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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
BAO §115;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des C in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat V) vom 27. Mai 1991, Zl. 6/3-3011/91-09, betreffend Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer 1988, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.980,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Streit besteht im Beschwerdefall ausschließlich darüber, ob die Tätigkeit des Beschwerdeführers als Restaurator, wie von ihm behauptet, als künstlerische oder wissenschaftliche Tätigkeit im Sinne des Einkommensteuergesetzes (§ 22 Abs. 1 Z. 1 lit. a EStG 1972) bzw. im Sinne des Umsatzsteuergesetzes (§ 10 Abs. 2 Z. 7 lit. b bzw. Z. 8 UStG 1972) anzusehen ist (keine Gewerbesteuerpflicht; ermäßigter Umsatzsteuersatz) oder ob es sich dabei um eine gewerbliche Tätigkeit handelt, sodaß die aus der Tätigkeit erzielten Einkünfte der Gewerbesteuer unterliegen und der begünstigte Umsatzsteuersatz nicht zum Tragen kommt (Auffassung der belangten Behörde).
Der Beschwerdeführer hat zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben. Dieser hat die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und sie mit Beschluß vom 25. November 1991, B 784/91-3, an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten.
Vor dem Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde stützt den angefochtenen Bescheid vornehmlich auf die im hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1987, 86/14/0078, zum Ausdruck gebrachte Rechtsansicht, wonach das Ergebnis einer künstlerischen Tätigkeit regelmäßig - sieht man vom Bereich der reproduzierenden Kunst ab - die Schaffung eines Kunstwerkes sei. Wörtlich führte der Gerichtshof in dem zitierten Erkenntnis aus:
"Nun bestand die Tätigkeit der Beschwerdeführerin als Hilfsrestauratorin in den Streitjahren nicht darin, Kunstwerke zu schaffen, sondern bestehende, wenn auch restaurierungsbedürftige Kunstwerke, nach Möglichkeit wiederum in ihren ursprünglichen Zustand zu versetzen und zu konservieren. Zweifellos erfordert eine derartige Tätigkeit ein besonderes Maß an Kunstverständnis, ein gediegenes Wissen um künstlerische Techniken und um die technischen Möglichkeiten der Wiederinstandsetzung und Konservierung bestehender Kunstwerke sowie handwerkliches Können. All dies hat jedoch nicht zur Folge, daß durch die Restaurierung eines Kunstwerkes ein eigenschöpferisches Werk des Restaurators entsteht. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß der Restaurator bemüht sein mag, die schöpferische Tätigkeit des Künstlers geistig nachzuempfinden und so gleichsam dessen Schöpfungsakt nachvollzieht."
Der Gerichtshof hatte sich im zitierten Beschwerdefall mit typischen Reinigungs- und Konservierungsarbeiten einer Hilfsrestauratorin zu befassen. Bei dieser Tätigkeit war eine schöpferische Leistung, wie sie ein Künstler erbringt, nicht erkennbar. Die Hilfsrestauratorin hatte weder Kunstwerke hergestellt noch war sie an der Herstellung von Kunstwerken beteiligt. In einem späteren Erkenntnis vom 14. Jänner 1992, 91/14/0204, hatte der Gerichtshof über einen Beschwerdefall zu entscheiden, in dem ein Restaurator Kunstwerke, die bereits so beschädigt waren, daß ihre gänzliche Zerstörung drohte, wiederum in ihren ursprünglichen Zustand (soweit dies möglich war) versetzt hat. In solchen Fällen wirkt der Restaurator an der (Wieder)Herstellung eines Kunstwerkes mit. Ähnlich, wie ein Kunstwerk von mehreren Künstlern in gemeinsamer Arbeit geschaffen werden kann, kann die Tätigkeit, der ein Kunstwerk seine Existenz verdankt, dergestalt zeitlich hintereinander erfolgen, daß ein zunächst von einem Künstler geschaffenes Kunstwerk in der Folge teilweise oder weitgehend zerstört wird und von einem anderen Künstler wiederum geschaffen wird. Dementsprechend hat der Gerichtshof in dem letzt zitierten Erkenntnis eine derartige Tätigkeit eines Restaurators als künstlerische Tätigkeit anerkannt.
Im gegenständlichen Beschwerdefall hat sich die belangte Behörde mit der konkreten Tätigkeit des Beschwerdeführers überhaupt nicht erkennbar auseinandergesetzt, sondern lediglich abstrakt die Rechtsansicht vertreten, die Tätigkeit des Beschwerdeführers als Restaurator bestehe nicht darin Kunstwerke zu schaffen, "sondern bestehende in ihren ursprünglichen Zustand zu versetzen". In "der Nachgestaltung der Werke" sei keine künstlerische Tätigkeit zu erblicken.
Da es die belangte Behörde auf Grund dieser unrichtigen Rechtsansicht unterlassen hat, die konkrete Tätigkeit des Beschwerdeführers näher zu prüfen - dieser hat wiederholt das künstlerisch schöpferische Element seiner Tätigkeit betont - erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die in der Gegenschrift nachgetragene Feststellung, die belangte Behörde habe sehr wohl "die vorgebrachte Dokumentation über die geleisteten Arbeiten berücksichtigt", kann die diesbezüglich fehlenden Ausführungen und Erwägungen im angefochtenen Bescheid nicht ersetzen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1992130005.X00Im RIS seit
20.11.2000