TE Vwgh Erkenntnis 1995/3/27 94/10/0164

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Veröffentlicht am 27.03.1995
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Index

80/02 Forstrecht;

Norm

ForstG 1975 §17 Abs2;
ForstG 1975 §17 Abs3;
ForstG 1975 §17;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Novak, Dr. Mizner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde des E in V, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 22. September 1994, Zl. 18.322/04-IA8/94, betreffend Rodungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte bei der Bezirkshauptmannschaft Villach (BH) die Erteilung der Rodungsbewilligung für die Parzelle 1, KG A. Zur Begründung führte er an, er beabsichtige, auf dieser Fläche eine LKW-Garage mit Aufenthaltsraum für sein Transportunternehmen zu errichten, um das Ortsgebiet von S, wo sich der alte Standort befinde, vor Lärmbelästigung zu schützen. Bei der von der BH am 2. Dezember 1992 durchgeführten mündlichen Verhandlung führte der Amtssachverständige für Forsttechnik aus, die zur Rodung beantragte Fläche weise im Waldentwicklungsplan für den Forstbezirk Villach die Kennziffer 123 auf. Die erhöhte Wohlfahrtsfunktion werde mit der Sicherung des Wasser- und Lufthaushaltes sowie der Verbesserung des Klimas durch die hier stockenden Wälder begründet. Die "höchste Erholungsfunktion" (Leitfunktion) werde mit dem intensiv genutzten Fremdenverkehrsgebiet V begründet. Die Waldausstattung der KG A liege mit 39,1 % wesentlich unter dem Durchschnitt des Bezirkes (59,5 %). Die Parzelle 1 der KG A und mit ihr die beantragte Rodungsfläche grenze im Westen, Norden und Osten an Waldflächen. Bei Durchführung der Rodung würden ungünstige Waldabgrenzungen entstehen und die angrenzenden Waldbestände so ungünstig beeinflußt werden, daß sie in ihrem Bestand gefährdet wären. Aus diesem Grund und unter Berücksichtigung der hohen und höchsten Sozialfunktionen, die der Wald in diesem Gebiet zu erfüllen habe sowie der geringen Waldausstattung der KG A könne aus forstfachlicher Sicht dem Rodungsantrag nicht zugestimmt werden.

Der Vertreter des Baubezirksamtes Villach erklärte, die zur Rodung beantragte Fläche sei im rechtskräftigen Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde V als Bauland - gemischtes Baugebiet mit einem Streifen entlang der Südwestgrenze als Grünland - an der Straße ausgewiesen. Dieses Grundstück stelle den westlichsten Abschluß einer ca. 5,5 ha großen Baulandfläche am Westrand des Ortsbereiches von A dar. Die Rodefläche werde im Norden von Waldflächen, im Osten von Bauland und im Süden bzw. Südwesten durch den als Grünland an der Straße gewidmeten Bereich von Verkehrsflächen umschlossen. In der Natur handle es sich dabei um eine ebene bis leicht nach Norden ansteigende Fläche, welche sowohl von Süden bzw. Südwesten als auch von Nordosten her von öffentlichen Verkehrsflächen bzw. von einem privaten Zufahrtsweg bzw. Fußweg erschlossen werde. Durch die Rodung dieser Fläche zum Zwecke der Baulandbeschaffung würde eine geringfügige Erweiterung des bestehenden Siedlungsraumes im Westen von A erfolgen, welche insofern den Zielsetzungen des Raumordnungsgesetzes entspräche, als die Bebauung infolge der im Osten bereits vorhandenen Bebauung zu einer Verdichtung der Besiedlung führen würde. Durch die vorhandenen Aufschließungsmöglichkeiten und die Geländeverhältnisse sei die zur Rodung beantragte Fläche als Bauland geeignet, durch die vorhandene rechtskräftige Widmung würde ein Widerspruch zum Flächenwidmungsplan zum Zwecke der Errichtung eines Garagengebäudes sowie von Abstellplätzen nicht eintreten.

Der Vertreter der Marktgemeinde V gab bekannt, daß im Umkreis von ca. 1,5 km um den Betriebsanlagenstandort D Nr. 18 keine geeigneten Nichtwaldflächen vorhanden seien, welche für das beabsichtigte Vorhaben in Frage kämen. Die nächste als Bauland-Leichtindustrie gewidmete Fläche befinde sich 2 km von der beantragten Rodefläche entfernt.

In der Verhandlungsschrift findet sich noch die Bemerkung, die vom Vertreter der Marktgemeinde V erwähnte Bauland-Leichtindustriefläche befinde sich im Eigentum der Marktgemeinde V und es bestehe eine grundsätzliche Verkaufsbereitschaft, obwohl seitens der Marktgemeinde V diese Fläche nicht für die Ansiedlung von Kleingewerbebetrieben gedacht sei. Andere Kaufinteressenten seien derzeit jedoch nicht bekannt.

Mit Bescheid vom 15. Februar 1993 wies die BH den Rodungsantrag des Beschwerdeführers ab.

Der Beschwerdeführer berief.

Der Landeshauptmann von Kärnten holte ein forsttechnisches Amtssachverständigengutachten ein. Darin wird ausgeführt, aufgrund der derzeit zum Teil durch Fällungen stark reduzierten Bestockung auf der beantragten Rodefläche und des stabilen Aufbaues der im Osten und Norden an die beantragte Rodefläche angrenzenden Mischbestände aus Kiefer, Fichte, Zitterpappel und Eiche seien keine negativen Auswirkungen auf die an die Rodefläche angrenzenden verbleibenden Waldbestände durch Einwirkungen von Wind oder Schnee zu erwarten. Die derzeit durch die Landesstraße gegebene natürliche Abgrenzung des geschlossenen Waldkomplexes nach Süden bzw. Westen hin würde durch die beantragte Rodung unterbrochen werden. Aufgrund der hohen Bedeutung der Sozialfunktionen des Waldes, hier insbesondere der Wohlfahrts- und Erholungswirkung in Verbindung mit der relativ geringen Waldausstattung in der KG A von 39,1 % gegenüber dem Bezirksdurchschnitt von 59,5 % sollte zunächst geprüft werden, ob nicht geeignete Standorte auf Nichtwaldboden für die Errichtung der Garage gefunden werden könnten, bevor auf Waldflächen zurückgegriffen werde. Wegen der mit der Erteilung der beantragten Rodung verbundenen zu erwartenden Beispielsfolgen spreche sich der forsttechnische Amtssachverständige für die Walderhaltung auf Parzelle Nr. 1 der KG A aus.

Die Marktgemeinde V teilte auf Anfrage des Landeshauptmannes mit, hinsichtlich des derzeitigen Standortes des Unternehmens des Beschwerdeführers seien bis dato von der dort wohnenden Bevölkerung keinerlei Beschwerden vorgebracht worden. Der neue Standort grenze ebenfalls an Siedlungsgebiet, allerdings vermindert gegenüber dem Standort D.

Mit Bescheid vom 21. Februar 1994 wies der Landeshauptmann die Berufung des Beschwerdeführers ab.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 22. September 1994 wurde die gegen den Bescheid des Landeshauptmannes erhobene Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Beschwerdeführer bringt vor, die belangte Behörde habe die Interessenabwägung unrichtig vorgenommen. Sie habe nur die Flächenwidmung berücksichtigt, nicht aber den Umstand, daß der Rodungszweck der Zielsetzung des Raumordnungsgesetzes insofern entspreche, als die Bebauung zu einer wünschenswerten Verdichtung der Besiedlung führe. Weiters sei nicht berücksichtigt worden, daß die Rodungsfläche den westlichsten Abschluß einer Baulandfläche darstelle, daß sie durch öffentliche Verkehrsflächen sowie durch einen privaten Zufahrtsweg und einen Fußweg erschlossen sei und daß die geringfügige Erweiterung des Siedlungsraumes begrüßenswert sei. Überdies seien die Zielsetzungen der Raumordnung unzureichend berücksichtigt worden. Außerdem seien an öffentlichen Interessen an einer anderen Verwendung der Rodungsfläche nicht nur die Interessen der Raumordnung zu berücksichtigen, sondern das Gesamtinteresse. Die belangte Behörde gehe zwar davon aus, daß vom Betrieb des Beschwerdeführers am derzeitigen Standort Lärmbelästigungen ausgingen, berücksichtige diese jedoch nicht bei der Interessenabwägung.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 17 Abs. 1 des Forstgesetzes 1975 (ForstG) ist die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) verboten.

Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle kann unbeschadet der Bestimmung des Abs. 1 die gemäß § 19 Abs. 1 zuständige Behörde eine Bewilligung zur Rodung erteilen, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt.

Nach § 17 Abs. 3 ForstG sind öffentliche Interessen im Sinne des Abs. 2 insbesondere begründet in der umfassenden Landesverteidigung, im Eisenbahn-, Luft- und öffentlichen Straßenverkehr, im Post- und öffentlichen Fernmeldewesen, im Bergbau, im Wasserbau, in der Energiewirtschaft, in der Agrarstrukturverbesserung sowie im Siedlungswesen.

Bei Abwägung der öffentlichen Interessen im Sinne des Abs. 2 hat die Behörde nach § 17 Abs. 4 ForstG insbesondere auf eine die erforderlichen Wirkungen des Waldes gewährleistende Waldausstattung Bedacht zu nehmen. Unter dieser Voraussetzung sind die Zielsetzungen der Raumordnung zu berücksichtigen.

Der Beschwerdeführer rügt die mangelnde Berücksichtigung der Ziele der Raumordnung.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bedeutet selbst das Vorliegen eines Flächenwidmungsplanes mit der Widmung der Rodungsfläche als Bauland nicht, daß diese Widmung zur Erteilung der Rodungsbewilligung führen muß. Vielmehr hat die Forstbehörde auch in einem solchen Fall zu prüfen, ob das öffentliche Interesse an der Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche jenes an der Walderhaltung überwiegt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1988, Zl. 87/10/0080 u. v.a.). Entscheidend ist, welche Ausprägung das durch den Flächenwidmungsplan dokumentierte öffentliche Interesse an der Verwirklichung der Baulandwidmung durch das Rodungsvorhaben erfährt und welches Ausmaß dem gegenüber das öffentliche Interesse an der Walderhaltung aufweist.

Im Beschwerdefall soll die Rodungsfläche zur Absiedlung des Betriebes des Beschwerdeführers verwendet werden, um nach den Behauptungen des Beschwerdeführers die von seinem Unternehmen im derzeitigen Standort ausgehende Lärmbelästigung zu beseitigen. Nun hat aber das Ermittlungsverfahren, insbesondere die Stellungnahme der Marktgemeinde V ergeben, daß der Betrieb des Beschwerdeführers bislang zu keinen Beschwerden der in seiner Umgebung wohnenden Bevölkerung geführt hat. Demgegenüber ist der Wohlfahrtswirkung des Waldes im Bereich der Rodungsfläche im Waldentwicklungsplan auf der von 0 bis 3 reichenden Wertziffernskala des § 5 Abs. 3 der Verordnung über den Waldentwicklungsplan, BGBl. Nr. 582/1977, die Wertziffer 2 (mittlere Wertigkeit), zugeordnet, was nach dem Gutachten der Amtssachverständigen für Forsttechnik in der Sicherung der Wasser- und Luftreinhaltung sowie in der Wirkung auf das Klima begründet ist. Die Erholungsfunktion weist wegen der Lage der Rodungsfläche im intensiv genutzten Fremdenverkehrsgebiet V die Wertziffer 3 (hohe Wertigkeit) auf. Außerdem liegt die Waldausstattung in der KG A deutlich unter der durchschnittlichen Waldausstattung des Bezirkes Villach. Hiezu kommt, daß, wie sich aus der Niederschrift über die von der BH am 2. Dezember 1992 durchgeführten mündlichen Verhandlung ergibt, für eine Absiedelung des Betriebes des Beschwerdeführers Flächen zur Verfügung stünden, die nicht Wald im Sinne des Forstgesetzes sind.

Aufgrund dieses Sachverhaltes ist die belangte Behörde zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, daß ein überwiegendes öffentliches Interesse an einer Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche zu den vom Beschwerdeführer geplanten Zwecken nicht besteht.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994100164.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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