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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §67a;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des A in L, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 14. März 1991, Zl. 3-50-2/91-E2, betreffend Festnahme und Anhaltung in Schubhaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Vorarlberg (die belangte Behörde) die vom Beschwerdeführer, einem türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 5a Fremdenpolizeigesetz erhobene Beschwerde gegen die am 8. Jänner 1991 (gegen 11.15 Uhr) erfolgte Festnahme und die folgende Anhaltung in Schubhaft bis 16. Jänner 1991 (gegen 18.00 Uhr) als unbegründet ab.
In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde - soweit dies für die Erledigung der dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Beschwerde noch von Bedeutung ist - folgendes aus:
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 12. Dezember 1990 sei der Beschwerdeführer gemäß § 10a Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz ausgewiesen worden. Gegen diesen Bescheid habe der Beschwerdeführer Berufung erhoben.
Mit Schreiben vom 27. Dezember 1990 sei der Vertreter des Beschwerdeführers durch die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn darauf hingewiesen worden, daß der Beschwerdeführer trotz der eingebrachten Berufung das Bundesgebiet unverzüglich zu verlassen habe. Aus dem Gendarmeriebericht vom 4. Jänner 1991 ergebe sich, daß der Beschwerdeführer trotz mehrfacher Aufforderung dem Ausweisungsbescheid keine Folge geleistet habe. Die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn habe hierauf mit Bescheid vom 4. Jänner 1991 gemäß § 5 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz die Schubhaft angeordnet und die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung gegen diesen Bescheid ausgeschlossen. Dieser Bescheid sei dem Vertreter des Beschwerdeführers am 7. Jänner 1991 zugestellt worden. Am 8. Jänner 1991 gegen 11.15 Uhr sei der Beschwerdeführer von Gendarmeriebeamten an seinem Arbeitsplatz festgenommen und in den Landesarrest Bludenz überführt worden. Am 16. Jänner 1991 gegen 18.00 Uhr sei der Beschwerdeführer aus der Schubhaft entlassen worden.
Die Beschwerde gegen die Festnahme und Anhaltung in Schubhaft sei bei der belangten Behörde am 8. Jänner 1991 eingelangt. Soweit damit die Rechtswidrigkeit des Ausweisungsbescheides geltend gemacht werde, sei darauf bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Schubhaft nicht weiter einzugehen. Die Schubhaft habe der Durchsetzung des Ausweisungsbescheides gedient. Die Festnahme und Anhaltung des Beschwerdeführers sei zur Sicherung seiner Abschiebung notwendig gewesen. Die Schubhaft sei auch im Interesse der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit notwendig gewesen, zumal sich der Beschwerdeführer entgegen der in § 10a Abs. 5 Fremdenpolizeigesetz statuierten Verpflichtung zum sofortigen Verlassen des Bundesgebietes weiterhin im Bundesgebiet aufgehalten habe, und zwar obwohl er mehrfach auf die Verpflichtung zur Befolgung des Ausweisungsbescheides aufmerksam gemacht worden sei. Die Schubhaft sei auch nach Erlassung des Schubhaftbescheides nicht rechtswidrig geworden.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluß vom 9. Juni 1992, B 419/91-6, ihre Behandlung ablehnte und sie mit Beschluß vom 19. Oktober 1992, B 419/91-8, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Der Beschwerdeführer hat in seiner Beschwerdeergänzung auf Ausführungen in der an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde verwiesen. Darauf wird im folgenden nur insoweit näher eingegangen, als in diesem Vorbringen der Sache nach auch die Verletzung (einfach)gesetzlich gewährleisteter subjektiver Rechte geltend gemacht wird.
1.2. Soweit der Beschwerdeführer der belangten Behörde eine Verletzung der Verpflichtung, über seine Beschwerde binnen einer Woche zu entscheiden, vorwirft, ist ihr folgendes zu erwidern:
Gemäß § 5a Abs. 6 Z. 2 Fremdenpolizeigesetz hatte die Entscheidung über eine Schubhaftbeschwerde binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet.
Die Bestimmung des § 5a Fremdenpolizeigesetz wurde mit dem Bundesgesetz BGBl. Nr. 21/1991 in das Fremdenpolizeigesetz eingefügt. Das Bundesgesetz BGBl. Nr. 21/1991 ist nach seinem Art. II am 1. Jänner 1991 in Kraft getreten. Es wurde in dem am 17. Jänner 1991 ausgegebenen 9. Stück des Jahrganges 1991 verlautbart. Auf Grund der Bestimmung über das Inkrafttreten mit 1. Jänner 1991 hatte zwar die belangte Behörde dieses Gesetz bei der Entscheidung über die bei ihr anhängige (und noch nicht erledigte) Schubhaftbeschwerde anzuwenden und die Beschwerde demnach meritorisch zu erledigen. Eine Verletzung der im § 5a Abs. 6 Z. 2 leg. cit. normierten Entscheidungsfrist kann der belangten Behörde jedoch nicht vorgeworfen werden, weil bereits vor der Kundmachung des genannten Gesetzes im Bundesgesetzblatt, das heißt vor dem Entstehungszeitpunkt des Gesetzes und somit vor dem Zeitpunkt, zu dem die belangte Behörde frühestens tätig werden konnte, die Voraussetzungen für die genannte Entscheidungsfrist weggefallen waren.
1.3. Auf den vom Beschwerdeführer behaupteten Verstoß gegen Art. 1 Abs. 3 des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl. Nr. 684/1988, war nicht näher einzugehen, weil die Wahrnehmung der Verletzung dieses verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes entzogen ist (siehe das hg. Erkenntnis vom 4. September 1992, Zl. 92/18/0116).
1.4. Die Behauptung des Beschwerdeführers, die Anhaltung habe 13 Tage gedauert, ist aktenwidrig. Der Inschubhaftnahme und Anhaltung des Beschwerdeführers lag zugrunde, daß er einem vollstreckbaren Ausweisungsbescheid trotz wiederholter Aufforderung nicht Folge geleistet hat. Bei dieser Sachlage war es nicht rechtswidrig, zur Sicherung der Abschiebung den Beschwerdeführer, der sich unerlaubt im Bundesgebiet aufhielt, in Schubhaft zu nehmen, da dies im Interesse der öffentlichen Ordnung (auf dem Gebiet des Fremdenwesens) notwendig erschien (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1992, Zl. 92/18/0422). Daß der Grund für die Anhaltung des Beschwerdeführers bereits vor der am 16. Jänner 1991 erfolgten Entlassung aus der Schubhaft weggefallen wäre, ist nicht erkennbar.
1.5. Soweit der Beschwerdeführer rügt, daß keine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt worden sei, ist er auf § 5a Abs. 6 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz hinzuweisen, wonach eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Diese Voraussetzung lag im Beschwerdefall vor. Die vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken teilt der Verwaltungsgerichtshof nicht. Das gleiche gilt für die vom Beschwerdeführer geäußerten Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 10a Fremdenpolizeigesetz. Der Verfassungsgerichtshof, an den diese Bedenken zunächst herangetragen worden waren, hat keinen Grund für die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens gefunden.
1.6. Mit seiner Behauptung, die belangte Behörde habe gegen das Prinzip der festen Geschäftsverteilung verstoßen, vermag der Beschwerdeführer schon deshalb keine Rechtsverletzung aufzuzeigen, weil nach dem Vorbringen der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens jenes Mitglied der belangten Behörde, das über die an diese gerichtete Beschwerde entschieden hat, nach der Geschäftsverteilung ohnedies dafür zuständig war, sodaß kein Verstoß gegen die Geschäftsverteilung vorliegt. Daß ein vom Beschwerdeführer namentlich genanntes Mitglied in der Geschäftsverteilung der belangten Behörde zunächst noch nicht berücksichtigt war, hat seinen Grund - nach den unwidersprochen gebliebenen Ausführungen der belangten Behörde in der an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Gegenschrift - darin, daß dieses Mitglied noch nicht mit Wirkung vom 1. Jänner 1991 ernannt war.
Im übrigen berührt die Art und Weise, wie die Geschäfte unter die Mitglieder des unabhängigen Verwaltungssenates verteilt werden, nicht subjektive Rechte einer Partei eines vor dem unabhängigen Verwaltungssenat geführten Verfahrens.
2.1. In der Beschwerdeergänzung wird ausgeführt, der Verfassungsgerichtshof halte § 10a Fremdenpolizeigesetz offensichtlich für verfassungskonform. Bei verfasssungskonformer Auslegung müsse aber das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK berücksichtigt werden, weshalb auf die persönlichen und familiären Interessen des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen gewesen wäre.
2.2. Diese Ausführungen gehen schon deshalb ins Leere, weil der unabhängige Verwaltungssenat bei der Entscheidung über die Schubhaftbeschwerde nicht die Rechtmäßigkeit jenes vollstreckbaren Bescheides zu überprüfen hat, mit dem ein Aufenthaltsverbot erlassen oder die Ausweisung verfügt wurde. Im übrigen entspricht die vom Beschwerdeführer vorgenommene Auslegung des § 10a Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz nicht der Rechtslage (siehe das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. November 1991, B 42/91-11).
3. Aus den dargelegten Gründen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1992180423.X00Im RIS seit
20.11.2000