Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §67c Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Gruber, Dr. Höfinger und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde des Dr. N, Rechtsanwalt in Graz, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der SDBV-GmbH in G, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Salzburg vom 11. Jänner 1993, Zl. UVS-6/9/2-1993, betreffend Zurückweisung einer Maßnahmenbeschwerde wegen Verspätung in Angelegenheit der Absonderung und Versiegelung von Waren nach dem Punzierungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Finanzen) hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 13.370,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Mit Bescheid vom 11. Jänner 1993 wies der Unabhängige Verwaltungssenat Salzburg die Beschwerde der nunmehr auch vor dem Verwaltungsgerichtshof beschwerdeführenden Partei gegen die amtliche Versiegelung beanstandeter Gegenstände am 21. März 1990 in Salzburg durch Organe des Punzierungsamtes Linz gemäß § 67c AVG als verspätet eingebracht zurück.
Nach der Begründung dieses Bescheides sei in der Beschwerde an den Unabhängigen Verwaltungssenat ausgeführt worden, daß am 21. März 1990 von Organen des Punzierungsamtes Linz im Geschäftslokal der "Z" Handelsgesellschaft m.b.H. in XY verschiedene Gold- und Silbergegenstände beanstandet worden seien. Diese beanstandeten Gegenstände seien von den Organen des Punzierungsamtes Linz amtlich versiegelt worden. Mit Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 28. Oktober 1991 sei über das Vermögen der "SDBV" Ges.m.b.H. (der Gemeinschuldnerin) in G das Konkursverfahren eröffnet und in diesem Verfahren der beschwerdeführende Rechtsanwalt vom Konkursgericht als Masseverwalter bestellt worden. Am 12. Februar 1992 hätten sich, so heiße es in der Maßnahmenbeschwerde weiter, der in Untersuchungshaft befindliche faktische Geschäftsführer der genannten Ges.m.b.H., B, und ein Mitarbeiter des Masseverwalters beim Punzierungsamt Graz eingefunden, um die in Rede stehenden Gold- und Silbergegenstände, die punziert worden seien, zu sichten und zu übernehmen. Dem beschwerdeführenden Masseverwalter sei dabei erstmals der Amtliche Befund vom 21. März 1990 vorgelegt worden, sodaß er von dieser faktischen Amtshandlung erst mit 12. Februar 1992 Kenntnis erlangt habe. Er erachte die sechswöchige Beschwerdefrist daher als gewahrt.
Sodann heißt es im angefochtenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Salzburg weiter: Aus den mit der Maßnahmenbeschwerde vorgelegten Unterlagen sei eindeutig zu ersehen, daß am 21. März 1990 durch ein Organ des Punzierungsamtes Linz verschiedene Gegenstände aus Gold bzw. Silber in XY beanstandet worden seien. Die Überprüfung habe im Beisein der Filialleiterin I der Firma SDBV
(Z Handelsges.m.b.H.) stattgefunden. Von der Filialleiterin sei das amtliche Protokoll gegengezeichnet worden, wobei die Verpflichtung zur Kenntnis genommen worden sei, bis zum 11. April 1990 mit der amtlich versiegelten Ware beim Punzierungsamt Linz zu erscheinen. Daraus ergebe sich, daß die Firma "Z" mit dem Sitz in XY an der zitierten Adresse als Filialbetrieb der SDBV Ges.m.b.H. mit dem Sitz in G anzusehen sei. Aus diesem Grund hätte der handelsrechtliche Geschäftsführer der genannten Gesellschaft innerhalb der sechswöchigen Beschwerdefrist ab 21. März 1990 Beschwerde beim Verwaltungs- oder Verfassungsgerichtshof erheben müssen. Vor Konkurseröffnung sei A zum handelsrechtlichen Geschäftsführer bestellt gewesen. Dieser hätte als Vertreter der Gesellschaft (§ 18 GmbH-Gesetz) die Beschwerde einbringen müssen, sofern man die amtliche Versiegelung von beanstandeten Gegenständen, welche gemäß § 44 der Durchführungsverordnung zum Punzierungsgesetz, BGBl. Nr. 385/1967 (im folgenden: Durchführungsverordnung), ausdrücklich vorgesehen sei, als unmittelbare Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ansehe. Die versiegelten Gegenstände seien von der Filialleiterin der Filiale XY "Z" der SDBV Ges.m.b.H., G, dem Punzierungsamt zur Punzierung übermittelt worden. Es wäre deshalb auch Aufgabe des Geschäftsführers der SDBV Ges.m.b.H. gewesen, nach erfolgter Punzierung die Gegenstände zurückzunehmen. Es gehe nicht an, daß der Masseverwalter im Konkursverfahren über die SDBV Ges.m.b.H. 22 Monate nach der Amtshandlung ein Versäumnis des seinerzeitigen handelsrechtlichen Geschäftsführers zu sanieren versuche.
1.2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Nach der Begründung der Beschwerde sei I Angestellte bzw. Filialleiterin der Z Handelsges.m.b.H. in XY gewesen. Diese Ges.m.b.H. habe im Kommissionswege diverse Gold- und Silbergegenstände für die nunmehrige Gemeinschuldnerin, deren Firmensitz in G sei, verkauft; die nunmehrige Gemeinschuldnerin habe niemals in XY eine Filiale besessen. Die gemeinschuldnerische Ges.m.b.H. sei mit der Z Handelsges.m.b.H. nicht ident. Der Amtliche Befund vom 21. März 1990 hätte seinerzeit der gemeinschuldnerischen Gesellschaft ausgehändigt bzw. zugestellt werden müssen. Die Aushändigung des Amtlichen Befundes an eine Angestellte der Z Handelsges.m.b.H. sei keine ordnungsgemäße Bekanntgabe der amtlichen Versiegelung der Gold- und Silbergegenstände. Damit sei der Amtliche Befund nicht der Partei im Sinne des § 44 der Durchführungsverordnung ausgefolgt worden. Der Befund wäre von der Partei mit zu unterfertigen gewesen; eine Ausfertigung wäre an die Partei auszufolgen gewesen. Die nunmehrige Gemeinschuldnerin habe nicht vor dem 12. Februar 1992 Kenntnis von der amtlichen Versiegelung erhalten.
1.3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. § 44 der Durchführungsverordnung zum PunzierungsG lautete bis zum Inkrafttreten der Aufhebung des dritten und vierten Satzes dieser Verordnungsstelle durch den Verfassungsgerichtshof mit Ablauf des 31. Juli 1993 (Erkenntnis vom 1. Oktober 1992, V 4/92, Slg. Nr. 13.181
= ZfVB 1994/1/353):
"Ergibt sich bei der amtlichen Nachschau eine Beanstandung, so ist ein amtlicher Befund in doppelter Ausfertigung aufzunehmen, der von der Partei mit zu unterfertigen ist. Eine Ausfertigung hievon ist der Partei auszufolgen. Die beanstandeten Waren und sonstigen Gegenstände sind vom Warenlager abzusondern, von der Partei zu verpacken, mit dem Siegel des Amtsorgans zu versehen und mit dem aufgenommenen Befund dem Punzierungsamt zu übergeben. Doch kann auch die Partei die Vorlage des versiegelten Paketes innerhalb einer vom Organ der Punzierungsbehörde zu bestimmenden Frist im Punzierungsamt selbst vornehmen."
Gemäß § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG entscheiden die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes. Dem § 67c Abs. 1 AVG zufolge sind Beschwerden nach § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG innerhalb von sechs Wochen ab dem Zeitpunkt, in dem der Beschwerdeführer von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Kenntnis erlangt hat, bei dem unabhängigen Verwaltungssenat einzubringen, in dessen Sprengel dieser Verwaltungsakt gesetzt wurde.
2.2. In der Beschwerde an den unabhängigen Verwaltungssenat gab der beschwerdeführende Masseverwalter folgende Sachverhaltsdarstellung: Die gemeinschuldnerische Ges.m.b.H. habe unter anderem den Verkauf von Gold- und Silbergegenständen betrieben. Solche Gegenstände seien auch im Kommissionswege im Geschäftslokal der Z Handelsges.m.b.H. in XY zum Verkauf angeboten worden. Am 21. März 1990 seien von Organen des Punzierungsamtes Linz anläßlich einer amtlichen Nachschau im einzelnen genannte im Eigentum der Gemeinschuldnerin stehende Gold- und Silbergegenstände beanstandet worden. Diese Gegenstände seien von den Organen des Punzierungsamtes Linz amtlich versiegelt worden.
Dieser Teil der Maßnahmenbeschwerde wird im angefochtenen Bescheid nicht wiedergegeben. Dementsprechend fehlt es sodann an jeglicher Auseinandersetzung mit der Behauptung des beschwerdeführenden Masseverwalters, die Ware sei im Eigentum der Gemeinschuldnerin gestanden und im Kommissionswege im Geschäftslokal der Z Handelsges.m.b.H. in XY zum Verkauf angeboten worden. Ohne die vom beschwerdeführenden Masseverwalter angebotenen Personalbeweise aufzunehmen, stützte sich die belangte Behörde offenkundig - allerdings auch ohne dies offenzulegen - allein auf die völlig unklare handschriftliche Eintragung im Amtlichen Befund des Punzierungsamtes Linz vom 21. März 1990 mit dem Wortlaut "Fa. L SDBV GesmbH (Z) Fil. Leiterin I", läßt aber außer acht, daß sich neben dieser Eintragung noch der Firmenstempel der "Z Handels Ges.m.b.H., XY" befindet und daß I den Amtlichen Befund unter (nochmaliger) Beifügung des Firmenstempels der Z Handels Ges.m.b.H. unterfertigt hat. Dieser Sachverhalt läßt - jedenfalls ohne weitere Ermittlungen - nicht die Feststellung zu, die Überprüfung hätte im Beisein der "Filialleiterin I der Firma SDBV (Z Handelsges.m.b.H.)" stattgefunden (Seite 3 des angefochtenen Bescheides) und die versiegelten Gegenstände seien "von der Filialleiterin der Filiale XY "Z" der SDBV Ges.m.b.H., G", dem Punzierungsamt zur Punzierung übermittelt worden (Seite 4 des angefochtenen Bescheides).
Völlig unbegründet ist sodann die daraus abgeleitete Folgerung, die Firma "Z" mit dem Sitz in XY sei als Filialbetrieb der SDBV Ges.m.b.H. mit dem Sitz in G anzusehen.
Da aber ein rechtliches Verhältnis zwischen der I und der konkursverfangenen Gesellschaft m.b.H., welches es gestatten würde, die Kenntnis der ersteren über die Amtshandlung der in ihren Rechten (allenfalls/auch) berührten gemeinschuldnerischen Gesellschaft zuzurechnen, nicht in einem mängelfreien Verfahren festgestellt wurde, erweist sich die Annahme der Verspätung der Beschwerdeführung vor dem unabhängigen Verwaltungssenat als verfehlt. Der Sachverhalt ist vielmehr in wesentlichen Punkten ergänzungs- und begründungsbedürftig geblieben.
Bemerkt sei noch, daß der Verwaltungsgerichtshof auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes zu entscheiden hat (§ 41 VwGG). Ein Nachtragen von Feststellungen und Begründungselementen in der Gegenschrift vermag daher in einem Fall wie dem vorliegenden - die Gegenschrift stützt sich zum Beleg für die frühere Kenntniserlangung der (Organe der) betroffenen Ges.m.b.H. von der bekämpften Maßnahme auf Aktenstücke und Verfahren, die im angefochtenen Bescheid überhaupt nicht zur Sprache gekommen sind - der belangten Behörde in diesem verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht zum Erfolg zu verhelfen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
2.3. Die beschwerdeführende Partei hat einen Verhandlungsantrag nur für den Fall gestellt, daß der Verwaltungsgerichtshof die Durchführung einer mündlichen Verhandlung für zweckmäßig erachtet. Im Hinblick auf die durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides eröffnete Verfahrenslage hat der Verwaltungsgerichtshof die Durchführung einer Verhandlung nicht als zweckmäßig erachtet (§ 39 Abs. 1 Z. 2 VwGG; vgl. auch für den Fall eines tauglichen Verhandlungsantrages den § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG).
2.4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I Z. 1 und Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebührenersatz war nur im erforderlichen Ausmaß zuzusprechen.
Schlagworte
Angenommener Sachverhalt (siehe auch Sachverhalt Neuerungsverbot Allgemein und Sachverhalt Verfahrensmängel)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1993170068.X00Im RIS seit
20.11.2000