständigkeit die Bildung einer Verwaltungsgemeinschaft vereinbaren. Verwaltungsgemeinschaften haben keine Rechtspersönlichkeit, sie handeln stets nur im Namen der Gemeinde, deren Geschäfte sie besorgen. Die Vereinbarung hat gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle die Aufgaben der Verwaltungsgemeinschaft, das kollegiale Organ, welches zur Erfüllung dieser Aufgaben berufen ist, und den Vorstand des Amtes der Verwaltungsgemeinschaft zu bestimmen. Weiters ist darin festzustellen, in welchem Maß die Gemeinden für den Aufwand der Verwaltungsgemeinschaft aufzukommen haben, wie der Austritt aus der Verwaltungsgemeinschaft zu erfolgen hat, unter welchen Voraussetzungen und nach welchem Verfahren die Verwaltungsgemeinschaft aufzulösen ist. Die Vereinbarung bedarf gemäß § 81 Abs. 3 AGO 1993 der Genehmigung der Landesregierung. Die Genehmigung ist gemäß § 81 Abs. 3 AGO 1993 zu erteilen, wenn die Vereinbarung nach ihrem Zweck den Bestimmungen dieses Gesetzes entspricht. Gemäß § 82 leg. cit. bedarf auch der Austritt einer Gemeinde aus der Verwaltungsgemeinschaft der Genehmigung der Landesregierung. Diese ist zu erteilen, wenn durch den Austritt der Gemeinde die Möglichkeit der gemeinsamen Besorgung der Geschäfte der beteiligten Gemeinden nicht in Frage gestellt ist.

Die beteiligten Parteien gehen davon aus, daß die in Frage stehende Änderung der Vereinbarung im Sinne des § 81 Abs. 3 AGO 1993 bzw. davor § 81 Abs. 3 AGO 1982 von der Kärntner Landesregierung genehmigt wurde und daher wirksam ist. Demgegenüber ist festzustellen, daß eine solche Genehmigung der Satzung vom 5. Dezember 1991 nicht vorliegt. Es ist vielmehr der angefochtene Bescheid dahin zu deuten, daß er - materiell betrachtet - die Nichtgenehmigung der Änderung der Vereinbarung vom 5. Dezember 1991 durch die Landesregierung darstellt. Die vor der Beschlußfassung am 5. Dezember 1991 erfolgte Zurkenntnisnahme des Entwurfes der "Änderung" der Vereinbarung durch die Landesregierung kann schon allein deshalb nicht als Genehmigung der Landesregierung gemäß § 82 Abs. 3 AGO 1993 qualifiziert werden, weil diese Bestimmung zweifellos davon ausgeht, daß die zu genehmigende Vereinbarung zeitlich vor der Genehmigung der Landesregierung von den Gemeinden beschlossen worden sein muß. Abgesehen davon steht einer anderen Deutung entgegen, daß sowohl nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 1970, Zl. 407/70) als auch der des Verfassungsgerichtshofes (vgl. insbesondere dessen Beschluß vom 7. Juni 1974, Slg. Nr. 7294) und auch der Lehre (vgl. Gallent, Genehmigungsvorbehalt, in Fröhler - Oberndorfer, Das Österreichische Gemeinderecht, Pkt. 3.14.12, S. 26) die Genehmigung der Landesregierung im aufsichtsbehördlichen Verfahren in Bescheidform zu erfolgen hat.

Weiters ist die Frage zu klären, ob die "Änderung" der Vereinbarung über die Bildung der Verwaltungsgemeinschaft, die in der Verwaltungsausschußsitzung vom 5. Dezember 1991 beschlossen wurde, wirksam zustandegekommen ist. Eine Vereinbarung zur Bildung einer Verwaltungsgemeinschaft gemäß § 81 AGO 1993 bedarf, da diesbezüglich nichts ausdrücklich vorgesehen ist, im Hinblick auf den Terminus "Vereinbarung" der Zustimmung aller an der Verwaltungsgemeinschaft beteiligten Gemeinden. Dies muß mangels einer anderen ausdrücklichen gesetzlichen Regelung auch für jede Änderung einer solchen Vereinbarung gelten, weil damit etwas geändert wird, was voraussetzungsgemäß nur einvernehmlich zustandekommen kann. Das Erfordernis des für die Bildung einer Verwaltungsgemeinschaft nötigen Einvernehmens könnte bei anderer Auffassung weitgehend ausgehöhlt werden.

Die vorliegende "Änderung" der Vereinbarung wurde im Verwaltungsausschuß, der sich gemäß § 5 der Vereinbarung aus den Bürgermeistern der beteiligten Gemeinden oder aus den von diesen auf die Dauer des Gemeindewahlabschnittes zu bestellenden ständigen Vertretern zusammensetzt, beschlossen. Vier Bürgermeister, nämlich jene von Liebenfels, Eberstein, Gurk und Glödnitz, nahmen an dieser Verwaltungsausschußsitzung nicht teil. Von den erschienenen Bürgermeistern stimmte der Bürgermeister der Gemeinde Frauenstein der "Änderung" der Vereinbarung nicht zu. Nach der Regelung in der Vereinbarung über die Aufgaben des Verwaltungsausschusses (§ 11 der Vereinbarung) ergibt sich - was gesetzlich auch keine Deckung hätte - keine Befugnis des Verwaltungsausschusses zu einer solchen Beschlußfassung.

Die in diesem Zusammenhang von den beschwerdeführenden Gemeinden vertretene Auffassung für eine Änderung einer Vereinbarung über die Bildung der Verwaltungsgemeinschaft seien die Zustimmungserklärungen sämtlicher Bürgermeister ausreichend, wird geteilt, da sie nach § 69 Abs. 1 AGO 1993 die Gemeinde nach außen vertreten. Auch in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wird die Ansicht vertreten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Juni 1981, Slg. Nr. 10479/A), daß es bei Vorliegen einer unbeschränkten Vertretungsbefugnis eines Organes einer juristischen Person nach außen zur Wirksamkeit der Handlungen eines solchen Vertreters für die juristische Person nicht der Einhaltung der allfällig geltenden internen Willensbildungsvorschriften bedarf. Die in der Literatur vertretene, nicht weiter begründete, im Vorverfahren des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens den Parteien vorgehaltene Meinung (siehe Havranek - Unkart, Gemeinden und Gemeindeverbände, in Fröhler - Oberndorfer, Das österreichische Gemeinderecht, Pkt. 3.3.7.1.3., S. 48 f), daß übereinstimmende Gemeinderatsbeschlüsse für eine solche Vereinbarung erforderlich wären, kann angesichts der positiven Rechtslage in Kärnten (siehe insbesondere § 69 Abs. 1 AGO 1993) nicht geteilt werden. Im Hinblick darauf aber, daß die in Rede stehende "Änderung" der Vereinbarung in der erwähnten Verwaltungsausschußsitzung in Abwesenheit von vier Bürgermeistern und mit der Gegenstimme eines anwesenden Bürgermeisters beschlossen worden ist, kann nicht davon ausgegangen werden, daß alle an der Verwaltungsgemeinschaft beteiligten Bürgermeister der verfahrensgegenständlichen "Änderung" zugestimmt haben.

Die beschwerdeführenden Gemeinden wenden in diesem Zusammenhang auch ein, daß alle Vertragsparteien (auch die Gemeinde Frauenstein) nach der Beschlußfassung über die "Änderung" vom 5. Dezember 1991 davon ausgegangen wären, daß die "Änderung" wirksam beschlossen worden sei. Auch die überstimmte Gemeinde Frauenstein habe in der Folge die neu eingefügte Austrittsregelung anerkannt. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Die beschwerdeführenden Gemeinden bestreiten gar nicht, daß die "Änderung" einer Vereinbarung über die Bildung einer Verwaltungsgemeinschaft einer übereinstimmenden Vereinbarung aller beteiligten Gemeinden bedurft hätte. Eine übereinstimmende Vereinbarung sämtlicher Bürgermeister der beteiligten Gemeinden ist in der Sitzung des Verwaltungsausschusses vom 5. Dezember 1991 aber nicht zustandegekommen. Der Umstand, daß von allen beteiligten Gemeinden angenommen wurde, daß der Verwaltungsausschuß eine "Änderung" der Vereinbarung beschließen könne, bewirkt keinesfalls, daß dem Verwaltungsausschuß auch tatsächlich eine solche Befugnis zukommt. Gemäß dem bereits erwähnten § 11 der Vereinbarung hat der Verwaltungsausschuß keine solche Befugnis. Ist aber davon auszugehen, daß die "Änderung" der Vereinbarung, deren Aufhebung der angefochtene Bescheid vorsieht, nicht wirksam zustandegekommen ist, kann der Aufhebung dieser "Änderung" keine normative Wirkung zukommen, sodaß die beschwerdeführenden Gemeinden dadurch nicht in Rechten verletzt worden sind. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Angemerkt wird, daß der Verwaltungsgerichtshof die von den Beschwerdeführerinnen gegen § 82 Abs. 2 und § 100 AGO 1993 aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Bedenken nicht teilt. Soweit sich diese Bedenken gegen das Kriterium der Genehmigung eines allfälligen Austrittes einer Gemeinde nach § 82 Abs. 2 AGO 1993 richten, ist festzustellen, daß der Gesetzgeber gemäß Art. 119a Abs. 8 B-VG einzelne von der Gemeinde im eigenen Wirkungsgereich zu treffende Maßnahmen von einer Genehmigung der Aufsichtsbehörde abhängig machen darf, wenn durch die Maßnahme auch überörtliche Interessen im besonderen Maß berührt werden. Der Austritt einer Gemeinde aus einer Verwaltungsgemeinschaft berührt ohne Frage in diesem Sinne auch überörtliche Interessen. Mit diesem Genehmigungskriterium, nach dem die gemeinsame Besorgung der Geschäfte der Verwaltungsgemeinschaft durch den Austritt nicht in Frage gestellt werden darf, wollte der Landesgesetzgeber offensichtlich von vorneherein einen längeren Bestand einer einmal gegründeten Verwaltungsgemeinschaft sichern. Über diese Konsequenzen können und müssen sich die an einer Verwaltungsgemeinschaft teilnehmenden Gemeinden, die sich FREIWILLIG daran beteiligen, im klaren sein. Sofern eine Gemeinde diese Konsequenzen nicht auf sich nehmen will, steht es ihr jederzeit frei, an einer solchen Verwaltungsgemeinschaft nicht teilzunehmen.

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes ist § 82 Abs. 2 leg. cit. auch als ausreichend bestimmt zu qualifizieren. Vom Zweck der Regelung her ist erschließbar, daß die gemeinsame Besorgung DER im Fall des Austrittes einer oder mehrerer Gemeinden VERBLEIBENDEN Gemeinden in Frage gestellt sein muß. Das Kriterium des § 82 Abs. 2 AGO 1993 ist weiters in Verbindung mit § 81 Abs. 1 leg. cit. nach dem Zweck einer Verwaltungsgemeinschaft, nämlich einer sparsameren und zweckmäßigeren Besorgung gleichartiger Geschäfte des eigenen und des übertragenen Wirkungsbereiches, auszulegen. Die gemeinsame Besorgung der Geschäfte der Verwaltungsgemeinschaft gemäß § 82 Abs. 2 leg. cit. wird in Frage gestellt, wenn durch die Besorgung der Aufgaben durch die Verwaltungsgemeinschaft keine sparsamere und zweckmäßigere Besorgung gleichartiger Geschäfte des eigenen und übertragenen Wirkungsbereiches der verbleibenden Gemeinden mehr möglich bzw. fraglich ist.

Die Bedenken im Hinblick auf das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Eigentums sind schon deshalb unbegründet, weil die Regelung der Besorgung von Aufgaben der Gemeinden mittels Verwaltungsgemeinschaften nicht von diesem Grundrecht erfaßt ist, das vermögenswerte Privatrechte im Sinne des ABGB (siehe dazu die in Walter - Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechtes7, Rz. 1370, 1371, zitierte Judikatur des Verfassungsgerichtshofes) schützt. Abgesehen davon kann auch nicht von einer Zwangsmitgliedschaft der beteiligten Gemeinden an der Verwaltungsgemeinschaft gesprochen werden, da der Eintritt in die Gemeinschaft freiwillig erfolgt und jede teilnehmende Gemeinde in Kenntnis des § 82 Abs. 2 leg. cit. diese Einschränkung im Fall des Austrittes von vornherein auf sich nimmt.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt auch nicht die verfassungsrechtlichen Bedenken in bezug auf § 100 Abs. 1 AGO 1993. Sofern sich die Beschwerdeführerinnen dagegen wenden, daß Beschlüsse und "sonstige Maßnahmen" von der Aufsichtsbehörde unbefristet aufgehoben werden könnten, wird auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 11. März 1983, Slg. Nr. 9665, verwiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hält auch den Begriff "sonstige Maßnahmen" als im Sinne des Art. 18 Abs. 1 B-VG ausreichend bestimmt. Mit diesem Kriterium soll gesichert werden, daß die Gemeindeverwaltung im Bereich der Vollziehung von Landesrecht einer umfassenden Kontrolle unterliegt. Es werden damit, wie sich dies aus dem Wortlaut der Bestimmung ergibt ("Außer den Fällen der §§ 95 und 99 können rechtskräftige Bescheide sowie Beschlüsse oder sonstige Maßnahmen der Gemeindeorgane,....."), alle Akte von Gemeindeorganen, die nicht Bescheide, Verordnungen oder Beschlüsse sind, von diesem Ausdruck erfaßt (vgl. dazu auch Berchtold, Gemeindeaufsicht, in Fröhler - Oberndorfer, Das österreichische Gemeinderecht, Pkt. 3.14.5.3., S. 60, und Berchtold, Gemeindeaufsicht, 1972, 148).

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive Bescheide

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994010189.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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