TE Vwgh Erkenntnis 1995/3/21 94/11/0404

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Veröffentlicht am 21.03.1995
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Index

90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KFG 1967 §66 Abs1;
KFG 1967 §66 Abs2 lite;
KFG 1967 §66 Abs3;
KFG 1967 §73 Abs1;
KFG 1967 §73 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde des W in K, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 25. August 1994, Zl. UVS 413.5-1/94-10, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.070,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug (in dritter Instanz) ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A und B gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 entzogen und gemäß § 73 Abs. 2 KFG 1967 ausgesprochen, daß ihm für die Dauer von fünf Jahren von der vorläufigen Abnahme des Führerscheines am 7. Oktober 1993 an keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde stützte die bekämpfte Entziehungsmaßnahme auf ein am 7. Oktober 1993 begangenes Alkoholdelikt. Der Beschwerdeführer habe ein Kraftfahrzeug mit einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,92 mg/l gelenkt; er war dadurch aufgefallen, daß er auf ein Gendarmeriedienstfahrzeug ziemlich rasch aufgefahren sei, die Lichthupe betätigt, das Dienstfahrzeug überholt habe und in Schlangenlinien weitergefahren sei. Die belangte Behörde berücksichtigte ferner ein im Jahr 1984 begangenes Alkoholdelikt, welches im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall mit tödlichen Folgen stand und zu einer Entziehung der Lenkerberechtigung für ein Jahr sowie zu einer unbedingten Freiheitsstrafe geführt hat, sowie ein im Jahr 1989 begangenes Alkoholdelikt, welches Anlaß zu einer Entziehung der Lenkerberechtigung wegen Fehlens der gesundheitlichen Eignung gegeben hatte. Der Beschwerdeführer war seit 3. Mai 1991 wiederum im Besitz einer Lenkerberechtigung.

Der Beschwerdeführer wendet sich nur gegen die Bemessung der Zeit nach § 73 Abs. 2 KFG 1967.

Vorauszuschicken ist, daß eine Entziehung der Lenkerberechtigung wegen Verkehrsunzuverlässigkeit (um eine solche handelt es sich im vorliegenden Fall) und die damit im Zusammenhang stehende Prognose über den frühesten Zeitpunkt der Wiedererlangung der Verkehrszuverlässigkeit zu erfolgen haben, ohne daß ein - psychologisches - Gutachten zu erstellen und den entsprechenden Beurteilungen zugrunde zu legen ist. Vorauszuschicken ist ferner, daß eine Entziehung der Lenkerberechtigung wegen körperlicher oder geistiger Nichteignung zwar für die im Zusammenhang mit der Beurteilung der Verkehrszuverlässigkeit einer Person zu beantwortenden Fragen nicht von Bedeutung ist, weil es sich dabei um zwei verschiedene Voraussetzungen für den Erwerb und Besitz einer Lenkerberechtigung handelt. Die Behörde kann und hat aber ein den Anlaß für eine solche Entziehung bildendes Alkoholdelikt, also eine strafbare Handlung im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967, in diesem Zusammenhang im Rahmen ihrer Wertung einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 3 KFG 1967 und bei der Bemessung der Zeit nach § 73 Abs. 2 KG 1967 heranziehen.

Der Beschwerdeführer ist somit nach den Feststellungen der belangten Behörde bisher dreimal in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand im Straßenverkehr als Lenker eines Kraftfahrzeuges in Erscheinung getreten. Alle diese Delikte sind durch zusätzliche Sachverhaltselemente gekennzeichnet: Der Vorfall im Jahr 1984 durch den vom Beschwerdeführer verschuldeten Tod eines anderen Verkehrsteilnehmers, das Alkoholdelikt vom Jahr 1989 durch die Feststellung, daß der Beschwerdeführer zum damaligen Zeitpunkt - offenbar wegen Alkoholmißbrauchs - nicht die erforderliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen hatte, sowie das zuletzt begangene Alkoholdelikt durch ein überaus auffallendes Fahrverhalten des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer ist damit nicht nur ein Rückfallstäter, sondern er bietet darüber hinaus auch das Bild einer Person, die weder durch schwere Strafen noch durch sonstige einschneidende Erfahrungen, noch durch bisher erfolgte Entziehungen der Lenkerberechtigung davon abzuhalten ist, abermals in alkoholisiertem Zustand ein Kraftfahrzeug zu lenken und sich dabei - über die Gefahr, die ein Fahrzeuglenker durch eine Alkoholbeeinträchtigung an sich schon darstellt, hinaus - weitgehend enthemmt verhält.

Soweit der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde habe den zur Erstellung ihrer Prognose über die Wiedererlangung seiner Verkehrszuverlässigkeit maßgebenden Sachverhalt unzureichend ermittelt, unterläßt er es, - abgesehen von dem von ihm vermißten psychologischen Gutachten - konkrete Umstände vorzubringen, die geeignet sein könnten, zu seinen Gunsten ins Gewicht zu fallen.

Was das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (vom 21. September 1979, Zl. 852/78), anlangt, wurde darin nicht eine Entziehung "für die Dauer von 30 Monaten nach Begehung des fünften Alkoholdeliktes als ausreichend angesehen". Es handelte sich damals einerseits nicht um ein Alkoholdelikt, sondern um eine bestimmte Tatsache nach § 66 Abs. 2 lit. g KFG 1967, andererseits wurde nicht eine bestimmte Zeit nach § 73 Abs. 2 KFG 1967 "als ausreichend angesehen", sondern ausgesprochen, daß der damalige Beschwerdeführer durch die Bemessung mit 24 Monaten nicht in seinen Rechten verletzt wurde.

Was schließlich die Einsichtigkeit des Beschwerdeführers in sein Fehlverhalten anlangt, ist dies für die in Rede stehende Prognose insofern ohne Bedeutung, als die Wiederherstellung der Verkehrszuverlässigkeit nur durch tatsächlich an den Tag gelegtes Wohlverhalten durch eine entsprechend lange Zeit erwiesen werden kann (vgl. die entsprechenden Ausführungen in dem vom Beschwerdeführer zitierten Erkenntnis vom 21. September 1979).

Der Verwaltungsgerichtshof kommt aber dessen ungeachtet zum Ergebnis, daß der Beschwerdeführer dadurch in seinen Rechten verletzt ist, daß die belangte Behörde die Wiederherstellung seiner Verkehrszuverlässigkeit frühestens für den 7. Oktober 1998 prognostiziert hat. Der vorliegende Beschwerdefall gleicht in den entscheidungswesentlichen Sachverhaltselementen (dreimaliges Alkoholdelikt, einmal verbunden mit einem Verkehrsunfall mit tödlichem Ausgang und einer unbedingten Freiheitsstrafe, einmalige vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung im Zusammenhang mit einem Alkoholdelikt) dem mit Erkenntnis vom 19. September 1989, Zl. 89/11/0077, entschiedenen Fall. Dort sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, daß die Bemessung der Zeit nach § 73 Abs. 2 KFG 1967 mit fünf Jahren und drei Monaten zu Lasten des damaligen Beschwerdeführers das Gesetz verletzt hat. Die - geringfügigen - Unterschiede zwischen den maßgeblichen Sachverhalten rechtfertigen keine unterschiedliche Beurteilung der Fälle: Damals wurden die drei Alkoholdelikte in einem Zeitraum von etwa fünf Jahren begangen, im vorliegenden Fall sind es neun Jahre; damals war das letzte Alkoholdelikt mit einem tödlichen Verkehrsunfall verbunden, hier das erste; damals lag nicht so wie hier eine zweite Entziehung der Lenkerberechtigung aus anderen Gründen als der Verkehrsunzuverlässigkeit vor.

Der angefochtene Bescheid war im Hinblick auf die zu lang bemessene Zeit nach § 73 Abs. 2 KFG 1967 aus den im zitierten Vorerkenntnis vom 19. September 1989 genannten Gründen (wonach bei einem Sachverhalt der in Rede stehenden Art fünf Jahre zu lang sind) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren an Stempelgebührenersatz war abzuweisen, weil unter diesem Titel nur S 570,-- (S 360,-- für drei Beschwerdeausfertigungen, S 120,-- für die Vollmachtsurkunde und S 90,-- für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides) zugesprochen werden konnte.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994110404.X00

Im RIS seit

19.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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