TE Vfgh Erkenntnis 1992/12/4 B761/92

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Veröffentlicht am 04.12.1992
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Index

L9 Sozial- und Gesundheitsrecht
L9440 Krankenanstalt, Spital

Norm

B-VG Art140 Abs5
B-VG Art140 Abs7 dritter Satz
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
KAG §3 Abs2 lita
Sbg KAO 1975 §5 Abs1 lita

Leitsatz

Kein Verstoß gegen das Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung durch eine die Bewilligung der Errichtung eines selbständigen Ambulatoriums an eine Bedarfsprüfung knüpfende Bestimmung der Sbg KAO 1975 mangels Ablauf der durch den Verfassungsgerichtshof für das Außerkrafttreten des Grundsatzgesetzes festgelegten Frist

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird daher abgewiesen.

Das Kostenbegehren der Salzburger Landesregierung wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Antrag vom 6. Jänner 1991 suchte der Beschwerdeführer - er ist praktischer Arzt - gemäß §3 Abs2 der Salzburger Krankenanstaltenordnung 1975 (im folgenden: Sbg. KAO 1975) um Bewilligung zur Errichtung einer privaten Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbständigen (Allergie-)Ambulatoriums an.

1.2. Mit Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 8. Mai 1992, Z 3/06-54.560/15-1992, wurde dieser Antrag gemäß §5 Abs1 lita Sbg. KAO 1975 idF LGBl. Nr. 62/1988 wegen Fehlens des Bedarfes abgewiesen.

2.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf freie Erwerbsausübung sowie die Anwendung verfassungswidriger Bestimmungen der Sbg. KAO 1975 geltend gemacht werden und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

2.2. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.

3. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

3.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, der angefochtene Bescheid verletze ihn im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf freie Erwerbsausübung; die in §5 Abs1 lita Sbg. KAO 1975 vorgesehene Bedarfsprüfung stelle einen keinesfalls angemessenen schweren Eingriff in das genannte Grundrecht dar, weil dafür keine wichtigen öffentlichen Interessen sprächen. Die zitierte Bestimmung der Sbg. KAO 1975 stimme im wesentlichen wörtlich mit §3a Abs2 des Tiroler Krankenanstaltengesetzes überein. Diese Bestimmung sei mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 7. März 1992, G198,200/90 ua., als verfassungswidrig aufgehoben worden. §5 Abs1 lita Sbg. KAO 1975 sei daher ebenfalls als verfassungswidrig aufzuheben.

3.2. Die Beschwerde ist aus folgenden Gründen nicht im Recht:

Angelegenheiten der Heil- und Pflegeanstalten fallen unter Art12 Abs1 B-VG, sodaß die Gesetzgebung über die Grundsätze Bundessache, die Erlassung von Ausführungsgesetzen und die Vollziehung Landessache ist.

Mit Erkenntnis vom 7. März 1992, G198,200/90 ua., hat der Verfassungsgerichtshof (auch) §3 Abs2 lita des Bundesgesetzes vom 18. März 1956, BGBl. Nr. 1/1957, über Krankenanstalten (Krankenanstaltengesetz - KAG) idF BGBl. Nr. 565/1985 und eine näher bezeichnete Wortfolge in §3 Abs3 KAG idF BGBl. Nr. 282/1988, als verfassungswidrig aufgehoben und weiters ausgesprochen, daß die Aufhebung mit Ablauf des 31. Jänner 1993 in Kraft tritt.

Die Bestimmung des §5 Abs1 lita Sbg. KAO 1975 führt diese grundsatzgesetzliche Regelung des §3 Abs2 lita KAG landesgesetzlich aus. Sie steht als Landesausführungsgesetz offenkundig nicht im Widerspruch zur grundsatzgesetzlichen Regelung des §3 Abs2 lita KAG. Die grundsatzgesetzliche Regelung wurde mit dem bereits zitierten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes wohl als verfassungswidrig aufgehoben, der Verfassungsgerichtshof hat in diesem Erkenntnis aber weiters verfügt, daß die Aufhebung erst mit Ablauf des 31. Jänner 1993 in Kraft tritt. Die grundsatzgesetzliche Regelung gehört damit bis zu diesem Zeitpunkt - unangreifbar - dem Rechtsbestand an. Der Fristsetzung kann nur der Sinn beigemessen werden, daß landesausführungsgesetzliche Bestimmungen, die auf einer solchen Norm beruhen, bis zum Ablauf der Frist nicht wegen des zur Aufhebung des Grundsatzgesetzes führenden Verstoßes gegen ein Verfassungsgebot aufgehoben werden können. Eine andere Deutung würde eine Fristsetzung bei Aufhebung eines Grundsatzgesetzes sinnlos machen, da Adressat des Grundsatzgesetzes (nur) der Landesgesetzgeber ist. Dies zieht aber nach sich, daß die landesgesetzliche Norm, die in der unter Fristsetzung aufgehobenen grundsatzgesetzlichen Norm Deckung findet, bis zum Ablauf der Frist insofern unangreifbar ist.

Im Hinblick auf die für die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes maßgebliche Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides sieht sich der Verfassungsgerichtshof aufgrund dieser Erwägungen nicht in der Lage, derzeit ein Verfahren zur Prüfung des §5 Abs1 lita Sbg. KAO 1975 wegen Verfassungswidrigkeit der angeordneten Bedarfsprüfung einzuleiten; einem nach Außerkrafttreten des §3 Abs2 lita KAG allenfalls gestellten (neuerlichen) Antrag auf Bewilligung der Errichtung eines selbständigen Ambulatoriums kann aufgrund dieses Erkenntnisses res judicata nicht entgegengehalten werden.

Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Freiheit der Erwerbsausübung liegt daher nicht vor.

4. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Der von der belangten Behörde begehrte Vorlage- und Schriftsatzaufwand war nicht zuzusprechen, weil im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof eine sinngemäß Anwendung der für den Verwaltungsgerichtshof geltenden Kostenbestimmungen nicht in Betracht kommt.

Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Krankenanstalten, VfGH / Aufhebung Wirkung, VfGH / Fristsetzung, Grundsatz- und Ausführungsgesetzgebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1992:B761.1992

Dokumentnummer

JFT_10078796_92B00761_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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