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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1991 §11;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des O in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. März 1994, Zl. 4.343.174/1-III/13/93, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Aufwandersatz wird nicht zuerkannt.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Sudan, reiste am 17. Februar 1993 in das Bundesgebiet ein und stellte am 27. Juli 1993 einen Asylantrag.
Das Bundesasylamt hat diesen Asylantrag mit Bescheid vom 30. Juli 1993 mit der Begründung abgewiesen, daß dem Beschwerdeführer und auch seinem hinsichtlich der Fluchtgründe erstatteten Vorbringen die Glaubwürdigkeit abzusprechen sei und des weiteren, daß bei ihm der Asylausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 gegeben sei, weil er vor seiner Einreise in das Bundesgebiet bereits in Tschechien und in der Slowakei vor Verfolgung sicher gewesen sei, sodaß die Asylgewährung (im Sinne des § 3 leg. cit.) ausgeschlossen sei.
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG erlassenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. März 1994 wurde die gegen den vorerwähnten Bescheid erhobene Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die belangte Behörde hat die Abweisung der Berufung und damit die Versagung der Asylgewährung - anders als die Erstbehörde - ausschließlich damit begründet, daß sich der Beschwerdeführer vor seiner Einreise in das Bundesgebiet in Ägypten aufgehalten habe und bereits in diesem Land im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 vor Verfolgung sicher gewesen sei.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen diese - erstmals im angefochtenen Bescheid von der belangten Behörde gebrauchte - Annahme, daß er in Ägypten vor Verfolgung sicher gewesen sei. Er bringt dazu vor, die belangte Behörde habe insoweit den Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt. Wenn er in Ägypten (entsprechend der Begründung des angefochtenen Bescheides) einen Asylantrag gestellt hätte, wäre er als Sudanese in Ägypten nicht vor Verfolgung sicher gewesen. Im Fall einer derartigen Antragstellung bestehe nämlich zwischen den politisch eng verflochtenen Staaten Ägypten und Sudan die Praxis, die betreffenden Sudanesen sofort in ihre Heimat abzuschieben. Von dieser Sachlage hätte sich die belangte Behörde ohne Schwierigkeiten Kenntnis verschaffen können, sie habe dies aber nicht einmal versucht.
Dem Beschwerdeführer ist darin zuzustimmen, daß in dem seiner Beschwerde zugrundeliegenden Verwaltungsverfahren keine ausreichenden Ermittlungen gepflogen wurden, um entsprechend der Begründung des angefochtenen Bescheides annehmen zu können, Ägypten hätte ihm aufgrund seiner "im großen und ganzen effektiv geltenden Rechtsordnung" als Zufluchtsstaat bereits einen dem Standard der Genfer Flüchtlingskonvention - insbesondere hinsichtlich des Rückschiebungsschutzes - entsprechenden Schutz geboten.
Die Beschwerdeausführungen sind nach Maßgabe der einen Asylwerber im Verfahren treffenden Mitwirkungspflicht ausreichend konkretisiert, um die Wesentlichkeit der im vorliegenden Beschwerdefall der belangten Behörde unterlaufenen Verletzungen von Verfahrensvorschriften (Parteiengehör, Ermittlungs- und Begründungspflicht) zu erkennen. Die Mitwirkungspflicht der Partei geht nicht soweit, daß sich die Behörde ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren ersparen könnte, zu dessen Durchführung sie (hier gemäß den §§ 11, 16 Asylgesetz 1991 in Verbindung mit den §§ 39, 45 und 60 AVG) verpflichtet ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Jänner 1995, Zl. 94/19/0413).
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid nicht entsprechend der durch § 60 (in Verbindung mit § 67) AVG gebotenen Begründung dargelegt, aufgrund welcher Ermittlungen und Überlegungen sie zu der Feststellung gelangte, der Beschwerdeführer habe nicht darzutun vermocht, daß er keinen Rückschiebungsschutz (in Ägypten) genossen habe.
Das erstmals in der Beschwerde gegen die Annahme von "Verfolgungssicherheit" in Ägypten erstattete Vorbringen verstößt auch nicht gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot (§ 41 Abs. 1 VwGG), weil der gebrauchte Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 - anders als im Bescheid der Asylbehörde erster Instanz - erstmals im angefochtenen Bescheid aus dem Aufenthalt des Beschwerdeführers in Ägypten abgeleitet wurde und die belangte Behörde ihre insoweit zugrunde gelegten Annahmen dem Beschwerdeführer vor der Bescheiderlassung nie im Verfahren zur Kenntnis gebracht und ihm daher entgegen dem § 45 Abs. 3 AVG Parteiengehör zu dieser Frage nicht gewährte.
Die aufgezeigten Verletzungen von Verfahrensvorschriften sind auch wesentlich, weil unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens und dem nach der Aktenlage insoweit mangelhaften Ermittlungsverfahren nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei deren Vermeidung zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Kostenersatz wurde ausschließlich von der belangten Behörde begehrt, der obsiegende Beschwerdeführer hat weder Kosten verzeichnet noch einen allgemeinen Antrag im Sinne des § 59 Abs. 3 VwGG gestellt. Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht daher auf § 47 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit § 58 VwGG.
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung MitwirkungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994191213.X00Im RIS seit
20.11.2000