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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VwGG §46 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der D-GmbH in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, ihr gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat IIIa, vom 11. November 1994, Zl 6/2-2219/93-11, betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 1990, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Dem Antrag wird gemäß § 46 Abs. 1 VwGG stattgegeben.
Begründung
Beim Verwaltungsgerichtshof langte am 30. Jänner 1995 ein Schriftsatz der Antragstellerin vom 27. Jänner 1995 ein, welcher unter Hinweis auf eine am 11. Jänner 1995 abgelaufene Beschwerdefrist sowohl einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als auch eine nachgeholte Beschwerde einschließlich eines Antrages, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, enthielt.
Zum Wiedereinsetzungsantrag wurde vorgebracht, die Berufungsentscheidung sei am 30. November 1994 zu Handen des steuerlichen Vertreters zugestellt worden. Die Antragstellerin habe beschlossen, eine Beschwerde zu erheben und ihren steuerlichen Vertreter beauftragt, ein Konzept hiefür abzufassen. Nach Zuleitung eines solchen Konzeptes am 16. Dezember 1994 sei zwischen dem steuerlichen Vertreter und dem Geschäftsführer der Antragstellerin am 19. Dezember 1994 vereinbart worden, dieses Konzept samt einem Auftrag zur Einbringung einer Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde an den Firmenanwalt weiterzuleiten. Noch am selben Tag habe der Geschäftsführer der Antragstellerin seiner Sekretärin den Brief an den Rechtsvertreter mit dem Auftrag diktiert, fristgerecht eine Beschwerde einzubringen. Eine telefonische Rücksprache erschien nicht geboten, da der Firmenanwalt mit der Angelegenheit seit Jahren vertraut gewesen sei. Da auf Grund eines Betriebsurlaubes vom 20. Dezember 1994 bis 8. Jänner 1995 das Büro der Antragstellerin nicht besetzt gewesen sei, habe der Geschäftsführer der Antragstellerin den Anwalt ersucht, bei Unklarheiten mit dem steuerlichen Vertreter Rücksprache zu halten. Dann habe der Geschäftsführer der Antragstellerin seiner Sekretärin den Auftrag erteilt, den Brief samt Konzept des steuerlichen Vertreters dem Anwalt zu übermitteln. Die Sekretärin habe den Brief verfaßt, Kopien des Briefes sowie der Beilagen hergestellt und das Schreiben dem Geschäftsführer zur Unterschrift vorgelegt. Anschließend habe sie den Brief kuvertiert, mit einem Einschreibzettel versehen und auf einen Stapel anderer, bereits fertiger Poststücke auf ihren Schreibtisch gelegt. In weiterer Folge habe ein anderer Mitarbeiter die Tagespost zum Postamt gebracht. Sowohl der Geschäftsführer der Antragstellerin als auch die Sekretärin seien daraufhin der Ansicht gewesen, alles Erforderliche getan zu haben, um eine rechtzeitige Einbringung der Beschwerde durch den Rechtsanwalt zu gewährleisten. Da die Sekretärin seit Jahren im Unternehmen der Antragstellerin beschäftigt und als außergewöhnlich sorgfältig und verantwortungsbewußt bekannt sei, sei es dem Geschäftsführer auch nicht geboten erschienen, extra Rücksprache zu halten, ob der Brief auch ordnungsgemäß zur Post gegangen sei. Eine Rücksprache wäre auch auf Grund des am 20. Dezember 1994 beginnenden Betriebsurlaubes und der urlaubsbedingten Abwesenheit aller Beteiligten gar nicht möglich gewesen. Der Geschäftsführer der Antragstellerin sei schließlich am 12. Jänner 1995, die Sekretärin erst wieder am 16. Jänner 1995 aus dem Urlaub in das Büro zurückgekehrt. Bei Durchsicht der Unterlagen auf ihrem Schreibtisch habe die Sekretärin dann den Brief, der eigentlich am 19. Dezember 1994 an den Rechtsanwalt hätte abgehen sollen, unter einem Stapel anderer Unterlagen entdeckt. Wie es passieren habe können, daß der Brief unter diesen Stapel geraten sei, habe nicht aufgeklärt werden können. Derartige oder ähnliche Vorfälle seien im Unternehmen der Antragstellerin noch nie vorgekommen. Sofern die Antragstellerin ein Verschulden an der Versäumung der Frist treffe, liege lediglich ein minderer Grad des Versehens vor. Das unvorhergesehene und unabwendbare Ereignis, wodurch die Antragstellerin an der fristgerechten Erstattung einer Beschwerde gehindert gewesen sei, sei erst am 16. Jänner 1995 weggefallen, sodaß der gegenständliche Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtzeitig sei.
Dem Antrag sind eidesstattliche Erklärungen des Geschäftsführers der Antragstellerin und der Sekretärin angeschlossen, in welchen diese Ausführungen jeweils aus der Sicht des Erklärenden bestätigt werden.
Ausgehend vom dargestellten Sachverhalt, den der Verwaltungsgerichtshof durch die vorgelegten Bescheinigungsmittel in ausreichender Weise als glaubhaft gemacht ansieht, erweist sich der gestellte Antrag aus folgenden Erwägungen als berechtigt:
Der bescheinigte Sachverhalt über das rechtzeitige Diktat des Schreibens an den Rechtsanwalt, die rechtzeitige Unterfertigung des Schreibens durch den Geschäftsführer der Antragstellerin, die rechtzeitige Kuvertierung dieses Schreibens samt dem Beschwerdekonzept des steuerlichen Vertreters durch eine verläßliche Kanzleikraft und die Ablage des zur Versendung bereit gemachten Poststückes auf einem Stapel anderer, in der Folge von einem anderen Mitarbeiter gesammelt zur Post gebrachter Sendungen zeigt, daß die Antragstellerin alles vorgekehrt hat, was typischerweise geboten war, um die Versendung des Poststückes an den mit der Beschwerdeverfassung beauftragten Rechtsanwalt zu gewährleisten. Der Umstand, daß das Poststück dennoch nicht zur Post gelangt ist, muß demnach als unvorhergesehen gelten, ohne daß ein gerechtfertigter Grund dafür erkennbar wäre, der Antragstellerin daran ein Verschulden in einem einen minderen Grad des Versehens übersteigenden Ausmaß zuzuschreiben.
Dem Antrag war somit stattzugegen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995130028.X00Im RIS seit
20.11.2000