TE Vwgh Erkenntnis 1995/3/21 95/09/0002

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Veröffentlicht am 21.03.1995
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §28 Abs1 Z1 lita;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers

Mag. Leitner, über die Beschwerde der A in W, vertreten durch Mag. Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 3. November 1994, Zl. UVS-07/18/00743/94, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit und Soziales), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Bei einer Kontrolle der Baustelle Wien 12., am 19. Jänner 1994 durch das Landesarbeitsamt Wien wurde dort ein "jugoslawischer Staatsbürger" beim Beladen eines auf eine Firma AG zugelassenen LKW angetroffen, ohne im Besitz der erforderlichen arbeitsmarktrechtlichen Papiere zu sein. Der Ausländer arbeitete dort gemeinsam mit einem anderen Ausländer, der im Besitz einer Arbeitserlaubnis war und angab, daß sie beide für die Firma F-Gesellschaft m.b.H. (in der Folge kurz: Ges.m.b.H.) tätig seien.

Auf Grund der diesbezüglichen Anzeige richtete der Magistrat der Stadt Wien am 6. April 1994 eine Aufforderung zur Rechtfertigung an die Beschwerdeführerin als "handelsrechtliche Geschäftsführerin" der AG.

In ihrer schriftlichen Rechtfertigung vom 11. April 1994 gab die Beschwerdeführerin an, die Baustelle könne nicht die AG betreffen, da es dort für diese "keine Beauftragungen" gegeben habe. Die AG habe an dieser Baustelle keine Tätigkeit entfaltet.

In einer Stellungnahme dazu führte das Arbeitsmarktservice Wien, Landesgeschäftsstelle, am 18. Juli 1994 aus:

"Soweit dem Akt zu entnehmen ist, wurden gegenständliche Gerüstarbeiten auch bei Verwendung eines, auf die AG zugelassenen Fahrzeuge ausgeführt. Insofern kann die Behauptung der Beschuldigten, daß es für die gegenständliche Baustelle keine Beauftragungen gab, nicht richtig sein. Vielmehr ist davon auszugehen, daß die Ausländer, die den Wagen beluden, dies auch im Auftrag der AG taten. Die Beschuldigte hat gar nicht behauptet, daß der Wagen nicht auf die AG zugelassen war oder von dieser irgendjemand anderen überlassen, verliehen oder sonst das Verfügungsrecht übertragen wurde. Immerhin haben die beiden Ausländer Gerüstteile der an dieser Baustelle tätigen Ges.m.b.H. geladen und ist nicht vorstellbar, daß der Besitzer des Gerüsts duldet, daß ein anderer sein Eigentum verbringt. Da ist die Annahme, daß der Auftrag zur Durchführung der Gerüstarbeiten (das Wegbringen des Gerüsts ist ein notwendiger Bestandteil dieses Auftrags) an die AG in Sub weitervergeben wurde, realistischer.

..."

Im übrigen sei es Sache der Verwaltungsstrafbehörde, zu klären, wer für die Übertretung verantwortlich sei. Dazu seien Verantwortliche der AG und der Ges.m.b.H. einzuvernehmen.

Hierauf erließ der Magistrat ohne weitere Ermittlungsschritte den Bescheid vom 25. Juli 1994, mit dem die Beschwerdeführerin als "handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen Berufener im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG" der AG schuldig erkannt wurde, sie habe es zu verantworten, daß die AG am 19. Jänner 1994 in Wien den namentlich genannten Ausländer mit dem Beladen eines LKW mit Gerüstteilen beschäftigt habe, obwohl weder der AG für den Ausländer eine Beschäftigungsbewilligung erteilt worden sei noch der Ausländer über eine Arbeitserlaubnis oder über einen Befreiungsschein verfügt habe. Die Beschwerdeführerin wurde dafür gemäß § 28 Abs. 1 AuslBG zu einer Geldstrafe von S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe eine Woche) verurteilt. Begründend berief sich der Magistrat auf die Anzeige des Landesarbeitsamtes. Der Stellungnahme der Beschwerdeführerin könne "keine entlastende Wirkung beigemessen werden".

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung, in welcher sie erneut ausführte, die AG habe an der genannten Baustelle keine Bauarbeiten durchgeführt und auch keinen Ausländer für solche Arbeiten beschäftigt. Bei einem Mindestmaß von Erhebungen hätte dies festgestellt werden können.

Im Berufungsverfahren hielt die belangte Behörde am 13. Oktober 1994 eine mündliche Berufungsverhandlung ab. Im Protokoll ist festgehalten, daß dazu die Beschwerdeführerin und ihr Anwalt nicht erschienen waren; Zustellnachweise betreffend die Ladung zu dieser Verhandlung sind nicht aktenkundig. Nach Einvernahme des Zeugen H vom Landesarbeitsamt verkündete die belangte Behörde in dieser Verhandlung den angefochtenen Bescheid, welcher mit Datum 3. November 1994 schriftlich ausgefertigt wurde.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 3. November 1994 bestätigte die belangte Behörde den erstinstanzlichen Schuldspruch mit der Abänderung, daß die Tatumschreibung zu lauten habe:

"Die Beschuldigte, Frau A, hat es als handelsrechtliche Geschäftsführerin und somit als zur Vertretung nach außen Berufene im Sinne des § 9 Abs. 1 VStG der AG zu verantworten, daß von dieser Gesellschaft als Arbeitgeberin mit dem Sitz in Wien 10., im Rahmen ihrer Gewerbeberechtigung "Baumeistet" mit Standort in Wien 10., am 19.1.1994, um 15.40 Uhr bis 16.20 Uhr, in Wien 12., folgender Ausländer, nämlich Herr S, jugoslawischer Staatsbürger, geboren am 7.9.1969, mit dem Beladen eines LKW mit Gerüstteilen beschäftigt wurde, obwohl der genannten Gesellschaft für diesen Ausländer weder eine gültige Beschäftigungsbewilligung erteilt noch diesem Ausländer eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt worden war."

In der Straffrage gab die belangte Behörder der Berufung statt und setzte die Geldstrafe auf S 5.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 28 Stunden) herab.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides ging die belangte Behörde von der Anzeige und von der dazu erstatteten Aussage des Zeugen H aus. Bei der ausgeübten Beschäftigung habe es sich um das Beladen eines LKW mit Gerüstteilen gehandelt. Dieser LKW habe die Firmenaufschrift der AG getragen. Der Ausländer habe mit einer zweiten Person gearbeitet, die der deutschen Sprache mächtig gewesen sei und angegeben habe, daß sie beide für die Ges.m.b.H. tätig seien. Der Rechtfertigung bzw. dem Berufungsvorbringen der Beschwerdeführerin hielt die belangte Behörde die Ausführungen des Landesarbeitsamtes entgegen. In rechtlicher Hinsicht sei maßgebend, daß die festgestellte Tätigkeit in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit des Arbeitenden ausgeführt werde. Da der Ausländer beim Beladen eines der AG gehörenden LKW angetroffen worden sei, sei davon auszugehen gewesen, daß diese Tätigkeit zum wirtschaftlichen Vorteil der AG erfolgt sei. Dabei sei völlig unerheblich, ob der Bauherr die AG beauftragt habe oder nicht, weil aus der Tätigkeit des Beladens des LKW der AG eindeutig hervorgehe, daß eine Tätigkeit für diese AG durchgeführt worden sei. Die belangte Behörde begründete schließlich noch, warum dem Zeugen H zu glauben gewesen sei. Die Strafe sei spruchgemäß herabgesetzt worden, weil die Beschwerdeführerin verwaltungsstrafrechtlich unbescholten sei, sodaß die gesetzliche Mindeststrafe von S 5.000,-- angemessen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht, für den Fall eines mangelnden Verstoßes gegen das AuslBG straffrei zu bleiben, verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 3 Abs. 1 AuslBG darf ein Arbeitgeber, soweit in diesem Bundesgebiet nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde oder wenn der Ausländer eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein besitzt.

Gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG in der im Beschwerdefall anzuwendenden, seit der Novelle BGBl. Nr. 450/1990 unveränderten Fassung begeht, soferne die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen, wer entgegen dem § 3 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung (§ 4) erteilt noch eine Arbeitserlaubnis (§ 14a) oder ein Befreiungsschein (§ 15) ausgestellt wurde, ...

bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von S 5.000,-- bis zu S 60.000,-- im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von S 10.000,-- bis zu S 120.000,--, bei unberechtigter Beschäftigung von mehr als drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von S 10.000,-- bis zu S 120.000,--, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von S 20.000,-- bis zu S 240.000,--.

Die Beschwerdeführerin macht in ihrer Beschwerde zu Recht geltend, daß sie nicht als "handelsrechtliche Geschäftsführerin", sondern gegebenenfalls nur als Vorstandsmitglied der AG für diese gemäß § 9 VStG verantwortlich gemacht werden könne. Im Beschwerdefall sei aber, wie die Beschwerdeführerin mehrfach im Verwaltungsverfahren vorgebracht habe, die AG nicht Arbeitgeberin des Ausländers gewesen. Bereits am Tage der Anzeigenerstattung habe der zweite Ausländer dem Zeugen H gegenüber erklärt, beide Ausländer arbeiteten für die Ges.m.b.H. Dieser Frage seien die Verwaltungsbehörden jedoch überhaupt nicht nachgegangen, weshalb der Sachverhalt ungenügend aufgeklärt worden sei. Tatsächlich sei der von der AG gehaltene LKW der Ges.m.b.H. zur Tatzeit leihweise überlassen worden. Auch unter dem Gesichtspunkt der geltend gemachten Rechtswidrigkeit des Inhaltes weist die Beschwerdeführerin darauf hin, daß die beiden Ausländer zum Tatzeitpunkt Arbeitnehmer der Ges.m.b.H. gewesen seien. Es sei daher auch nicht unerheblich, welche Firma vom Bauherrn mit den Arbeiten an dieser Baustelle beauftragt worden sei.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Beweiswürdigung nicht um eine Frage der Gesetzesanwendung, sondern um einen Denkvorgang, der dazu bestimmt ist, den einer Norm zu unterstellenden Sachverhalt zu gewinnen. Da der Verwaltungsgerichtshof nur eine nachprüfende Tätigkeit auszuüben, keinesfalls aber eine Sachentscheidung zu fällen hat, kann die Beweiswürdigung nur insoweit überprüft werden, als es sich um die Feststellung handelt, ob der Denkvorgang zu einem den Denkgesetzen entsprechenden Ergebnis geführt hat, bzw. ob der Sachverhalt, der im Denkvorgang gewürdigt wurde, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden ist (siehe dazu die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, auf S. 548 ff angeführte Judikatur).

Eine Nachprüfung des Beschwerdefalles in dieser Richtung führt zu dem Ergebnis, daß die entscheidende Sachverhaltsfrage, für welches Unternehmen der im angefochtenen Bescheid genannte Ausländer zur Tatzeit an der Baustelle in Wien 12 gearbeitet hat, in einem unzulänglichen Ermittlungsverfahren zu Ungunsten der AG gelöst worden ist. Der einzige, zugegebenermaßen gewichtige Hinweis in dieser Richtung ist unbestritten darin zu erblicken, daß der LKW, den der Ausländer gemeinsam mit einer weiteren Arbeitskraft beladen hat, der AG gehörte. Das mußte jedoch keinesfalls bereits bedeuten, daß auch die beiden den LKW beladenen Arbeitskräfte der AG angehörten. Tatsächlich hat die Beschwerdeführerin bereits im Verwaltungsverfahren von allem Anfang an bestritten, daß die AG Arbeitgeberin der beiden Dienstnehmer gewesen sei. Für diese Behauptung kann die Beschwerdeführerin in Anspruch nehmen, daß bereits anläßlich der Kontrolle am 19. Jänner 1994 dem Zeugen H gegenüber angegeben worden ist, beide Arbeitskräfte seien "für die Ges.m.b.H. tätig". Dieser Hinweis konnte durch theoretische Erörterungen des Arbeitsmarktservice nicht widerlegt werden; mangels jedweder Erhebungen zu dieser Frage hat eine solche Widerlegung auch nicht im Rahmen der von der belangten Behörde abgehaltenen mündlichen Berufungsverfahren stattgefunden.

Da der Sachverhalt somit in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtwidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 sowie 59 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Verfahrensmangel freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995090002.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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