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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
FinStrG §29 Abs3 litb;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell, über die Beschwerde des R in M, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 20. Dezember 1994, Zl. 6-6/S/6/1993/Ha, betreffend Einleitung eines Finanzstrafverfahrens, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und aus dem angefochtenen Bescheid ergibt sich nachstehender Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer reiste am 21. Mai 1993 aus Tschechien nach Österreich über das Zollamt Wullowitz ein. In seinem PKW befand sich ein Jagdgewehr der Marke "Blaser" K 77 lux UL Kal. 30 R mit einem Zielfernrohr der Marke "Schmidt & Binder", welches er beim Grenzübertritt nicht zur Verzollung stellte. Am 25. Mai 1995 um 13.19 Uhr erstattete er per Telefax Selbstanzeige an das Zollamt Wullowitz.
Mit Bescheid des Hauptzollamtes Linz als Finanzstrafbehörde erster Instanz vom 8. Juli 1993 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 83 Abs. 1 in Verbindung mit § 82 Abs. 1 und 3 FinStrG das Finanzstrafverfahren eingeleitet, weil der Verdacht bestünde, er habe am 21. Mai 1993 anläßlich der Einreise aus Tschechien nach Österreich über das Zollamt Wullowitz mit seinem PKW das oben genannte Jagdgewehr als eingangsabgabepflichtige Ware ausländischer Herkunft im Gesamtwert von S 54.000,-- (darauf entfallende Eingangsabgaben S 15.336,--), vorsätzlich unter Verletzung der im § 48 Zollgesetz 1988 normierten Stellungspflicht dem Zollverfahren entzogen und hierdurch das Finanzvergehen des Schmuggels nach § 35 Abs. 1 FinStrG begangen.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Sie ging davon aus, daß keiner der im § 82 Abs. 3 zweiter Satz genannten Gründe, kein Finanzstrafverfahren einzuleiten, vorliege; insbesondere werde die Strafbarkeit nicht durch eine rechtzeitige Selbstanzeige (§ 29 Abs. 3 FinStrG) aufgehoben.
Mit der vorliegenden Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht verletzt, daß die Einleitung eines Strafverfahrens gemäß § 82 Abs. 3 lit. c FinStrG unterbleibe.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 82 Abs. 3 zweiter Satz FinStrG hat die Finanzstrafbehörde von der Einleitung eines Strafverfahrens abzusehen, wenn (lit. c) der Verdächtige die ihm zur Last gelegte Tat nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, welche die Tat rechtfertigen, die Schuld des Täters ausschließen, oder die Strafbarkeit ausschließen oder aufheben.
Gemäß § 29 Abs. 1 FinStrG wird, wer sich eines Finanzvergehens schuldig gemacht hat, insoweit straffrei, als er seine Verfehlung der zur Handhabung der verletzten Abgaben oder Monopolvorschriften zuständigen Behörde oder einer sachlich zuständigen Finanzbehörde darlegt (Selbstanzeige). Gemäß Abs. 3 dieser Bestimmung tritt Straffreiheit nicht ein, wenn (lit. a) zum Zeitpunkt der Selbstanzeige Verfolgungshandlungen gemäß § 14 Abs. 3 FinStrG gegen den Anzeiger, gegen andere an der Tat Beteiligte oder gegen Hehler gesetzt waren, oder (lit. b) wenn zum Zeitpunkt der Selbstanzeige die Tat bereits ganz oder zum Teil entdeckt und dies dem Anzeiger bekannt war oder die Entdeckung einer Tat, durch die Zollvorschriften verletzt wurden, unmittelbar bevorstand und dies dem Anzeiger bekannt war.
Die gegebene Verdachtslage als Voraussetzung der Einleitung des Finanzstrafverfahrens ist unstrittig; der Beschwerdeführer stützt sich allein auf den besonderen Strafaufhebungsgrund der Selbstanzeige, deren Rechtzeitigkeit aber keineswegs feststeht.
Der Beschwerdeführer zeigt richtig auf, daß § 29 Abs. 3 lit. b FinStrG kumulativ zur Entdeckung bzw. unmittelbar bevorstehenden Entdeckung das Tatbestandsmerkmal erfordert, dem Anzeiger müsse dies bekannt gewesen sein (siehe auch Tanzer,
Die "Entdeckung der Tat" als Ausschlußgrund für eine strafbefreiende Selbstanzeige gemäß § 29 Abs. 3 FinStrG, ÖStZ 1993, 302ff.).
Hinsichtlich der Frage, ob dem Beschwerdeführer die Entdeckung der Tat vor der am 25. Mai 1995 um 13.19 Uhr erstatteten Selbstanzeige bekannt war, räumt auch der Beschwerdeführer ein, daß er um ca. 9.00 Uhr geschäftlich mit J.T. telefoniert hätte. J.T. hätte beiläufig erwähnt, daß er am 21. Mai 1993 bei seiner Einreise von den tschechischen Zöllnern gefragt worden sei, ob er ein Gewehr mitführe. J.T. habe dem Beschwerdeführer damals aber nicht mitgeteilt, daß von den Zollbeamten ein Protokoll aufgenommen worden wäre. Daher sei ihm nicht bekannt gewesen, daß seine Tat ganz oder zum Teil entdeckt worden sei oder die Entdeckung seiner Tat unmittelbar bevorstünde. Davon hätte er erst durch seine Einvernahme am 8. Juni 1993 Kenntnis erlangt. Demgegenüber stellte die belangte Behörde aufgrund der Aussage des J.T. vom 18. Juni 1993 fest:
"Tatsächlich konnte J.T. den Beschwerdeführer am Dienstag den 25.5.1993 zwischen 08.00 Uhr und 09.00 Uhr telefonisch erreichen und ihm von dem Vorfall Mitteilung machen, worauf ihm R sagte, daß er bereits alles wisse, er ihm nichts mehr erklären müsse und er die Sache in Ordnung bringen werde."
Ausgehend von dieser Aussage nahm die belangte Behörde an, daß dem Beschuldigten bereits vor dem Zeitpunkt der Selbstanzeige bekannt war, daß seine Tat entdeckt war bzw. ihre Entdeckung unmittelbar bevorstand.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hindert eine Selbstanzeige, deren strafbefreiende Wirkung nicht einwandfrei feststeht, die Einleitung eines Finanzstrafverfahrens nicht (siehe die Nachweise bei Fellner, Kommentar zum Finanzstrafgesetz, Lieferung März 1994, RZ 6 zu § 80-84 FinStrG; insbesondere hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1993, Zl. 93/15/0098). Eine abschließende Beurteilung der Frage, ob dem Beschwerdeführer (spätestens) bei dem Telefonat mit J.T. am 25. Mai 1993 zwischen 8.00 Uhr und 9.00 Uhr bekannt wurde, daß die Tat entdeckt war bzw. die Entdeckung der Tat unmittelbar bevorstand, muß dem im Sinne der §§ 114 ff FinStrG zu führenden Strafverfahren vorbehalten bleiben. Eine Selbstanzeige, deren strafbefreiende Wirkung schon im Rahmen jenes Prüfungsmaßstabes, der im Verfahren über die Einleitung des Finanzstrafverfahrens maßgeblich ist, einwandfrei festgestellt werden kann, lag im Beschwerdefall nicht vor.
Jedenfalls ließ schon der Inhalt der Beschwerde erkennen, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht gegeben ist, sodaß die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Der mit der Beschwerde verbundene Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist gegenstandslos.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995160065.X00Im RIS seit
20.11.2000