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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VwGG §46 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers
Mag. Leitner, über den Antrag des P in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung der Ergänzung der Beschwerde gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 18. Februar 1994, Zl. UVS-07/03/00227/92, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Dem Antrag wird stattgegeben.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 18. Februar 1994 hat der Unabhängige Verwaltungssenat Wien einer Berufung des Beschwerdeführers in einer Verwaltungsstrafsache nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) nur teilweise Folge gegeben. Der Beschwerdeführer hat dagegen eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, welcher deren Behandlung jedoch mit Beschluß vom 27. September 1994 ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erwies sich die Beschwerde als in mehrfacher Hinsicht ergänzungsbedürftig, weshalb an den Beschwerdeführer der Ergänzungsauftrag vom 25. Oktober 1994 erging, in welchem dem Beschwerdeführer u.a. aufgetragen wurde, den ergänzenden Schriftsatz in dreifacher Ausfertigung einzubringen. Der Beschwerdeführer hat diesen Ergänzungsschriftsatz in der Folge jedoch nur zweifach eingebracht, weshalb es mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Jänner 1995, Zl. 94/09/0278-5, zur Einstellung des Verfahrens kam. Dieser Einstellungsbeschluß ist mit weiterem Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Februar 1995 in der Begründung gemäß § 43 Abs. 7 VwGG berichtigt worden.
In seinem innerhalb offener Frist zu Zl. 95/09/0052 des Verwaltungsgerichtshofes eingebrachten Wiedereinsetzungsantrag, welchem auch die versäumte dritte Ausfertigung des Ergänzungsschriftsatzes angeschlossen war, bringt der Beschwerdeführer vor, der ergänzende Schriftsatz sei von der beim Rechtsanwalt des Beschwerdeführers beschäftigten Rechtsanwaltsanwärterin, Frau Dr. M, verfaßt worden. Diese sei seit 7. Februar 1994 bei dem Rechtsanwalt beschäftigt und habe bisher immer ihre Aufgaben zuverlässig wahrgenommen und auch keine Frist versäumt. Sie verfüge über anwaltliche Praxis von knapp drei Jahren, sodaß Rechtsanwalt Dr. E auf ihre Zuverlässigkeit habe vertrauen können. Er habe sie auch immer wieder zu sorgfältiger Arbeitsleistung angehalten und ausdrücklich angewiesen, daß nicht nur Fristen und Termine eingehalten würden, sondern auch eine derartige Sorgfalt an den Tag gelegt werde, daß Schriftsätze, versehen mit der erforderlichen Anzahl von Ausfertigungen, bei den Behörden eingebracht würden. Der Rechtsanwalt habe die bei ihm beschäftigten Konzipienten auch stets genau kontrolliert. In seiner Kanzlei seien zwei Rechtsanwaltsanwärter beschäftigt gewesen, doch habe sich der zweite Anwärter in der Zeit vom 12. Dezember bis 15. Dezember 1995 (richtig wohl: 1994) überraschend im Krankenstand befunden, sodaß sämtliche Verhandlungstermine, Konferenzen und fristgebundene Schriftsätze vom Rechtsanwalt selbst und von Frau Dr. M wahrzunehmen gewesen seien. In der Vorweihnachtszeit herrsche in Rechtsanwaltskanzleien üblicherweise ein erhöhter Geschäftsbetrieb, sodaß die Arbeitslast der dort beschäftigten Juristen erheblich gesteigert sei. Durch die gesteigerte Anzahl auswärtiger Termine infolge der Erkrankung des zweiten Rechtsanwaltsanwärters sei ein besonders konzentriertes und beschleunigtes Arbeiten notwendig gewesen. Es dürfte daher angesichts dieser erhöhten zeitlichen und fachlichen Anforderung des Rechtsanwaltes des Beschwerdeführers ein derartiges Versehen unterlaufen sein, daß der Ergänzungsschriftsatz vom 15. Dezember 1994 statt dreifach nur zweifach beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht worden sei. Der Rechtsanwalt habe auf eine ordnungsgemäße (Vor-)Erledigung durch Frau Dr. M vertrauen dürfen. Infolge der gegebenen Streßsituation habe er jedoch übersehen, daß der Schriftsatz nur zweifach abgesandt worden sei. Verwiesen wurde noch darauf, daß der Rechtsanwalt des Beschwerdeführers Frau Dr. M anläßlich einer am 12. Dezember 1994 abgehaltenen "Postkonferenz" ausdrücklich angewiesen habe, darauf zu achten, den Ergänzungsschriftsatz in der geforderten Anzahl von Ausfertigungen vorzulegen. Diese wiederum sei angesichts der gedrängten terminlichen Situation der Vorweihnachtszeit offenbar unachtsam gewesen und habe die Vorlage einer weiteren Ausfertigung übersehen.
Diesen Sachverhalt bescheinigt der Beschwerdeführer duch eindesstättige Erklärungen des Rechtsanwaltes Dr. E, der Dr. M und des Rechtsanwaltsanwärters Mag. G. Der Verwaltungsgerichtshof hat keinen Anlaß, diesen Erklärungen nicht zu glauben.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß die Partei ein Verschulden an der Versäumung trifft, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Verschuldens handelt.
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß ein Verschulden des Parteienvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen ist (vgl. den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Jänner 1993, Zl. 92/09/0327, und die dort angeführte Vorjudikatur). Die Bewilligung der Wiedereinsetzung kommt somit nur in Betracht, wenn dem Antragsteller oder seinem Vertreter kein Versehen oder nur ein minderer Grad des Verschuldens angelastet werden kann.
Ausgehend von den für glaubwürdig erkannten Angaben im Wiedereinsetzungsantrag ist die Versäumung zur Frist zur (kompletten) Beschwerdeergänzung durch den Rechtsanwalt des Beschwerdeführers auf ein für diesen unvorhergesehenes Ereignis, nämlich auf ein entgegen ihrer sonstigen Verläßlichkeit fehlerhaftes Verhalten einer Konzipientin zurückzuführen. Daß auch die Kontrolle durch den Rechtsanwalt selbst anläßlich der Unterfertigung des Beschwerdeschriftsatzes versagte, kann im Hinblick auf die im Antrag geschilderte vorweihnachtliche Streßsituation, die insbesondere durch den Ausfall eines weiteren juristischen Mitarbeiters verschärft wurde, als ein minderer Grad des Versehens im Sinne des zweiten Satzes des § 46 Abs. 1 VwGG beurteilt werden.
Da die versäumte Prozeßhandlung zugleich mit dem rechtzeitig gestellten Wiedereinsetzungsantrag nachgeholt wurde, war diesem Antrag stattzugeben, wobei über die demnach als rechtzeitig zu behandelnde Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid gesondert zu verfügen und zu entscheiden sein wird.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995090052.X00Im RIS seit
20.11.2000