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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Simetzberger, über die Beschwerde der B-AG in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 20. Dezember 1994, Zl. 62.640/2-3/94, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend ein Verfahren nach dem Mutterschutzgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und den ihr angeschlossenen Unterlagen ergibt sich folgender Sachverhalt:
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 18. November 1994 wurde eine Berufung der beschwerdeführenden Gesellschaft gegen einen näher bezeichneten erstinstanzlichen Bescheid wegen Verspätung zurückgewiesen; dieser Bescheid sei am 12. Oktober 1994 zugestellt und die dagegen erhobene Berufung am 2. November 1994 zur Post gegeben worden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der beschwerdeführenden Gesellschaft vom 24. November 1994 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gemäß § 71 (zu ergänzen: Abs. 1 Z. 1) AVG abgewiesen.
In ihrer an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht die beschwerdeführende Gesellschaft Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid damit begründet, daß der Beschwerdevertreter nach dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag keinerlei Kontrolle über die Kanzleiangestellte ausgeübt habe, auf deren fehlerhafte Vormerkung die Versäumung der Berufungsfrist zurückzuführen sei. Die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 lit. a (richtig: Z. 1) AVG lägen daher nicht vor.
Die beschwerdeführende Gesellschaft bringt in ihrer Beschwerde dagegen vor, daß es in einer Rechtsanwaltskanzlei aus organisatorischen Gründen sehr wohl üblich sei, daß lediglich eine Kanzleiangestellte für die Eintragung von Fristen zuständig und verantwortlich sei. Für solche Tätigkeiten würden nur entsprechend ausgebildete und in ihrer Arbeit verläßliche Angestellte Verwendung finden. Das Unterbleiben eines konkreten Vorbringens betreffend eine Kontrolle des Rechtsanwaltes könne nicht zur Ansicht führen, der Anwalt habe seine Überwachungspflicht verletzt. Lediglich anzulernende Angestellte und solche, die erst kurzfristig in einer Rechtsanwaltskanzlei Verwendung fänden, bedürften einer solchen Überwachung. Die in Rede stehende Angestellte erbringe seit zwei Jahren verläßlich und fehlerlos ihre Arbeitsleistungen.
Die belangte Behörde hat zu Recht auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, wonach die Unterlassung jeglicher Kontrolle der Vormerkungen von Fristen von Kanzleiangestellten durch den Rechtsanwalt ein den minderen Grad des Versehens im Sinne des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG übersteigendes Verschulden darstelle, welches die Bewilligung der Wiedereinsetzung zugunsten der Partei ausschließe. Diese Überwachungstätigkeit des Rechtsanwaltes hat sich nicht nur auf unerfahrene und erst kurze Zeit beschäftigte Angestellte zu beziehen. Die Vormerkung von Fristen ist eine dermaßen verantwortungsvolle Tätigkeit, daß sie - im wohlverstandenen Interesse aller Beteiligten - nicht ausschließlich Angestellten überlassen werden darf, seien sie auch noch so verläßlich. Der Rechtsanwalt, der sich aus welchen Gründen immer völlig auf die Richtigkeit der Fristvormerkungen von Angestellten verläßt, tut dies auf die Gefahr, daß das als ein die Wiedereinsetzung ausschließendes und der von ihm vertretenen Partei zuzurechnendes Verschulden qualifiziert wird (vgl. die Erkenntnisse verstärkter Senate des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. März 1976, Slg. Nr. 9040/A, und vom 19. Jänner 1977, Slg. Nr. 9226/A). In diesem Zusammenhang spielt es keine Rolle, ob in zeitlicher Nähe des vorzumerkenden Fristendes gesetzliche Feiertage waren oder nicht.
Dazu kommt, daß dem Beschwerdevertreter bei Verfassung der Berufung (sie ist dem Beschwerdevorbringen zufolge mit 27. Oktober 1994, dem letzten Tag der Berufungsfrist, datiert) das unmittelbar bevorstehende Ende der Berufungsfrist hätte auffallen und er die Anordnung hätte treffen müssen, die Berufung ungeachtet der unrichtigen Vormerkung noch am selben Tag zur Post zu geben (vgl. das Erkenntnis vom 21. November 1977, Slg. Nr. 9434/A). Das Hindernis an der Einhaltung der Berufungsfrist im Sinne des § 71 Abs. 2 AVG ist - pflichtgemäßes Vorgehen des Anwaltes vorausgesetzt - damit weggefallen. Der Wiedereinsetzungsantrag vom 24. November 1994 ist aus diesem Grund verspätet und wäre zurückzuweisen gewesen.
Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht gegeben ist, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren - in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat - als unbegründet abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995110055.X00Im RIS seit
20.11.2000