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27 RechtspflegeNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Keine denkunmögliche oder willkürliche Verhängung einer Disziplinarstrafe über einen Rechtsanwalt wegen Unterlassung einer Abrechnung und Belastung eines Klienten mit überhöhten Kosten; keine Bedenken gegen §10 Abs2 RAO und §1 DSt 1990 (§2 DSt 1872)Spruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Erkenntnis des Disziplinarrates der Rechtsanwaltskammer Wien vom 12. Oktober 1990, Zl. D 253/87, wurde der beschwerdeführende Rechtsanwalt für schuldig befunden, das Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung sowie der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes dadurch begangen zu haben, daß er einer Mandantin in zwei Fällen "keine gehörige Abrechnung gelegt und dabei die Klientin um mit mindestens
S 30.000,-- überhöhten Kosten belastet" habe.
Von einem weiteren - nicht den Gegenstand dieses verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens bildenden - Vorwurf wurde der Beschwerdeführer freigesprochen. Er wurde zu einer Geldbuße von S 50.000,-- und zur anteiligen Tragung der Verfahrenskosten verurteilt.
2. Gegen diesen Bescheid erhoben sowohl der Beschwerdeführer als auch der Kammeranwalt Berufung. Mit Erkenntnis der Obersten Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (im folgenden: OBDK) vom 23. März 1992, wurde der Berufung des Beschuldigten nicht Folge gegeben; hingegen wurde der Berufung des Kammeranwaltes insoweit Folge gegeben, als der Strafausspruch auf S 75.000,-- abgeändert und der Beschuldigte zum Ersatz der anteiligen Verfahrenskosten erster Instanz sowie zum Ersatz der gesamten Kosten des Verfahrens in zweiter Instanz verurteilt wurde.
Die belangte Behörde führte zum ersten Vorwurf, nämlich daß der Beschwerdeführer keine gehörige Abrechnung gelegt habe, aus:
"Der Kernvorwurf, der Klientin keine gehörige Abrechnung gelegt zu haben, wird vom Rechtsmittel nicht bestritten, sondern ihm - wie schon im erstinstanzlichen Verfahren - der Einwand entgegengesetzt, (die Mandantin) habe sich für die ihr vom Beschuldigten angebotene Abrechnung gar nicht interessiert. Der Disziplinarrat habe dies unberücksichtigt gelassen, was einen Begründungsmangel darstelle.
Dem genügt es zu erwidern, daß im angefochtenen Erkenntnis ein derartiges Primärverhalten der (Mandantin) der Sache nach ausdrücklich eingeräumt (Seite 11 des Erkenntnisses), dem aber hinzugefügt wird, daß der Beschuldigte spätestens ab dem Zeitpunkt, als ihm die an den Kammerausschuß gerichtete Anfrage der (Mandantin) bekannt geworden war, anzunehmen hatte, daß seine vormalige Mandantin eine (detaillierte) Abrechnung begehrte. Wenn die Berufung in diesem Zusammenhang behauptet, (die Mandantin) habe sehr wohl volle Kenntnis über die vorliegenden Abrechnungen der beiden Rechtssachen gehabt, es sei bei ihr bereits am 28. Jänner 1986 volle Klarheit über den Modus der Sacherledigung gegeben gewesen, sie wäre ja sonst nicht am 11. Februar 1986 in der Kanzlei des Beschuldigten erschienen, vermag dies keine Zweifel an der erstinstanzlichen Beweiswürdigung und der darauf fußenden Konstatierung zu erwecken, die Anzeigerin habe keine detaillierte Abrechnung erhalten, eine solche sei erst im Zuge des Disziplinarverfahrens erfolgt (S 7 des Erkenntnisses). Denn abgesehen davon, daß die Einlassung des Berufungswerbers insoweit in sich widerspruchsvoll ist, als er einerseits behauptet, seine Mandantin habe eine Abrechnung gar nicht sehen wollen (Berufungsschrift Seite 5 oben) andererseits aber betont, sie habe sehr wohl 'volle Kenntnis' über die vorliegenden Abrechnungen gehabt (ebendort, Seite 5 unten), widerspräche es jeglicher Lebenserfahrung und wäre es absolut unschlüssig, daß sich (die Mandantin) bereits am 18. Februar 1986 mit einem Hilfsersuchen an die Rechtsanwaltskammer gewendet und in der Folge die aktenkundigen Erhebungen bei der Versicherungsanstalt unternommen hätte, wenn ihr der Beschuldigte in einer für sie verständlichen Weise - und das wäre bei der Unkompliziertheit beider Causen ganz einfach gewesen - die in ihrem Vollmachtsnamen erlangten Eingänge und die Höhe seiner Kosten klargelegt hätte.
Zusammenfassend ist daher zu sagen, daß die Berufungsausführungen keinerlei Bedenken an den zur Abrechnungsfrage getroffenen Feststellungen des Disziplinarrates zu erwecken vermochte."
Zum zweiten Vorwurf wird im bekämpften Bescheid ausgeführt:
"Schlüssig und überzeugend begründet sind aber auch jene Teile des Erkenntnisses, die sich detailliert mit den vom Beschuldigten im Zuge des Disziplinarverfahrens aufgeschlüsselten Kosten und damit befassen, weshalb diese Expensen nach Ansicht des Disziplinarrates überhöht sind. Da die Berufung diesbezüglich eine substantielle Befassung mit den einzelnen Positionen und insbesondere auch damit vermissen läßt, daß der Beschuldigte in beiden Causen - also sowohl in dem Verfahren beim Handelsgericht als auch bei den Verhandlungen mit der Schadensreferentin der Versicherung - exakte Kostenansprüche geltend gemacht und zugebilligt erhalten hatte, mangelt es an einer Grundlage für eine punktuelle sachbezogene Erörterung; dies gilt namentlich auch für die in der Berufung relevierte Diskrepanz zwischen der vom Untersuchungskommissär erstellten Aufschlüsselung und dem Inhalt des Erkenntnisses, weil auch hier auf die einläßlichen Darlegungen im angefochtenen Erkenntnis nicht weiter eingegangen wird.
Auf der Basis der - wie gezeigt - zutreffenden erstinstanzlichen Feststellungen erweist sich aber auch die rechtliche Beurteilung des Verhaltens des Beschuldigten als irrtumsfrei. Denn durch Unterlassung einer detaillierten Abrechnung, die dem Klienten eine nachvollziehbare lückenlose Aufklärung über für ihn vereinnahmte Beträge und die ihm angelasteten Anwaltskosten gewährt einerseits und durch Anlastung bedeutend überhöhter Kosten andererseits hat der Beschuldigte sowohl Berufspflichten (§§9 und 19 RAO) verletzt als auch Ehre und Ansehen des Standes gravierend beeinträchtigt."
3.1. Gegen diesen Bescheid der OBDK richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in welcher die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (den angewendeten Rechtsvorschriften sei ein gleichheitswidriger Inhalt unterstellt und es sei Willkür geübt worden) und auf Unversehrtheit des Eigentums sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.
3.2. Die OBDK als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher beantragt wird, der Beschwerde keine Folge zu geben.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1.1. Die Beschwerde behauptet, der angefochtene Bescheid stütze sich auf eine dem Gleichheitsgebot widersprechende Bestimmung; sie führt jedoch nicht weiter aus, gegen welche Bestimmung sich dieser Vorwurf richtet bzw. worin die behauptete Gleichheitswidrigkeit gelegen sein soll.
1.2. Der Verfassungsgerichtshof ist in ständiger Rechtsprechung von der Unbedenklichkeit des §10 Abs2 RAO und des §2 DSt 1872 (vgl. nunmehr §1 DSt 1990, BGBl. 474/1990) ausgegangen (VfSlg. 5967/1969, 7905/1976, 11776/1988, 12032/1989, VfGH 26.11.1991, B418/91). Auch aus der Sicht des vorliegenden Beschwerdefalles sind bei ihm keine Bedenken gegen diese Rechtsvorschriften entstanden. Der Beschwerdeführer ist deshalb nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
2.1. Bei der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen kann eine Gleichheitsverletzung nur vorliegen, wenn die belangte Behörde den angewendeten Rechtsvorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat (vgl. zB VfSlg. 10413/1985, 11682/1988).
2.2. Zwar wirft die Beschwerde der belangten Behörde beides vor, doch wird die Behauptung, es sei den angewendeten Rechtsvorschriften ein gleichheitswidriger Inhalt unterstellt worden, überhaupt nicht näher begründet, ja, es wird nicht einmal angedeutet, worin diese Gleichheitswidrigkeit erblickt werden könnte.
Das Beschwerdeverfahren hat nicht ergeben, daß diese Beschwerdebehauptung zuträfe.
2.3. Aber auch soweit das Vorliegen von Willkür behauptet wird, kritisiert der Beschwerdeführer überwiegend nur das Verhalten seiner früheren Mandantin.
Darüber hinaus führt die Beschwerde aus, die belangte Behörde habe sich mit der vom Beschwerdeführer im gesamten Disziplinarverfahren vorgebrachten Argumentation in willkürlicher Weise nicht auseinandergesetzt, der angefochtene Bescheid stehe wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch. Es sei manifest, daß die belangte Behörde eine entsprechende Ermittlungstätigkeit unterlassen habe und ihr aktenwidrige Feststellungen in einem entscheidenden Punkt, in Verbindung mit einem Ignorieren seines gesamten Vorbringens, vorzuwerfen seien. Die belangte Behörde habe dem Beschwerdeführer tatsachenwidrig und aktenwidrig unterstellt, daß er seine Mandantin mit jedenfalls mindestens S 30.000,-- überhöhten Kosten belastet habe, es handle sich jedoch tatsächlich lediglich um einen aufklärungsbedürftigen Betrag von S 18.608,40.
2.4. Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung; VfSlg. 10338/1985, 11213/1987).
All dies liegt hier offenkundig nicht vor. Daß die belangte Behörde die Rechtslage in einem entscheidenden Punkt verkannt hätte, begründet die Beschwerde nicht; auch das Beschwerdeverfahren hat nicht ergeben, daß dies der Fall wäre.
Zwar behauptet die Beschwerde formelhaft das Vorliegen von Verfahrensmängeln, übersieht dabei jedoch, daß nach der zitierten Rechtsprechung nur das Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder das Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt Willkür indiziert. Daß der belangten Behörde solches zu Recht vorgeworfen werden könnte, vermag die Beschwerde nicht darzutun. Vielmehr zeigen die Verwaltungsakten und der angefochtene Bescheid in Verbindung mit dem Bescheid der Behörde erster Rechtsstufe, daß dem angefochtenen Bescheid ein entsprechendes, aus verfassungsrechtlicher Sicht in keiner Weise zu beanstandenes Ermittlungsverfahren zugrundeliegt.
Aber auch der weitere Beschwerdevorwurf des Ignorierens des Parteivorbringens bzw. des Außerachtlassens des konkreten Sachverhaltes ist nicht begründet. Denn der bekämpfte Bescheid legt in Verbindung mit dem erstinstanzlichen, in allen Einzelheiten die als erwiesen angenommenen Fakten, die dafür maßgeblichen Beweismittel und die daraus gezogenen Schlußfolgerungen dar. Dem hält die Beschwerde nur entgegen, es habe sich "lediglich ein 'aufklärungsbedürftiger Betrag von S 18.608,40'", nicht jedoch von S 30.000,-- ergeben. Damit wird aber nur eine unrichtige Beweiswürdigung behauptet und nicht ein in die Verfassungssphäre reichender Fehler geltend gemacht. Ob aber der angefochtene Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen die Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. VfSlg. 8309/1978, 9454/1982, 9456/1982, 10565/1985, 10659/1985, VfGH 10.6.1991, B1176/89, VfGH 26.11.1991, B418/91).
2.5. Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz hat sohin nicht stattgefunden.
3. Das verfassungsgerichtliche Beschwerdeverfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.
4. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen (s. oben II.1.2.) ist es auch ausgeschlossen, daß er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurde.
5. Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
III. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4, erster Satz, und Z2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Rechtsanwälte, Disziplinarrecht RechtsanwälteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1992:B914.1992Dokumentnummer
JFT_10078799_92B00914_00