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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BAO §207 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Karger, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Rauscher, über die Beschwerde des R in F, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 29. August 1994, Zl 540/7-10/Zi-1994, betreffend Haftung gemäß §§ 9, 80 BAO, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer wurde mit Haftungsbescheid vom 6. April 1994 als Haftungspflichtiger gemäß §§ 9 und 80 BAO für aushaftende Abgabenschuldigkeiten an Umsatzsteuer 1986 und 1987 der M GmbH nach Durchführung einer abgabenbehördlichen Prüfung im September 1989 im Ausmaß von S 259.077,-- in Anspruch genommen und aufgefordert, diesen Betrag innerhalb eines Monates ab Zustellung des Bescheides zu entrichten.
In einer dagegen eingebrachten Berufung bestritt der Beschwerdeführer das Vorliegen rechtswirksam zugestellter und rechtskräftiger Umsatzsteuerbescheide für 1986 und 1987. Für die Haftung sei das Vorliegen eines "rechtsgültigen Hauptbescheides" unabdingbare Voraussetzung.
Unabhängig davon wandte er Verjährung ein, weil er als Geschäftsführer schon vor über fünf Jahren abberufen worden sei.
In einem weiteren Schriftsatz führte der Beschwerdeführer aus, er bestreite eine ordnungsgemäße Zustellung der Bescheide und erkenne die "Grundlagenbescheide" sowie deren Rechtskraft nicht an.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Die belangte Behörde begründete, warum ihrer Ansicht nach die vom Beschwerdeführer bestrittene Zustellung der Umsatzsteuerbescheide für 1986 und 1987 an die M GmbH ordnungsgemäß erfolgt sei, und warum eine Verjährung nicht eingetreten sei.
Der Beschwerdeführer erachtet sich nach dem Inhalt der Beschwerde durch diesen Bescheid in seinem Recht, nicht zur Haftung herangezogen zu werden, verletzt und bekämpft den Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer rügt unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes ausschließlich, daß die Umsatzsteuerbescheide 1986 und 1987 der M GmbH nicht rechtswirksam zugestellt worden seien. Nun erübrigt sich jedoch ein Eingehen auf das diesbezügliche Beschwerdevorbringen, weil die rechtswirksame Zustellung der betreffenden Abgabenbescheide gegenüber dem Abgabenschuldner keine Voraussetzung dafür darstellt, daß hinsichtlich der von diesen Bescheiden umfaßten Abgaben ein Haftungsbescheid gemäß § 224 BAO erlassen wird. Die Geltendmachung einer abgabenrechtlichen Haftung setzt zwar das Bestehen eines Abgabenschuldverhältnisses, also das Bestehen einer Abgabenschuld (§ 4 BAO) voraus, nicht jedoch, daß diese Schuld dem Abgabenschuldner gegenüber auch bereits geltend gemacht wurde. Abgabenrechtliche Haftungen haben daher insoweit keinen akzessorischen, nämlich bescheidakzessorischen Charakter (vgl das hg Erkenntnis vom 25. Juni 1992, 91/16/0045, vom 27. Juni 1991, 90/16/0097, und vom 26. Jänner 1982, 81/14/0090, 0118). Gemäß § 4 BAO entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft, somit unabhängig von einer behördlichen Tätigkeit und auch unabhängig von einer diesbezüglichen Bescheiderlassung.
Auch im Zusammenhang mit der Verjährung kommt der Frage der (rechtswirksamen) Bescheidzustellung an die Gesellschaft keine Bedeutung zu: Die Erlassung eines Haftungsbescheides unterliegt als Einhebungsmaßnahme den Verjährungsbestimmungen des § 238 BAO. Gemäß § 238 Abs 1 BAO verjährt das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben und zwangsweise einzubringen, binnen fünf Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem die Abgabe fällig geworden ist, keinesfalls jedoch früher als das Recht zur Festsetzung der Abgabe. Wann das Recht zur Festsetzung der Abgabe verjährt, wird durch die gesetzlichen Bestimmungen der §§ 207 ff BAO geregelt, wobei auch Unterbrechungshandlungen - das sind nach § 209 Abs 1 BAO von der Abgabenbehörde unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen - entsprechend zu berücksichtigen sind. Nach außen in Erscheinung tretende Amtshandlungen sind (bei Zutreffen der weiteren gesetzlichen Voraussetzungen) unterbrechungswirksam, wenn sie in ihrer rechtlichen Gestalt - etwa als Bescheidausfertigungen - als Behördenmaßnahmen über den Amtsbereich der Behörde hinaustreten und hiefür ein aktenmäßiger Nachweis besteht (vgl Stoll, BAO, Kommentar, 2189). Damit sind aber sowohl die Umsatzsteuerbescheide 1986 und 1987, die - unabhängig von ihrer rechtswirksamen Zustellung - jedenfalls über den Amtsbereich der Behörde hinaustraten, aber auch die im September 1989 durchgeführten Prüfungsmaßnahmen Unterbrechungshandlungen, welche die Bemessungsverjährung hinsichtlich der Umsatzsteuer 1986 und 1987 unterbrachen, wodurch diese frühestens mit Ablauf des Jahres 1994 endete. Im Zeitpunkt der Erlassung des Haftungsbescheides war daher weder die Bemessungs- noch die Einhebungsverjährungsfrist abgelaufen. Damit ist auch die Voraussetzung des § 224 Abs 3 BAO erfüllt (vgl Stoll, BAO-Kommentar, 2461).
Die Heranziehung des Beschwerdeführers zur Haftung war daher unabhängig davon, ob der M GmbH die betreffenden Umsatzsteuerbescheide (rechtswirksam) zugestellt wurden oder nicht, nicht rechtswidrig.
Unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der Beschwerdeführer geltend, daß er in seiner Berufung die Zustellung "des (gesamten) Grundbemessungsbescheides" beantragt habe. Unabhängig davon, ob diese Bescheide - wie in der Beschwerde ausgeführt wurde - in den dem Beschwerdeführer zugestellten Teilstücken des Betriebsprüfungsberichtes der M GmbH enthalten waren und ob sie dieser Gesellschaft rechtswirksam zugestellt wurden, steht nach den Akten des Verwaltungsverfahrens fest, daß sie dem Beschwerdeführer übermittelt wurden. Bestätigt doch der Beschwerdeführer deren Erhalt sowohl in seinem Schriftsatz vom 30. Mai 1994 als auch im Schriftsatz vom 10. Juni 1994. Dem (einschränkenden) Hinweis auf die "Kopie der jeweils ersten Seite" kommt keine Bedeutung zu, da die Umsatzsteuerbescheide mit Ausnahme der für den Beschwerdeführer nicht relevanten Rechtsbelehrung nur aus jeweils einer Seite bestanden. Ob der Beschwerdeführer zu den relevanten Prüfungsfeststellungen und damit zur Höhe der Abgabenschuldigkeiten Stellung nehmen konnte oder nicht, ist allenfalls für die nach § 248 BAO gesondert zu erhebende Berufung bzw das daran anschließende Berufungsverfahren gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch von Bedeutung, nicht aber für das Verfahren, in welchem ausschließlich über die Heranziehung zur Haftung abgesprochen wird. Im Beschwerdefall ist aber nur das zuletzt genannte Verfahren Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.
Zur Verfahrensrüge betreffend die nicht durchgeführte mündliche Berufungsverhandlung ist darauf hinzuweisen, daß Berufungsentscheidungen nur in den vom Gesetz umschriebenen Fällen (§§ 260 f BAO) einem Berufungssenat obliegen. Darunter fällt jedoch nicht die Entscheidung über Berufungen gegen Haftungsbescheide. Die Übung eines Ermessens kommt diesbezüglich daher nicht in Betracht.
Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994140156.X00Im RIS seit
11.07.2001