TE Vwgh Erkenntnis 1995/3/21 93/08/0126

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Veröffentlicht am 21.03.1995
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

ABGB §914;
AlVG 1977 §12 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, über die Beschwerde des E in L, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den aufgrund des Beschlusses des Unterausschusses des zuständigen Verwaltungsausschusses ausgefertigten Bescheid des Landesarbeitsamtes Oberösterreich vom 7. April 1993, Zl. IVa-AIV-7022-1-B/1590 080948/Linz, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte am 11. Jänner 1993 beim Arbeitsamt Linz die Zuerkennung von Arbeitslosengeld. Nach der vorgelegten Arbeitsbescheinigung der Firma F

Gesellschaft m.b.H. war er von 11. Juni 1990 bis 11. Jänner 1993 als Beifahrer im Unternehmen der genannten Gesellschaft beschäftigt; die Bezüge seien bis 10. Jänner 1993 ausgezahlt worden; zur Beendigung des Dienstverhältnisses werde auf die "Beilage" verwiesen. Der Beschwerdeführer legte eine Ablichtung der mit der genannten Gesellschaft getroffenen Vereinbarung vom 8. Jänner 1993 vor; diese hat folgenden Inhalt:

"1.

Die Rechte und Pflichten aus dem zwischen der Firma F Ges.m.b.H. und dem oben genannten Arbeitnehmer bestehenden Dienstverhältnis werden ab 11.1.1993 einvernehmlich ausgesetzt - wobei aber das Dienstverhältnis dem rechtlichen Bande nach aufrecht bleibt. Der genannte Dienstnehmer hat daher ab diesem Zeitpunkt keine Arbeit mehr zu erbringen, die Firma F Ges.m.b.H. ab diesem Zeitpunkt kein Entgelt mehr zu leisten (auch keine Sonderzahlungen). Der bis zu diesem Zeitpunkt entstandene Entgeltanspruch wird (inklusive der anteiligen Sonderzahlungen) mit dem Tage der Einstellung der Arbeit fällig und ausbezahlt; ausgenommen davon bleiben der Abfertigungs- und Urlaubsanspruch (da ja das Dienstverhältnis dem rechtlichen Bande nach aufrecht bleibt).

2.

Mit 29.3.1993 (spätestens aber am) 3.5.1993 nimmt der oben genannte Dienstnehmer seine Arbeit bei der Firma

F Ges.m.b.H. unter den bisherigen Arbeitsbedingungen wieder auf (den genauen Zeitpunkt der Wiederaufnahme teilt die Firma F Ges.m.b.H. dem Dienstnehmer mindestens eine Woche vorher mit).

3.

Ausgenommen den Anspruch auf Urlaubszuschuß und Weihnachtsremuneration für die Zeit des Aussetzens, wird dem Arbeitnehmer auch die Zeit der Unterbrechung für alle Ansprüche, die sich nach der Dauer des Dienstverhältnisses richten, angerechnet."

Mit Bescheid vom 15. Februar 1993 gab das Arbeitsamt Linz dem Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung des Arbeitlosengeldes gemäß § 12 Abs. 1 AlVG mangels Arbeitslosigkeit keine Folge. Nach der Begründung liege Arbeitslosigkeit nicht vor. Das Dienstverhältnis des Beschwerdeführers bei der Firma F sei nicht beendet worden; es sei mit 11. Jänner 1993 ausgesetzt. Das Dienstverhältnis bleibe im rechtlichen Bande aber aufrecht.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen - als Einspruch bezeichneten - Berufung wandte der Beschwerdeführer im wesentlichen ein, daß er am 11. Jänner 1993 von der Firma F bis spätestens 3. April (richtig: 3. Mai) 1993 wegen Arbeitsmangel freigestellt worden sei. Es liege daher nur eine Unterbrechung vor.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung nicht statt. In der Begründung führt die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und Zitierung der anzuwendenden Gesetzesbestimmungen aus, daß durch die Vereinbarung vom 8. Jänner 1993 das Dienstverhältnis des Beschwerdeführers mit der genannten Firma nicht beendet worden sei. Dies gehe ausdrücklich aus Punkt 1 der Vereinbarung hervor, wo es heiße, daß "das Dienstverhältnis dem rechtlichen Bande nach aurecht bleibe". Darüber hinaus sollte dem Beschwerdeführer die Zeit der Unterbrechung auf alle Ansprüche, die sich nach der Dauer des Dienstverhältnisses richteten, angerechnet werden. Mangels Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses mit der genannten Firma durch die Vereinbarung vom 8. Jänner 1993 sei der Beschwerdeführer ab dem Tag der Geltendmachung nicht als arbeitlos im Sinne des § 12 Abs. 1 AlVG anzusehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorweg ist festzuhalten, daß der Beschwerdeführer am 19. Februar 1993 der belangten Behörde eine neue Vereinbarung vom 19. Februar 1993 zwischen ihm und seinem Arbeitgeber mit der Bezeichnung "Auflösung des Arbeitsverhältnisses - Wiedereinstellungszusage" vorlegte. Das Arbeitsamt Linz gewährte daraufhin dem Beschwerdeführer Arbeitslosengeld ab 19. Februar 1993.

Der Beschwerdeführer macht geltend, daß die Vereinbarung vom 8. Jänner 1993 lediglich eine Wiedereinstellungszusage samt den wesentlichen Bedingungen darstelle. Das Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 12 Abs. 1 AlVG sei erloschen, weil ab dem genannten Zeitpunkt weder der Dienstnehmer eine Arbeit zu erbringen noch der Dienstgeber ein Entgelt zu leisten habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 29. November 1984, Zl. 83/08/0083, Slg. Nr. 11.600/A, ausführlich dargelegt, daß die bloße Karenzierung eines Arbeitsverhältnisses, an das die Arbeitslosenversicherungspflicht anknüpfte, keine Arbeitlosigkeit im Sinne des § 12 AlVG begründet. Liegt hingegen eine Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses vor, dann muß (mangels von Anhaltspunkten für das Vorliegen der zweiten Tatbestandsvoraussetzung des § 12 Abs. 1 AlVG) Arbeitslosigkeit im Sinne des § 12 Abs. 1 leg. cit. bejaht werden.

Bei der Lösung der demnach auch für den Beschwerdefall entscheidenden privatrechtlichen Vorfrage, ob eine Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses oder eine bloße Karenzierung vorliegt, kommt es auf den Inhalt der zwischen den Arbeitsvertragspartnern abgeschlossenen Vereinbarung an, die nach den Regeln des § 914 ABGB auszulegen ist. Hiebei ist nicht so sehr auf die Wortwahl der Parteien, sondern auf die von ihnen bezweckte Regelung der gegenseitigen Rechtsbeziehungen abzustellen. Soll der Arbeitnehmer aufgrund der Absprache nur vorübergehend mit der Arbeit aussetzen, sodaß der Arbeitgeber zu einem späteren Zeitpunkt auf ihn wieder zurückgreifen kann, und der Arbeitnehmer ab diesem Zeitpunkt in gleicher Weise weiterarbeitet, so ist im allgemeinen eine Aussetzung im eigentlichen Sinn, also eine Karenzierung anzunehmen.

Die belangte Behörde hat sich bei Beurteilung der entscheidenden Rechtsfrage auf die Vereinbarung vom 8. Jänner 1993 gestützt. Laut Punkt 1. dieser Vereinbarung werden die Rechte und Pflichten aus dem zwischen der Firma F Gesellschaft m.b.H. und dem Beschwerdeführer bestehenden Dienstverhältnis einvernehmlich ausgesetzt, wobei aber das Dienstverhältnis dem rechtlichen Bande nach aufrecht bleibt. Im Punkt 3. wird bestimmt, daß dem Arbeitnehmer die Zeit der Unterbrechung für alle Ansprüche, die sich nach der Dauer des Dienstverhältnisses richten - ausgenommen Urlaubszuschuß und Weihnachtsremuneration -, angerechnet werden.

Die belangte Behörde ist im Wege der Vertragsauslegung zum Ergebnis gelangt, daß das Arbeitsverhältnis des Beschwerdeführers mit der genannten Gesellschaft nicht beendet, sondern nur ausgesetzt worden sei.

Darin vermag der Verwaltungsgerichtshof keine Rechtswidrigkeit zu erblicken. Aus der - oben wiedergegebenen - Vereinbarung vom 8. Jänner 1993 erhellt, daß damit die unzureichende Auftragslage des Arbeitgebers des Beschwerdeführers durch Ruhen von Arbeitsleistung und Entgeltpflicht, jedoch unter ausdrücklicher Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses, überbrückt werden sollte. Auch der Inhalt des "Einspruches" und die neue Vereinbarung vom 19. Februar 1993 lassen kein anderes Ergebnis der Auslegung der Vereinbarung vom 8. Jänner 1993 zu. Im Rechtsmittel führte der Beschwerdeführer aus, daß er wegen Arbeitsmangels "freigestellt" worden sei. Die Vereinbarung vom 19. Februar 1993 spricht ausdrücklich von einer Auflösung des Dienstverhältnisses. Das wäre unverständlich, wenn nicht die Vereinbarung vom 8. Jänner 1993 von den Vertragsparteien als bloße Karenzierung verstanden worden wäre.

Aufgrund dieser Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1993080126.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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