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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1994;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Germ, Dr. Höß und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Leitner, über die Beschwerde des JN und der UN in R, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Vorarlberg vom 21. Juni 1994, Zl. III/6702-955872, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführer, die ein Hotel führen, beantragten beim zuständigen Arbeitsamt Bregenz - Zweigstelle Kleinwalsertal mit Schreiben vom 1. November 1992 (eingelangt beim genannten Arbeitsamt am 11. Jänner 1993) die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, BGBl. Nr. 218/1975 (AuslBG), für den "jugoslawischen" Staatsangehörigen S.J. für die Tätigkeit als Küchenhilfe. In ihrem Begleitschreiben vom 5. Jänner 1993 wiesen die Beschwerdeführer unter anderem ausdrücklich darauf hin, der beantragte Ausländer stamme aus dem Kriegsgebiet aus Bosnien.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 25. Mai 1993 wies die belangte Behörde diesen Antrag nach § 4 Abs. 1 und 6 AuslBG ab.
Auf Grund der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde hob der Verwaltungsgerichtshof diesen Bescheid mit Erkenntnis vom 21. April 1994, Zl. 93/09/0484, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Begründung dieses den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bekannten Erkenntnisses verwiesen, dem für das fortgesetzte Verfahren wegen Heranziehung eines anderen Versagungstatbestandes keine Bedeutung zukommt.
Im fortgesetzten Verfahren teilte die belangte Behörde mit Schreiben vom 10. Juni 1994 den Beschwerdeführern mit, laut Rücksprache bei der Bezirkshauptmannschaft Bregenz sei S.J. derzeit weder im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz noch eines vor dem 1. Juli 1993 ausgestellten, derzeit noch gültigen gewöhnlichen Sichtvermerkes nach dem Fremdengesetz. Da S.J. daher nicht zum Aufenthalt in Österreich nach dem Aufenthaltsgesetz berechtigt sei, lägen die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 3 Z. 7 AuslBG nicht vor.
In ihrer Stellungnahme vom 20. Juni 1994 legten die Beschwerdeführer eine Karikatur vor (die die Wechselbeziehung zwischen "Arbeitserlaubnis" und Aufenthaltsgenehmigung zum Inhalt hat), die die Situation der betroffenen ausländischen Arbeitskräfte besser darstelle als tausend Worte.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 21. Juni 1994 wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführer gegen den (im ersten Rechtsgang ergangenen) erstinstanzlichen Bescheid des Arbeitsamtes Bregenz - Zweigstelle Kleinwalsertal vom 14. Jänner 1993 gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 4 Abs. 3 Z. 7 AuslBG ab. Unter Hinweis auf ihren Vorhalt vom 10. Juni 1994 legte die Behörde dar, daß S.J. nach dem Aufenthaltsgesetz nicht zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sei. In ihrer Stellungnahme vom 20. Juni 1994 hätten die Beschwerdeführer nichts vorgebracht, was darauf hindeute, daß die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 3 Z. 7 AuslBG doch vorlägen. Mangels Erfüllung dieser (Bewilligungs)Voraussetzung habe keine Beschäftigungsbewilligung erteilt werden können.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer zunächst Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof, der jedoch deren Behandlung mit Beschluß vom 27. September 1994, B 1127/94 u.a. (hier: B 1423/94) ablehnte. Antragsgemäß wurde unter anderem auch diese Beschwerde mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 2. November 1994 gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Die Beschwerdeführer, die über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes ihre abgetretene Beschwerde ergänzten, machen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführer bringen unter anderem vor, sie hätten schon in ihrem Antrag vom 5. Jänner 1993 darauf hingewiesen, S.J. stamme aus Bosnien, also "direkt aus dem Kriegsgebiet". Auch sei sein Reisepaß von der Republik Bosnien-Herzegowina ausgestellt worden. In ständiger Praxis gehe die belangte Behörde davon aus, das "vorläufige Bleiberecht" nach § 12 des Aufenthaltsgesetzes sei keine Aufenthaltsbewilligung im Sinne des § 4 Abs. 3 Z. 7 AuslBG.
Die Beschwerde ist schon aus diesem Grunde berechtigt.
Gemäß § 4 Abs. 3 Z. 7 AuslBG in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 475/1992, darf eine Beschäftigungsbewilligung weiters nur erteilt werden, wenn der Ausländer zum Aufenthalt in Österreich nach dem Aufenthaltsgesetz, BGBl. Nr. 466/1992, berechtigt ist, ausgenommen im Fall des Antrages auf Verlängerung der Beschäftigungsbewilligung.
Nach § 1 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG), BGBl. Nr. 466/1992 in der Fassung der Novelle
BGBl. Nr. 838/1992, brauchen Fremde (§ 1 Abs. 1 des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1992) zur Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes (§ 5 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311) in Österreich eine besondere Bewilligung (im folgenden Bewilligung genannt). Die auf Grund anderer Rechtsvorschriften für Fremde vorgesehenen besonderen Regelungen bleiben unberührt.
Von Fremden, die sich
1. innerhalb eines Kalenderjahres länger als sechs Monate tatsächlich oder
2. zur Ausübung einer selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit
in Österreich aufhalten wird für Zwecke dieses Bundesgesetzes jedenfalls angenommen, daß sie in Österreich einen ordentlichen Wohnsitz begründen (Abs. 2 dieser Bestimmung).
Abs. 3 dieser Regelung zählt jene Fälle auf, in denen Fremde eine Bewilligung brauchen.
§ 7 AufG ermächtigt den Bundesminister für Arbeit und Soziales unter bestimmten Voraussetzungen durch Verordnung festzulegen, daß Beschäftigungsbewilligungen nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz bis zu einer bestimmten Anzahl in einem Wirtschaftszweig, in einer Berufsgruppe oder in einer Region bis zu einer Laufzeit von sechs Monaten als Bewilligung für den Fremden gelten, für welchen sie dem Arbeitgeber aufgestellt wurden.
§ 12 AufG lautet:
"(1) Für Zeiten erhöhter internationaler Spannungen, eines bewaffneten Konfliktes oder sonstiger die Sicherheit ganzer Bevölkerungsgruppen gefährdender Umstände kann die Bundesregierung mit Verordnung davon unmittelbar betroffenen Gruppen von Fremden, die anderweitig keinen Schutz finden, ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet gewähren.
(2) In der Verordnung gemäß Abs. 1 sind Einreise und Dauer des Aufenthaltes der Fremden unter Berücksichtigung der Umstände des besonderen Falles zu regeln."
Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides galt die auf §§ 12 und 13 AufG gestützte Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, BGBl. Nr. 368/1994 (vgl. nunmehr BGBl. Nr. 1038/1994).
§ 1 dieser Verordnung lautete:
"(1) Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina, die auf Grund der bewaffneten Konflikte in ihrer Heimat diese verlassen mußten, anderweitig keinen Schutz fanden und vor dem 1. Juli 1993 eingereist sind, haben ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet.
(2) Dieses Aufenthaltsrecht besteht weiters für die nach dem 1. Juli 1993 eingereisten und einreisenden Personen gemäß Abs. 1, sofern die Einreise über eine Grenzkontrollstelle erfolgte, bei der sich der Fremde der Grenzkontrolle stellte und ihm entsprechend internationaler Gepflogenheiten die Einreise gestattet wurde.
(3) Dieses Aufenthaltsrecht besteht bis zum 31. Dezember 1994."
Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 AufG bleiben die Berechtigungen zum Aufenthalt von Fremden, auf die dieses Bundesgesetz Anwendung findet und die sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens (Anmerkung: das war der 1. Juli 1993) dieses Bundesgesetzes rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, unberührt.
Nach Abs. 3 dieser Bestimmung bedürfen Fremde bis zum Inkrafttreten der in § 1 Abs. 3 Z. 2 vorgesehenen Staatsverträge keiner Bewilligung nach diesem Bundesgesetz, die ihren Wohnsitz in einem Nachbarstaat haben, in den sie täglich zurückkehren und die sich zur Ausübung einer selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit in einem unmittelbar an der Staatsgrenze liegenden politischen Bezirk in Österreich aufhalten.
Aus dieser Gesetzeslage ergibt sich, daß § 4 Abs. 3 Z. 7 AuslBG auf die Berechtigung zum Aufenthalt nach dem Aufenthaltsgesetz schlechthin abstellt, ohne nach dem Rechtsgrund und der Rechtsform dieser Berechtigung zu unterscheiden. Dies bedeutet in Verbindung mit dem Aufenthaltsgesetz, daß § 4 Abs. 3 Z. 7 AuslBG jeweils in einem der folgenden Fälle im Bewilligungsverfahren betreffend die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung als "erfüllt" anzusehen ist:
1. Beim Ausländer, für den eine Beschäftigungsbewilligung nach dem AuslBG beantragt wird (im folgenden Ausländer genannt), dem durch Bescheid nach dem Aufenthaltsgesetz eine Aufenthaltsbewilligung erteilt wurde oder deren Gültigkeitsdauer ex lege verlängert wurde.
2. Der Ausländer bedarf keiner Bewilligung nach § 1 Abs. 3 AufG.
3. Der Ausländer fällt unter eine Verordnung gemäß § 7 AufG.
4. Der Ausländer hat auf Grund einer Verordnung nach § 12 Abs. 1 AufG ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet.
5. Der Ausländer fällt unter die Übergangsbestimmungen nach § 13 Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 3 AufG oder
6. es handelt sich um die Verlängerung einer Beschäftigungsbewilligung für den Ausländer nach dem AuslBG, da in diesem Fall nach dem Gesetz die Bewilligungsvoraussetzung des § 4 Abs. 3 Z. 7 AuslBG nicht gilt.
Im Beschwerdefall haben die Beschwerdeführer - wie sich aus der Aktenlage ergibt - bereits im Begleitschreiben zum Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für S.J. am 5. Jänner 1993 auf dessen Herkunft aus dem Kriegsgebiet in Bosnien hingewiesen. Damit kommt der oben unter Punkt 4. erwähnte Fall der Erfüllung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 Z. 7 AuslBG in Betracht, wenn diese konkrete Behauptung zutrifft, ist doch von der jeweiligen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung auszugehen. Deshalb wäre die belangte Behörde auf Grund ihrer Verpflichtung, den maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen festzustellen, gehalten gewesen, allenfalls unter Mitwirkung der Beschwerdeführer - deren Mitwirkungspflicht besteht allerdings insoweit nicht, als die Behörde in der Lage ist, ihre Ermittlungen von Amts wegen durchzuführen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. November 1982, Zl. 82/04/0035) - das Zutreffen dieser konkreten Behauptung zu prüfen. Zu einer Wiederholung ihres bereits zuvor im Verwaltungsverfahren aufgestellten und aktenkundigen Vorbringens waren die Beschwerdeführer auf Grund des behördlichen Vorhaltes vom 10. Juni 1994 nicht verpflichtet.
Der angefochtene Bescheid mußte daher schon deshalb nach § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben werden.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren, das sich offenbar auf nicht weiters aufgeschlüsselte Stempelgebühren bezieht, war abzuweisen, da die Beschwerdeführer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren außer dem über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerdeschriftsatz (in dreifacher Ausfertigung) und dem angefochtenen Bescheid (einfach) keine weiteren zu vergebührenden Schriftsätze eingebracht haben. Im Falle der Abtretung einer Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG gebührt kein Ersatz für Stempelgebühren, die im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof zu entrichten waren (vgl. die bei Dolp,
Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, auf Seite 681 und bei Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, auf Seite 206, zitierte Vorjudikatur sowie das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Februar 1993, Zl. 88/14/0016).
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994090328.X00Im RIS seit
02.05.2001