TE Vwgh Erkenntnis 1995/3/16 93/16/0012

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Veröffentlicht am 16.03.1995
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Index

27/03 Gerichtsgebühren Justizverwaltungsgebühren;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/07 Stempelgebühren Rechtsgebühren Stempelmarken;

Norm

BAO §115;
GebG 1957 §15 Abs1;
GebG 1957 §17 Abs2;
GebG 1957 §33 TP20;
GebG 1957 §33 TP21 Abs1 Z2 idF 1989/660;
GebG 1957 §33 TP21 Abs1 Z2;
GebG 1957 §33;
GGG 1984 TP1 Anm2;
GGG 1984;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell, über die Beschwerde der A Gesellschaft mbH in L, vertreten durch Dr. Z, Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 24. März 1992, Zl. 111/2-9/Nd-1992, betreffend Rechtsgebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin zeigte mit Schreiben vom 27. März 1991 dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Linz (im folgenden: Finanzamt) an, daß sie von Dkfm. G.O. deren Geschäftsanteil an der H.O. Geschäftsführungsgesellschaft m. b.H. zum Preis von S 7,000.000,-- erworben habe. Es sei am 31. Dezember 1990 ein Vergleich über die Abtretung beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien geschlossen worden. Dieser Vorgang werde wegen der Börsenumsatzsteuerpflicht dem Finanzamt zur Kenntnis gebracht.

In der Folge wurde die Vergleichsausfertigung 40 C 1516/90x des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien, datiert mit 31. Dezember 1990, vorgelegt. Diese Vergleichsausfertigung weist die Beschwerdeführerin als Klägerin und Antragsstellerin, Dkfm. G.O. als Beklagte und Antragsgegnerin aus. Der Vergleich lautet auszugsweise:

"Die Parteien haben am 31. Dezember 1990 folgenden

gerichtlichen

Vergleich

geschlossen:

Vergleich

über die Antretung eines Geschäftsanteiles

Erstens:

    Die H.O. Geschäftsführungsgesellschaft m.b.H. ... hat ein

zur Hälfte eingezahltes Stammkaptial von S 500.000,-- ...

Gessellschafter sind ... Frau Dkfm. G.O. mit einer zur Hälfte

eingezahlten Stammeinlage von S 50.000,-- ...

Viertens:

Frau Dkfm. G.O. verkauft und tritt ab einen Teil ihres Geschäftsanteiles ..., der einer zur Hälfte eingezahlten Stammeinlage von S 45.000,-- ... entspricht und die (Beschwerdeführerin) kauft und übernimmt diesen Geschäftsanteil.

Der Kaufpreis ist bereits berichtigt.

Die (Beschwerdeführerin) erwirbt diesen Geschäftsanteil mit allen Rechten und Pflichten, die Frau Dkfm. G.O. gegenüber der (Geschäftsführungsgesellschaft) sowie den Mitgesellschaftern zustehen bzw. obliegen.

Die (Beschwerdeführerin) wird die übernommene Stammeinlage bis 20. Feber 1991 voll einbezahlen. ...

Dieser Vergleich kann von der (Beschwerdeführerin) schriftlich widerrufen werden. Der schriftliche Widerruf hat bis spätestens 15. Februar 1991 bei Gericht einzulangen. Die (Beschwerdeführerin) kann auf den Widerruf schriftlich verzichten. Mit Einlangen des schriftlichen Widerrufsverzichtes ist das Widerrufsrecht erloschen."

Andere Bestandteile als die Vereinbarung über die Abtretung eines Geschäftsanteiles und die Widerrufsklausel enthält der Vergleich nicht.

Über Aufforderung des Finanzamtes wurde die Gesellschafterliste per 30. Dezember 1990 vorgelegt, die die Beschwerdeführerin mit einer übernommenen Stammeinlage von S 370.000,--, G.O. nur mehr mit einer Stammeinlage von S 5.000,-- ausweist.

Mit Bescheid vom 16. Oktober 1991 schrieb das Finanzamt für diese Abtretung gemäß § 33 TP. 21 Abs. 1 Z. 2 GebG eine Gebühr von 2 % der Bemessungsgrundlage (S 7,000.000,-- plus halben übernommenen Stammanteil, also S 22.500,--) mit S 140.550,-- vor. Gemäß § 21 Abs. 2 (gemeint wohl: § 33 TP. 21 Abs. 2) GebG gelte die beim Handelsgericht eingereichte Liste der Gesellschafter als Urkunde über das Rechtsgeschäft.

In ihrer dagegen erstatteten Berufung verwies die Beschwerdeführerin zunächst darauf, daß die Behörde zu Recht nicht auf den - ausdrücklich als "prätorisch" bezeichneten - Vergleich abgestellt habe, weil alle im Rahmen eines Gerichtsvergleiches abgeschlossenen Rechtsgeschäfte nur nach dem GGG zu beurteilen seien und nicht der Vergleichsgebühr nach dem Gebührengesetz unterlägen. Mit dem Gerichtsvergleich liege jene Urkunde vor, die in einer für das Entstehen der Gebührenschuld maßgeblichen Weise errichtet werde, sodaß die beim Handelsgericht eingereichte Liste keine Ersatzurkunde darstellen könne; es fehlten ihr wesentliche Bestandteile, um eine Urkunde über einen Abtretungsvertrag zu bilden.

Nach abweisender Berufungsvorentscheidung durch das Finanzamt gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid der Berufung keine Folge. Auch nach Auffassung der Berufungsbehörde unterlag der Gerichtsvergleich keiner Vergebührung, weshalb der Tatbestand der TP. 21 Abs. 2 GebG greife.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde mit Beschluß vom 29. September 1992, Zl. B 522/92, ab und trat sie antragsgemäß dem Verwaltunsgerichtshof ab. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Freiheit von Gebühren nach dem GebG in jedwedem Zusammenhang mit dem gerichtsgebührenpflichtigen Erwerb eines Geschäftsanteiles an der

H.O. Geschäftsführungs Ges.m.b.H. von Frau Dkfm. G.O. verletzt.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die Gegenschrfit der belangten Behörde vor; die Beschwerdeführerin erstattete eine Gegenäußerung.

Nach der Bestimmung des § 33 TP. 21 Abs. 1 Z. 2 GebG (in der hier anzuwendenden Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 1989, BGBl. Nr. 660, also vor Inkrafttreten der Novelle BGBl. Nr. 629/1994) unterlagen Zessionen (Abtretungen) von Anteilen an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung einer Rechtsgeschäftsgebührenhöhe von 2 v.H. vom Entgelt, mindestens aber vom Wert der Anteile.

Der Verwaltunsgerichtshof hat sich im Erkenntnis vom 18. November 1993, Zl. 93/16/0014 (veröffentlicht u.a. AnwBl 1994/4659, mit Glosse von Arnold) mit der Gebührenpflicht einer in die Form eines Gerichtsvergleiches gekleideten Abtretung eines Geschäftsanteiles einer Ges.m.b.H. befaßt. Er gelangte zum Ergebnis, daß unabhängig davon, ob überhaupt ein Vergleich - im Sinne einer unter beiderseitigem Nachgeben einverständlichen neuen Festlegung strittiger oder zweifelhafter Rechte - abgeschlossen oder ob nur der Geschäftsanteil einvernehmlich abgetreten wurde, die Aufnahme des Rechtsgeschäftes in einen gerichtlichen Vergleich der Gebührenpflicht dieses Rechtsgeschäftes nicht entgegensteht. Auf die Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG hingewiesen. Im Erkenntnis vom 6. Oktober 1994, Zl. 93/16/0091, welches die Pauschalgebühr nach dem GGG für einen in einem prätorischem Vergleich beurkundeten Abtretungsvertrag zum Gegenstand hatte, wurde unter Ablehnung der Anleitung W. Bruggers ("Abgabensparende Modelle beim Ges.m.b.H.-Anteilserwerb", ecolex 1991, 771 ff) darauf hingewiesen, daß die Rechtsgebühr durch die Vorschreibung der Gerichtsgebühr keineswegs "absorbiert" werde.

Der hier vorliegende Abtretungsvertrag als Grundlage der Vergebührung unterscheidet sich von dem im Erkenntnis vom 18. November 1993 entschiedenen Fall allein dadurch, daß hier kein Abtretungspreis genannt ist. Der die Gebührenpflicht auslösende Tatbestand ist aber bereits dann erfüllt, wenn nur EINE Vertragspartei im Stande ist, mit der Urkunde den Beweis des ihr zustehenden Anspruches zu führen; ein Schriftstück ist nur dann eine Urkunde i.S.d. § 15 Abs. 1 GebG, wenn sie Angaben über Art und Umfang wenigstens EINES durch das Rechtsgeschäft begründeten Anspruches enthält, der sich gegen eine Partei richtet, die das Schriftstück unterzeichnet hat (Frotz-Hügel-Popp, Kommentar zum Gebührengesetz, B II 1 b dd und B II 1 d zu §§ 15 bis 18 GebG). Im vorliegenden Vergleich wird der Leistungsgegenstand einer Vertragspartei - die Abtretung eines Teiles des Gesellschaftsanteiles der Dkfm. G.O. - genau bestimmt; durch die Nichtanführung des Abtretungspreises wird die Urkunde bloß unvollständig, aber keineswegs undeutlich i.S.d. § 17 Abs. 2 GebG, weshalb die nicht beurkundeten Umstände in einem Ermittlungsverfahren (§ 115 BAO) festzustellen sind (Frotz-Hügel-Popp aaO, B V 2 d zu §§ 15 bis 18 GebG; Fellner, Stempel- und Rechtsgebühren5, E 59 zu § 17 GebG).

Die Behörde konnte aufgrund der Angaben in der Anmeldung vom 27. März 1991 den Abtretungspreis mit S 7,000.000,-- feststellen. Diesem Betrag wurde richtig (siehe das hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 1989, Zl. 88/15/0032) die im Punkt 4. des Vergleiches über die Abtretung übernommene und nicht einbezahlte Stammeinlage zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage hinzugerechnet.

Da somit die belangte Behörde im Ergebnis zu Recht den Abtretungsvertrag einer Vergebührung unterzogen hat, erwies sich die Beschwerde als unbegründet, sodaß sie gemäß § 42 Abs. 2 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1993160012.X00

Im RIS seit

24.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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