TE Vwgh Erkenntnis 1995/3/22 94/03/0271

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Veröffentlicht am 22.03.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs3;
AVG §60;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer, DDr. Jakusch, Dr. Gall und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde der H-Ges.m.b.H. in W, vertreten durch Dr. O, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 20. Juli 1994,

Pr. Zl. 76.723/8-9/94, betreffend Verweigerung der Genehmigung einer Revision zu einem Betriebshandbuch, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aus dem Vorbringen in der Beschwerde im Zusammenhang mit dem Inhalt des angefochtenen Bescheides ergibt sich folgender Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin ist gemäß einer Bescheinigung der belangten Behörde gewerblicher Herstellungsbetrieb und berechtigt, die in ihrem Betriebshandbuch aufscheinenden Luftfahrzeuge sowie deren Bau- und Bestandteile herzustellen und die dazugehörigen Prüfscheine gemäß § 27 Abs. 4 ZLLV auszustellen. Gleichzeitig ist sie auf Grund einer Bescheinigung der belangten Behörde gewerblicher Wartungsbetrieb und daher berechtigt, Wartungsarbeiten im Sinne des § 48 ZLLV an Zivilluftfahrzeugen, die für die Verwendungsarten gemäß § 30 Abs. 1 Z. 1 bis 4 ZLLV zugelassen sind sowie an Zivilluftfahrtgerät einschließlich zulassungspflichtigem Zivilluftfahrtgerät durchzuführen und Wartungsbescheinigungen gemäß § 53 ZLLV auszustellen. Die genannten Bescheinigungen sind gemäß § 54 Abs. 6 ZLLV dem Umfang nach beschränkt, und zwar gemäß dem einen Anhang zu diesen Bescheinigungen bildenden technischen Betriebshandbuch (TBH), welches von der belangten Behörde am 28. Mai 1993 genehmigt wurde. In diesem technischen Betriebshandbuch ist unter Punkt 6.8.4 der Einbau und die Funktionskontrolle der elektronischen Ausrüstung geregelt. So etwa heißt es im letzten Absatz des Punktes 6.8.4. "Die Funktionskontrolle (Check after installation) der Funk- und Navigationsgeräte wird entweder von einem durch die OZB zugelassenen luftfahrttechnischen Elektronikbetrieb durchgeführt oder vom Herstellungspersonal gemäß Anweisung der Gerätehersteller durchgeführt." Diese Arbeiten werden gemäß Punkt 6.8.7. durch die Abteilung Qualitätswesen (QW) insbesondere vom WP/EM

(d.h. WP = Werksprüfer und EM = Abteilung Endmontage) durchgeführt und wird in der Folge die fachgerechte Durchführung in den Arbeits- und Prüfprogrammen und auf den Antragsformularen bestätigt. Laut Anhang 4 zu diesem TBH sind als WP/EM zwei Mitarbeiter der Beschwerdeführerin angeführt, die beide Luftfahrzeugwarte sind. Bereits aus dem Betriebshandbuch ergibt sich, daß die von der Beschwerdeführerin zum Einbau gebrachte elektronische Ausrüstung (Avionik) sowohl hinsichtlich des Einbaues als auch der Funktionskontrolle (Check after installation) jeweils durch Luftfahrzeugwarte überprüft wird.

Ausgehend von einer Besprechung mit einem Vertreter der belangten Behörde hat die Beschwerdeführerin ihr technisches Betriebshandbuch im Hinblick auf den Punkt 6.8.4. erweitert und über die personellen Voraussetzungen, insbesondere bei der Funktionskontrolle (Postinstallation Test) ergänzt. Diese Ergänzung erfolgte in Absprache mit dem Vertreter der belangten Behörde. Diese Änderung des technischen Betriebshandbuches wurde durchgeführt, obgleich die Beschwerdeführerin die Auffassung vertrat, daß bereits die "Urfassung" des Betriebshandbuches ausreiche, um berechtigterweise die elektronische Ausrüstung sowohl einbauen als auch hinsichtlich ihrer Funktion kontrollieren zu können. Nicht zuletzt wurde dies notwendig, weil die A-Ges.m.b.H. bei der Stückprüfung die Abzeichnung des Einbaues und der Funktionskontrolle der elektronischen Ausrüstung durch einen Wart der Klasse 1 verlangt.

Über den Antrag der Beschwerdeführerin auf Genehmigung dieser Änderung erließ die belangte Behörde folgenden

" BESCHEID

Das Bundesministerium für öffentliche Wirtschaft und Verkehr als Oberste Zivilluftfahrtbehörde hat nach eingehender Prüfung der Revision 1 (Ausgabe 15.2.1994) zum TBH und Besprechungen mit Fachleuten der A-Ges.m.b.H. festgestellt, daß die vorliegende Revision 1 zum TBH in dieser Form nicht genehmigt werden kann.

Begründung:

Die Aufsichtsbehörde ist der Auffassung, daß die vorgelegte Revision 1 zum TBH im Hinblick auf die erforderliche Ausbildung eines zum Einsatz kommenden Technikers OHNE Wartschein für den Bereich Avionik zu wenig genau beschrieben ist. Dies würde einen geringeren Sicherheitsstandard, als bei Verwendung von Wartscheininhabern für den Fachbereich elektrische und elektronische Bordausrüstung darstellen.

Um die Anlehnung an § 28 Abs. 2 LFG, Luftfahrtgesetz, § 54 ZLLV, Zivilluftfahrzeug- und Luftfahrtgerät-Verordnung sowie ICAO Annex 1 von der Erfordernis eines Wartscheines abzusehen und die von einem nichtlizenzierten, bereits ausgebildeten Techniker die vorgesehenen elektronischen Prüfungen im Rahmen des Zusammenbaues der bei H-GmbH hergestellten Luftfahrzeuge durchführen und abzeichnen zu können, müßte zumindest noch folgende Regelung betreffend Schulung erfolgen:

-

3 Wochen Grundlagenschulung für den Fachbereich Elektronik

-

Typenkurse für die einzelnen Units (z.B.: Comm, Nav. etc.),

die in den Luftfahrzeugen Dimona bzw. Katana eingebaut werden sollen

-

Feststellung der Fähigkeiten hinsichtlich der Handhabung der elektronischen Meßgeräte.

Der Ablauf der Schulungen unter spezieller Festlegung der abzulegenden Prüfungen wäre ebenfalls zu beschreiben.

Weiters wären die Qualifikationserfordernisse für die zu diesem Einbau berechtigten Personen genauer anzugeben.

Es wird ersucht, eine überarbeitete Revision 1 des TBH an die Oberste Zivilluftfahrtbehörde zu übermitteln oder einen Besprechungstermin, bei dem die o.a. Punkte näher erläutert werden können, zu vereinbaren."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat, obwohl sie in der Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Oktober 1994 auf die Rechtsfolgen des § 38 Abs. 2 VwGG hingewiesen wurde und ihr mit Verfügung vom 20. Jänner 1995 eine Nachfrist von zwei Wochen gestellt wurde, die Akten des Verwaltungsverfahrens nicht vorgelegt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof in ihrem Recht auf eigenverantwortliche Durchführung des Einbaues und der elektronischen Prüfung der in ihren Luftfahrzeugen eingebauten Avionik verletzt. In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes macht die Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend, obwohl sich aus dem angefochtenen Bescheid (arg.: Besprechung mit Fachleuten der A-Ges.m.b.H.) ergebe, daß ein Ermittlungsverfahren durchgeführt worden sei, sei ihr weder das Ergebnis dieses Ermittlungsverfahrens zur Kenntnis gebracht noch Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Hätte die belangte Behörde diesen Verfahrensmangel vermieden, wäre sie zu der Feststellung gelangt, daß die von der Beschwerdeführerin vorgesehene Änderung zum technischen Betriebshandbuch insbesondere auch im Hinblick auf die Sicherheit der Zivilluftfahrt jedenfalls ausreichend erscheine, um von der (ohne gesetzliche Grundlage) vorgesehenen Beiziehung eines Warts der Klasse 1 beim Einbau und der Überprüfung der Avionik abzusehen. Auch wäre die belangte Behörde bei Einholung einer entsprechenden Stellungnahme der Beschwerdeführerin zu dem Ergebnis gelangt, daß die von der Beschwerdeführerin vorgesehenen Schulungsmaßnahmen ausreichten, um einen verläßlichen und dem Prinzip der Sicherheit der Zivilluftfahrt ausreichenden Qualitätsstandard zu erreichen. Die belangte Behörde habe es auch entgegen der Bestimmung des § 54 ZLLV unterlassen, vor ihrer Entscheidung eine Verhandlung in der Betriebsstätte durchzuführen. Bei Durchführung einer solchen Verhandlung wäre die belangte Behörde insbesondere im Hinblick auf die von der Beschwerdeführerin eingeleiteten und durchgeführten Schulungsmaßnahmen und der von ihr angeschafften Überprüfungsgeräte zu dem Ergebnis gelangt, daß beim Einbau und bei der Überprüfung der Avionik in die von der Beschwerdeführerin hergestellten Luftfahrzeuge ein derart hoher Qualitätsstandard erreicht werde, daß die (gesetzlos) geforderte Überprüfung dieses Einbaues und der Funktionskontrolle durch einen Wart der Klasse 1 jedenfalls nachgesehen werden könne. Auch entspreche die Begründung des angefochtenen Bescheides nicht den Erfordernissen des § 58 Abs. 2 AVG. Es fehle darin jeglicher Hinweis auf die tatsächlichen Annahmen der Behörde und auch die rechtlichen Erwägungen seien nicht nachvollziehbar. Schließlich seien auch die Beweismittel, auf die sich die (im Bescheid nicht dargestellten) Feststellungen gründeten, nicht angeführt.

Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides bringt die Beschwerdeführerin vor, das Erfordernis der Überwachung der in Rede stehenden Arbeiten durch einen Wart der Klasse 1 sei im Gesetz nicht begründet. Weder das Luftfahrtgesetz noch die auf Grund dieses Gesetzes ergangenen Verordnungen enthielten Anhaltspunkte für ein derartiges Erfordernis. Ungeachtet dessen sei die Beschwerdeführerin der Auffassung, daß die von ihr in der Revision 1 dargestellten Schulungsmaßnahmen und Ausbildungsvoraussetzungen jedenfalls ausreichten, um die Qualitätskontrolle zu erreichen, welche durch die Kontrolle durch einen Wart der Klasse 1 gegeben wäre.

Schließlich wäre die belangte Behörde selbst dann, wenn ihre diesbezügliche Rechtsauffassung zuträfe, nicht berechtigt gewesen, den Antrag der Beschwerdeführerin abzuweisen, sondern sie wäre verhalten gewesen, ihn unter Vorschreibung entsprechender Auflagen, wie sie in der Begründung des angefochtenen Bescheides angeführt sind, zu genehmigen.

Der Verwaltungsgerichtshof geht, da die belangte Behörde trotz Hinweis auf die Säumnisfolge des § 38 Abs. 2 VwGG die Akten des Verwaltungsverfahrens nicht vorgelegt hat, in Anwendung dieser Bestimmung in sachverhaltsmäßiger Hinsicht vom diesbezüglichen Vorbringen in der Beschwerde aus.

Die Beschwerde erweist sich schon auf Grund folgender Erwägung als berechtigt:

Aus dem in den Spruch des angefochtenen Bescheides aufgenommenen Begründungselement ergibt sich, daß die belangte Behörde vor ihrer Entscheidung ein Ermittlungsverfahren in Form von "Besprechungen mit Fachleuten der A-Ges.m.b.H."

durchführte, von dessen Ergebnis aber die Beschwerdeführerin entgegen der Bestimmung des § 45 Abs. 3 AVG weder in Kenntnis gesetzt noch ihr die Gelegenheit gegeben wurde, hiezu Stellung zu nehmen. Die Behörde unterließ es aber entgegen der Bestimmung des § 60 AVG auch, die Ergebnisse ihres Ermittlungsverfahrens in der Begründung des angefochtenen Bescheides darzustellen. Schon dieser Mangel allein bewirkt - abgesehen von dem mit der geschilderten Vorgangsweise der belangten Behörde verbundenen Verstoß gegen die Bestimmung des § 45 Abs. 3 AVG -, daß sich der angefochtene Bescheid einer inhaltlichen Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof entzieht.

Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994030271.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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