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L55008 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Vorarlberg;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Novak, Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde des R in D, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in D, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 18. Juni 1990, Zl. IVe-223/153, betreffend landschaftsschutzrechtliche Bewilligung, Zurückweisung einer Berufung und Entfernungsauftrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 7. November 1989 wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen, binnen 3 Wochen auf seinem landwirtschaftlichen Anwesen in M, Grundparzellen Nr. 4.114, 4.115, 4.117 und 4.133 sowie Bauparzellen Nr. 142 und 143 den rechtmäßigen ursprünglichen Zustand dadurch herbeizuführen, daß im einzelnen aufgezählte Gegenstände ("Gerätschaften, insbesondere Eisenmaterialien, wie z. B. Lastkraftwagen, mehrere Anhänger, Silobestandteile, verschiedenste Wechselaufbauten für Lastkraftwagen, Container, große Mengen an Rohren, größere Mengen an Plastikkabeln, Altreifen, Pritschenwagen, mehrere Einkaufswagen, Öltanks, Fässer, Betonmischer, Flaschenwaschanlage, größere Anzahl an Heizkörpern, Heizungsrohren, Knochenmühle, Sandmühle, Chromstahlbecken") restlos entfernt und entsorgt werden.
Der Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
Mit Eingabe vom 7. Dezember 1989 beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung "einer Bewilligung der Lagerung des Materials bis zur Fertigstellung unseres Neubauvorhabens". Er führte aus, es handle sich bei dem Material "um die Konstruktionen für den Stallneubau, die Stallheizung, Kessel, Rohre, Heizkörper für den Neubau, Kabel zur Installationszwecken, Knochenmühle etc., Holz für Außenverkleidung, Mistlagerungen".
Mit Spruchpunkt I ihres Bescheides vom 21. Februar 1990 versagte die BH die Erteilung der Landschaftsschutzbewilligung für die Errichtung eines Lagerplatzes gemäß § 3 Abs. 1 lit. l iVm § 10 Abs. 1 des Landschaftsschutzgesetzes, LGBl. Nr. 1/1982 (LSchG). Mit Spruchpunkt II dieses Bescheides erteilte die BH dem Beschwerdeführer den Auftrag, binnen 3 Wochen auf seinem landwirtschaftlichen Anwesen in M, Grundparzellen Nr. 4.114, 4.115, 4.117, 4.133, 4.422 und Bauparzelle 143 alle gelagerten und abgelagerten Materialen restlos zu entfernen und sofort auf einem behördlich genehmigten Platz zu verwahren oder einem berechtigten Unternehmer zu übergeben.
Gegen den letztgenannten Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung. Er führte im wesentlichen aus, durch Bepflanzungsmaßnahmen könne die Einsehbarkeit genommen werden. Es hätte daher der Ablagerungsplatz bewilligt und entsprechende Bepflanzungsmaßnahmen als Auflagen festgelegt werden müssen. Die Ablagerungen stellten eine Baustelleneinrichtung dar; eine Landschaftsschutzbewilligung sei daher nicht erforderlich.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung gegen Spruchpunkt I des Bescheides der BH sowie dessen Spruchpunkt II, soweit er die Grundparzelle Nr. 4.422 KG M betraf, keine Folge. Die Berufung gegen Spruchpunkt II des Bescheides, soweit er die Grundparzellen Nr. 4.114, 4.115, 4.117, 4.133 und Bauparzelle Nr. 143 KG M betraf, wurde als verspätet zurückgewiesen.
Begründend traf die belangte Behörde nach Darlegung des Verfahrensganges folgende Feststellungen: Das Grundstück des Beschwerdeführers liege inmitten einer sanften Hügellandschaft mit landwirtschaftlicher Grünlandnutzung. Große Wiesenflächen seien von artenreichem Mischwald umrahmt. Insgesamt handle es sich um eine gepflegte Kulturlandschaft mit vereinzelten naturnahen Elementen entlang von Gerinnen. Die Landschaft strahle Ruhe aus; von einigen Aussichtspunkten aus sei der weite Blick in das Leiblachtal und das Bodenseebecken gegeben. Ausgehend vom Zufahrtsweg sei im Vordergrund das Anwesen des Beschwerdeführers und dahinter das weite und weit strukturierte Leiblachtal sichtbar. Beim Erreichen des Hofes weite sich der Blickwinkel in Richtung Süden und Westen aus, wobei der Blick auf das Bodenseebecken mit dem Bodensee als landschaftliche Besonderheit den Naturgenuß zusätzlich erhöhe. Dieser Naturgenuß und die Natürlichkeit der Landschaft würden durch die Ablagerungen und Lagerungen sowohl entlang des Zufahrtsweges als auch im Bereich der "Landwirtschaft" entschieden negativ beeinträchtigt. Es entstehe der Eindruck eines Schrottplatzes. Auch eine Bepflanzung könne grundsätzlich nicht zu einem befriedigenden Landschaftsbild führen. Im übrigen würde eine dichte Bepflanzung entlang der Abzäunung zum Anwesen den Blick in die darunterliegende weite Landschaft vermindern bzw. behindern. Nach Darlegung der Rechtslage führte die belangte Behörde weiters aus, es handle sich hier nicht um eine Baustelleneinrichtung, sondern eindeutig um einen Schrottplatz. Es seien viele Materialien gelagert, die für eine Baustelleneinrichtung nicht typisch seien. Die Bewilligungspflicht gemäß § 3 Abs. 1 lit. l des Landschaftsschutzgesetzes sei daher gegeben. Durch die Errichtung des Schrottplatzes seien Landschaftsschutzinteressen schwerwiegend verletzt worden. Überwiegende öffentliche Interessen für den Betrieb des Schrottplatzes in der weitgehend naturnahen Kulturlandschaft seien nicht erkennbar. Die Bewilligung könne daher nicht erteilt werden; gemäß § 12 Abs. 2 LSchG sei die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes zu verfügen. Ein Wiederherstellungsauftrag betreffend die Grundparzellen Nr. 4.114, 4.115, 4.117 und 4.133 sowie die Bauparzellen Nr. 142 und 143 KG M sei bereits mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid vom 7. November 1989 erteilt worden. Dieser Bescheid sei rechtskräftig; die Berufung sei insoweit somit nur zulässig, als (erstmals) die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes betreffend die Grundparzelle Nr. 4.422 KG M verfügt worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 3 Abs. 1 lit. l des Vorarlberger Landschaftsschutzgesetzes LGBl. Nr. 1/1982 idF LGBl. Nr. 22/1988 (LSchG) bedarf die Errichtung von Lagerplätzen mit einer Grundfläche von über 400 m2 und Ablagerungsplätzen mit einer Grundfläche von über 100 m2 einer Bewilligung der Behörde.
Nach § 3 Abs. 2 LSchG bedürfen nicht einer Bewilligung die Errichtung und die Änderung von
b) Lager- und Ablagerungsplätzen (Abs. 1 lit. l), die
1.) ausschließlich als Baustelleneinrichtungen dienen und längstens innerhalb von einem Jahr nach Fertigstellung des Bauvorhabens aufgelassen werden,
...
c) Lagerplätzen (Abs. 1 lit. l), die land- oder forstwirtschaftlichen Zwecken dienen.
Nach § 10 Abs. 1 LSchG darf die Bewilligung nur erteilt werden, wenn Gewähr besteht, daß Interessen des Landschaftsschutzes nicht verletzt werden.
Nach Abs. 2 leg. cit. darf die Bewilligung nicht versagt werden, wenn sich die Hinderungsgründe durch Bedingungen,
Auflagen oder eine Befristung der Bewilligung, ... beseitigen
lassen. Eine Bewilligung darf trotz Verletzung von Interessen des Landschaftsschutzes dann erteilt werden, wenn andere öffentliche Interessen überwiegen. In einem solchen Falle ist durch Bedingungen oder Auflagen die Verletzung von Interessen des Landschaftsschutzes in möglichst geringem Ausmaß zu halten.
Die Beschwerde erblickt eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darin, daß dieser das Vorliegen einer Bewilligungspflicht des Vorhabens im Sinne des § 3 Abs. 1 lit. l LSchG annehme. Sie vertritt die Auffassung, es handle sich um "einen Lagerplatz als ausschließliche Baustelleneinrichtung und eine Lagerung für land- und forstwirtschaftliche Zwecke" im Sinne des § 3 Abs. 2 lit. b Z. 1, lit. c LSchG. Dies habe die belangte Behörde nicht erkannt, weil sie es unterlassen habe, ein Gutachten eines gerichtlich beeideten Bausachverständigen darüber einzuholen, inwieweit die gelagerten Gegenstände für einen vom Beschwerdeführer beabsichtigten Neubau verwendet werden könnten bzw. inwieweit taugliches landwirtschaftliches Gerät gelagert werde.
Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor. Die Behörde hat einen Sachverständigenbeweis dann aufzunehmen, wenn dies in den Verwaltungsvorschriften vorgesehen ist oder wenn zur Erforschung der materiellen Wahrheit besondere Fachkenntnisse nötig sind (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. November 1983, Zl. 83/04/0263). Eine Behörde darf Fachfragen dann selbst beurteilen, wenn sie die Kenntnisse und Erfahrungen hat, die für eine selbständige fachliche Beurteilung von Fragen eines Wissensgebietes vorausgesetzt werden müssen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 16. Jänner 1985, Zl. 84/03/0004).
Es kann nicht generell gesagt werden, daß für die Lösung der Fragen, ob ein Lagerplatz ausschließlich als Baustelleneinrichtung bzw. land- oder forstwirtschaftlichen Zwecken im Sinne der zitierten Vorschriften dient, besondere Fachkenntnisse nicht erforderlich wären. Im Beschwerdefall liegt indes ein Sachverhalt vor, in dem schon aufgrund allgemeinen Erfahrungswissens - auch ohne das besondere Fachwissen eines Sachverständigen - gesagt werden kann, daß weder ein ausschließlich als Baustelleneinrichtung noch ein land- oder forstwirtschaftlichen Zwecken dienende Lagerplatz vorliegt. Der Antrag des Beschwerdeführers, die "Lagerung des Materials" zu bewilligen, bezog sich erkennbar auf die Lagerung der tatsächlich auf dem Grundstück befindlichen, vom Entfernungsauftrag der ersten Instanz betroffenen Gegenstände. Die belangte Behörde hatte daher - im Hinblick auf entsprechende Berufungsbehauptungen des Beschwerdeführers - zu beurteilen, ob diese Gegenstände eine "Baustelleneinrichtung" ausmachten bzw. land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienten.
Bei einer "Baustelleneinrichtung" im Sinne der zitierten Vorschrift handelt es sich um die Gesamtheit jenes Baumaterials und jener Geräte und sonstigen Arbeitsbehelfe, deren Bereithalten am Ort eines konkreten Bauvorhabens während einer eng umgrenzten Zeit der Bauführung bei deren ordnungsgemäßem Ablauf geboten und zweckmäßig ist. Davon kann im Beschwerdefall schon nach der Art der gelagerten Gegenstände, wie sie oben aufgezählt sind, nicht die Rede sein. Eine solche Beurteilung war der belangten Behörde schon aufgrund des allgemeinen menschlichen Erfahrungswissens zugänglich; gegen ihre Richtigkeit bestehen auch angesichts der umfangreichen Lichtbilddokumentation, die das Grundstück unzweifelhaft als Lagerplatz für Altwaren ausweist, keine Bedenken. An dieser Beurteilung vermag auch das mit der Beschwerde vorgelegte Privatgutachten nichts zu ändern; denn der Privatgutachter - der im übrigen einräumt, daß "das Ganze auf den ersten Blick und auch auf den zweiten Blick einen schrottplatzähnlichen Eindruck macht" - verkennt, daß zu einer "Baustelleneinrichtung" im Sinne der zitierten landschaftschutzrechtlichen Ausnahmevorschrift keineswegs alle jene Gegenstände gezählt werden können, die - abweichend von ihrer typischen Zweckbestimmung - unter Umständen bei irgendeiner Bauführung verwendet werden könnten. Es ist somit im vorliegenden Zusammenhang nicht zielführend, wenn dargelegt wird, wie "mit nötiger Kreativität und Arbeitseinsatz" die abgelagerten Gegenstände in Zukunft für "Bauführungen bzw. für die Landwirtschaft" verwendet werden könnten (z.B. eine Flaschenwaschanlage nach Umbau als Heutrockenanlage, Altreifen als Brennholzstellage, LKW-Druckluftanlagen nach Umbau als Kompressoranlagen, Bleche zur Abdeckung von Brennholz, Öltanks als "Notjauchegrube" uvm).
Von der Verneinung der Eigenschaft als "Baustelleneinrichtung" ausgehend ist auch ohne Bedeutung, ob der Beschwerdeführer - wie die Beschwerde andeutet - eine Bauführung auf dem Grundstück beabsichtigt.
Ebensowenig kann von einem Lagerplatz, der land- oder forstwirtschaftlichen Zwecken dient, im Sinne des § 3 Abs. 2 lit. c LSchG gesprochen werden, weil nicht ersichtlich ist, in welchem unmittelbaren Zusammenhang mit einem Betrieb der Land- oder Forstwirtschaft die gelagerten Gegenstände ihrer Art nach stehen sollten.
Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt somit nicht vor.
Auf die - offenbar hilfsweisen - Darlegungen der Beschwerde, es liege ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Belassung des Lagerplatzes vor, weil "hier Altgegenstände auf sinnvolle und auch vom Gesetzgeber gewünschte Art und Weise im Recyclingverfahren für Bautätigkeiten verwertet werden", ist im Hinblick auf das Neuerungsverbot nicht einzugehen.
Nach Beschwerdepunkt und -gründen wendet sich die Beschwerde nur gegen die - nach dem Gesagten nicht rechtswidrige - Versagung der landschaftsschutzrechtlichen Bewilligung. Jener Teil des angefochtenen Bescheides, mit dem die Berufung betreffend den Entfernungsauftrag zurück - bzw. abgewiesen wurde, ist daher nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.
Die Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den § 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Sachverständiger Entfall der BeiziehungBeweismittel Sachverständigenbeweis Besonderes FachgebietSachverständiger Erfordernis der Beiziehung Besonderes FachgebietSachverhalt SachverhaltsfeststellungSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Materielle WahrheitBeweismittel SachverständigenbeweisBeweiswürdigung Sachverhalt angenommener geklärterBeweismittel SachverständigengutachtenSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel SachverständigenbeweisEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1990100143.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
19.07.2017