Index
81/01 Wasserrechtsgesetz;Norm
WRG 1959 §138 Abs1 lita;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bachler, über die Beschwerde
1. der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten in Wien und 2. der Stadt Wien, beide vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des BMFL vom 20.4.1994, Zl. 411.273/01-I4/94, betreffend wasserpolizeilichen Auftrag (mitbeteiligte Partei: J in St. I, vertreten durch Dr. Z, Rechtsanwalt in B), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bruck/Mur (BH) vom 9. November 1959 wurde der mitbeteiligten Partei gemäß § 9 WRG 1959 die wasserrechtliche Bewilligung zur Schotterentnahme aus Parzelle Nr. 847/1, KG St. I., erteilt.
Mit Bescheid der BH vom 7. Februar 1979 wurde die mitbeteiligte Partei gemäß den §§ 9 und 138 WRG 1959 unter Spruchabschnitt I verpflichtet, den Schotterabbau auf der Parzelle Nr. 847/1, KG St. I., einzustellen und bestimmte Unterlagen der Behörde vorzulegen sowie unter Spruchabschnitt II gemäß den §§ 9, 21 und 111 WRG 1959 die wasserrechtliche Bewilligung zur Schotterentnahme auf der Parzelle Nr. 851/1, KG St. I., im Ausmaß von 330.000 m3 unter Auflagen und Bedingungen befristet bis 31. Dezember 1987 erteilt.
Mit Eingabe vom 16. Juli 1991 an die BH nahm die erstbeschwerdeführende Partei zum Ergebnis einer Berufungsverhandlung vom 18. Juni 1991 in einem weiteren wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren der mitbeteiligten Partei (betreffend Erweiterung und Sanierung des Schotterabbaues) Stellung und führte dabei unter anderem folgendes aus:
Das Gesamtverhalten der mitbeteiligten Partei sei schon seit Jahrzehnten darauf gerichtet, ohne Rücksicht auf die bestehende Rechtsordnung und die daraus resultierenden öffentlich-rechtlichen, privatrechtlichen und strafrechtlichen Beschränkungen, Schotter zu gewinnen und in letzter Zeit auch Abraum aus Künettenbaggerungen zum Wiederauffüllen dorthin zu verbringen. "Das Schleppen der Verfahren" sei bislang erfolgreich gewesen. Behördliches Einschreiten gegen das rechtswidrige Verhalten der mitbteiligten Partei sei "trotz Antragstellung im erstinstanzlichen Verfahren" (gemeint offenbar: des neuerlichen wasserrechtlichen Bewilligungsverfahrens) nicht erfolgt.
Es sei bereits im Verfahren, das zum Bescheid aus dem Jahre 1979 geführt habe, klar gewesen, daß der Rechtsvorgänger der mitbeteiligten Partei bereits über das erlaubte Maß hinaus abgebaut habe. In gleicher Weise stehe aufgrund der von der mitbeteiligten Partei selbst vorgelegten "Sanierungsprojekte" fest, daß sie nach eigenem Eingeständnis (im Zuge ihrer Berufung) ca. 200.000 m3 Schotter ohne Bewilligung abgebaut habe.
Die Unterschreitung der Sohlentiefe unter jene, die im Projekt K. (offenbar gemeint: als Grundlage unter Bestandteil der vorgenannten wasserrechtlichen Bewilligung aus dem Jahre 1979) festgelegt wurde, sowie die lagemäßige Veränderung der Ausdehnung der Grube und der Grubenränder seien durch keinerlei behördliche Bewilligung gedeckt und hätten auch nach dem Wissensstand der erstbeschwerdeführenden Partei unter der "wesentlich großzügigeren Handhabung von Eingriffen in die Natur im Jahre 1979 keine Genehmigung gefunden".
Im Zusammenhang mit § 138 WRG 1959 führte die erstbeschwerdeführende Partei in dieser Stellungnahme aus, die Wasserrechtsbehörde müsse aufgrund der angezeigten Mißstände den erstinstanzlichen Bescheid im Rahmen dieses wasserrechtlichen Bewilligungsverfahrens dahingehend abändern, daß der "Antrag auf weitere Schotterentnahme zurückgewiesen" werde, "hingegen aber der Auftrag erteilt wird, den ursprünglichen Zustand durch Entfernen ortsfremden Materials, Wiederauffüllen jener Schottermengen und des durch Erosion verloren gegangenen Geländes, das bei Einhalten der bescheidmäßigen Auflagen aus dem Jahre 1979 noch anzutreffen sein müßte". Ferner wurden die Vornahme von "entsprechenden Aussteckungen" im Gelände, die lagemäßige Erfassung des aktuellen Zustandes in einem Plan sowie die Anordnung der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes gemäß diesem Höhen- und Lageplan auf Kosten der mitbeteiligten Partei beantragt.
Im Zuge des weiteren Verfahrens betreffend die von der mitbeteiligten Partei beantragte wasserrechtliche Bewilligung wies die erstbeschwerdeführende Partei mit Eingabe vom 4. November 1991 gegenüber der BH auf die besondere Dringlichkeit eines wasserpolizeilichen Auftrages nach § 138 WRG hin und führte hiezu aus, daß die Barriere zur B.-Grube durch "unerlaubte Neuerung" durchbrochen und abgetragen worden sei. Für ein weit ausgedehntes Gebiet der benachbarten Liegenschaften der beschwerdeführenden Parteien würde akute Erosionsgefahr bestehen. Die von der erstbeschwerdeführenden Partei geforderten Sofortmaßnahmen im Bereich der B.-Grube wurden mit hg. Erkenntnis vom 28. März 1995, Zl. 93/07/0072, behandelt, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird.
Den vorstehenden Forderungen bezüglich eines wasserpolizeilichen Auftrages schloß sich die zweitbeschwerdeführende Partei mit einem diesbezüglich gleichlautenden Schriftsatz vom 5. November 1991, gerichtet an die BH, vollinhaltich an.
Mit Schriftsatz vom 4. Juni 1992 beantragten die beschwerdeführenden Parteien unter Bezugnahme auf den Schriftsatz vom 16. Juli 1991 sowie vom 4. November 1991 (gemeint wohl: der Antrag der erstbeschwerdeführenden Partei vom 4. November 1991 und der Antrag der zweitbeschwerdeführenden Partei vom 5. November 1991) den Übergang der Entscheidungspflicht bezüglich des beantragten wasserpolizeilichen Auftrages an den Landeshauptmann von Steiermark (LH) gemäß § 73 AVG. Infolge Untätigkeit dieser Behörde stellten die beschwerdeführenden Parteien mit Eingabe vom 25. Jänner 1993 einen weiteren Devolutionsantrag gemäß § 73 AVG an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft.
Die belangte Behörde wies mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag der beschwerdeführenden Parteien auf Erlasssung eines wasserpolizeilichen Auftrages an die mitbeteiligte Partei (Sanierung der Schottergrube auf den Parzellen 847/1 und 851/1, KG St. I.) gemäß § 138 WRG 1959 i.V.m. § 73 Abs. 1 AVG ab.
In der Begründung führte die belangte Behörde aus, daß sie aufgrund der Säumnis der BH und des LH und der entsprechenden Devolutionsanträge der beschwerdeführenden Parteien zur Entscheidung zuständig sei. Nach Ansicht der belangten Behörde sei es "unbestritten", daß sowohl die mit Bescheid vom 9. November 1959 als auch die mit Bescheid vom 7. Februar 1979 erteilte wasserrechtliche Bewilligung zum Schotterabbau gemäß § 27 lit. c und g WRG 1959 erloschen seien. Außerdem stehe fest, daß seit 1992 der Schotterabbaubetrieb vollständig stillgelegt worden sei. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes könne nach § 138 Abs. 1 leg. cit. nur dann vorgegangen werden, wenn der abgetretene Wasserberechtigte konsenslose Maßnahmen gesetzt habe, die mit der erloschenen wasserrechtlichen Bewilligung in keinem Zusammenhang stehe. Aufgrund der Aktenlage sei jedoch der von den beschwerdeführenden Parteien als konsenslos aufgezeigte Mangel (Schotterentnahme über das bewilligte Ausmaß hinaus) "zweifellos" im Zuge der Ausübung der erteilten wasserrechtlichen Bewilligungen entstanden.
Es werde daher Aufgabe der Wasserrechtsbehörde erster Instanz sein, im Rahmen eines gemäß § 29 Abs. 1 WRG 1959 durchzuführenden Verfahrens festzustellen, daß die vorgenannten wasserrechtlichen Bewilligungen der mitbeteiligten Partei erloschen seien, und dabei auszusprechen, welche Vorkehrungen die mitbeteiligte Partei "aus öffentlichen Rücksichten im Interesse der Anrainer" zu treffen habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die beschwerdeführenden Parteien erachten sich in ihrem Recht auf "Erlassung eines wasserrechtlichen Auftrages" (gemeint wohl: eines wasserpolizeilichen Auftrages) verletzt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Die mitbeteiligte Partei erstattete gleichfalls eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die beschwerdeführenden Parteien bringen im wesentlichen vor, der angefochtene Bescheid sei unbegründet geblieben, soweit er ausführe, daß die "exzessive Ausbaggerung des Laufes des K.-Baches zweifellos im Zuge der Ausübung der erteilten wasserrechtlichen Bewilligung entstanden sei". Der angefochtene Bescheid sei in diesem Punkt grob aktenwidrig.
Aufgrund eines Ansuchens der mitbeteiligten Partei vom 11. April 1989 sei mit Bescheid der BH vom 19. Dezember 1990 gemäß den §§ 31c Abs. 3, 98, 111, 112 und 138 WRG 1959 die wasserrechtliche Bewilligung für die Sanierung und Schotterentnahme auf den Grundstücken Nrn. 851/1 und 847/1, KG St. I., unter den im Bescheid festgehaltenen Bedingungen erteilt worden. In diesem Bescheid sei auch festgehalten worden, daß nach dem Befund des (technischen) Amtssachverständigen über die erloschene wasserrechtliche Bewilligung vom 7. Februar 1979 hinaus "ein widerrechtlicher Abbau mit einer Abtiefung von 9 bis 10 m" getätigt worden sei, der Gegenstand einer nachträglichen Bewilligung sein sollte.
Es sei "offenkundig und ohne jeden Zweifel, daß die belangte Behörde irrig davon" ausgehe, daß diese Abbaumaßnahmen "jemals Gegenstand einer wasserrechtlichen Bewilligung gewesen seien".
Unbestritten ist, daß die beschwerdeführenden Parteien als Eigentümerinnen von Liegenschaften, die unmittelbar an jene der mitbeteiligten Partei angrenzen und - nach Behauptung der beschwerdeführenden Parteien - vom Schotterabbau der mitbeteiligten Partei in Mitleidenschaft gezogen wurden, zur Stellung eines Antrages auf Erlassung eines wasserpolizeilichen Auftrages gemäß § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 berechtigt sind.
Die Zuständigkeit der belangten Behörde zur Entscheidung über diesen Antrag ergibt sich aufgrund der bereits dargestellten beiden Devolutionsanträge der beschwerdeführenden Parteien.
Entgegen der Ansicht der beschwerdeführenden Parteien wurde ihnen durch "Abweisung" ihres Antrages nicht "zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert", da sich im Zusammenhalt mit der Begründung des angefochtenen Bescheides unzweifelhaft erschließen läßt, daß von der belangten Behörde eine materiell-rechtliche Entscheidung der Anträge der beschwerdeführenden Parteien erfolgte.
Grundsätzlich sind jedoch die beschwerdeführenden Parteien im Recht, wenn sie die Setzung der erforderlichen Sanierungsmaßnahmen im Rahmen eines wasserpolizeilichen Auftrages nach § 138 WRG 1959 begehrt haben, weil der tatsächlich getätigte Schotterabbau nicht durch wasserrechtliche Bewilligungen gedeckt war, somit kommt die Heranziehung von § 29 WRG 1959 im Beschwerdefall nicht in Frage.
Nach § 29 Abs. 1 WRG 1959 hat die zur Bewilligung zuständige Wasserrechtsbehörde den Fall des Erlöschens eines Wasserbenutzungsrechtes festzustellen und hiebei auszusprechen, ob und inwieweit der bisher Berechtigte aus öffentlichen Rücksichten, im Interesse anderer Wasserberechtigter oder in dem der Anrainer binnen einer von der Behörde festzusetzenden, angemessenen Frist seine Anlagen zu beseitigen, den früheren Wasserlauf wieder herzustellen oder in welcher anderen Art er die durch die Auflassung notwendig werdenden Vorkehrungen zu treffen hat.
Abgesehen vom Fehlen konkreter Anhaltspunkte dafür, daß die Wasserrechtsbehörde bereits ein Verfahren nach § 29 Abs. 1 WRG 1959 eingeleitet hätte, ergibt sich aus dem Inhalt des angefochtenen Bescheides selbst, daß der getätigte Schotterabbau erheblich über das konsentierte Ausmaß hinausging, daher als eigenmächtig vorgenommene Neuerung im Sinne des § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 zu qualifizieren ist und von den angeführten wasserrechtlichen Bewilligungen in keiner Weise gedeckt war. Unter diesen Voraussetzungen fehlt jedoch im Beschwerdefall der erforderliche sachliche Zusammenhang zu den wasserrechtlichen Bewilligungen der mitbeteiligten Partei, sodaß Sanierungsmaßnahmen nicht auf § 29 Abs. 1 leg. cit., sondern auf § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 zu stützen gewesen wären (vgl. auch Raschauer, Wasserrecht, Rz. 4 zu § 29 WRG 1959).
Entgegen der Auffassung der belangten Behörde stützt das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1992, Slg. NF Nr. 10.933/A, nicht die aus dem angefochtenen Bescheid erkennbare Rechtsauffassung, daß die von der belangten Behörde selbst als "konsenslos aufgezeigter Mißstand (Schotterentnahme über das bewilligte Ausmaß hinaus)" qualifizierten Maßnahmen der mitbeteiligten Partei im Rahmen von letztmaligen Vorkehrungen nach § 29 Abs. 1 WRG 1959 beseitigt werden könnten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich in diesem Zusammenhang im vorgenannten Erkenntnis allgemein ausgesprochen, daß § 29 Abs. 1 WRG 1959 die Wasserrechtsbehörde nur ermächtigt, dem bisher Berechtigten die Beseitigung seiner von der wasserrechtlichen Bewilligung umfaßten Anlagen, soweit dies im öffentlichen Interesse erforderlich und im Interesse von anderen Wasserberechtigten oder von Anrainern gelegen sei, aufzutragen, "nicht aber solche Maßnahmen vorzuschreiben, die mit dem erloschenen Wasserrecht und dem Bestand der wasserrechtlich bewilligten ... Anlage IN KEINEM ZUSAMMENHANG stehen". Vielmehr hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis bereits darauf hingewiesen, daß bei Vorliegen eigenmächtig vorgenommener Neuerungen nach § 138 WRG 1959 vorzugehen ist.
Aufgrund der dargelegten rechtsirrigen Auslegung von § 29 Abs. 1 WRG 1959 hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Bei diesem Ergebnis erübrigt es sich, auf die sonstigen, insbesondere die Mangelhaftigkeit des Verfahrens betreffenden Rügen der beschwerdeführenden Parteien näher einzugehen.
Aus den dargelegten Gründen war somit der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die erstbeschwerdeführende Partei als Körperschaft öffentlichen Rechts (§§ 25 Abs. 1 Z. 2 i. V.m. 33 Abs. 1 ASVG) gemäß § 2 Z. 3 und die zweitbeschwerdeführende Partei gemäß § 2 Z. 1 Gebührengesetz 1957 von der Entrichtung von Gebühren befreit sind.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994070074.X00Im RIS seit
12.11.2001