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L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauO Wr §6 Abs6;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des P und der EW in Wien XXII, beide vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 27. August 1992, Zl. MD-VfR - B XXII - 4 und 5/92, betreffend Baubewilligung für Stellplätze (mitbeteiligte Parteien: 1. G, 2. J, beide in Wien XXII, 3. E in Wien XXII, und 4. M in Wien XXII), zu Recht erkannt:
Spruch
Der im Umfang des Spruchpunktes A) angefochtene Bescheid wird diesbezüglich wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 2. April 1990 bewilligte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, die Errichtung eines ebenerdigen unterkellerten Gebäudes mit einer verbauten Fläche von 109,02 m2 zum Betrieb einer Imbißstube auf dem Grundstück der Beschwerdeführer Ecke S-Weg/B-Straße.
Mit Ansuchen vom 8. Jänner 1991 beantragten die Beschwerdeführer unter Vorlage eines Austauschplanes die Bewilligung zur Errichtung von 10 Stellplätzen.
Mit Bescheid vom 12. November 1991 erteilte die MA 37 die Bewilligung zur Abweichung von dem mit Bescheid vom 2. April 1990 bewilligten Bauvorhaben. Der Spruch dieses Bescheides lautet auszugsweise:
"I) ... Der zwingenden Vorschrift gemäß § 36 Abs. 1 Wiener Garagengesetz zur Schaffung von zwei Stellplätzen wird durch die Stellplätze 1 und 3 entsprochen. Die Zufahrt hiezu soll vom S-Weg mit einer 3 m breiten Einfahrt vorgenommen werden.
II) Gemäß § 70 und § 71 BO wird die Bewilligung für 8 weitere Stellplätze auf der Liegenschaft südlich der Imbißstube versagt."
In ihrer gegen den Punkt II dieses Bescheides gerichteten Berufung rügten die Beschwerdeführer, daß die Baubehörde keine Erhebungen hinsichtlich des Bedarfes der Bewohner und der Beschäftigten dieses Gebietes gepflogen habe. Sowohl die Bauwerber selbst als auch deren Prokuristin und der bei ihnen beschäftigte Kellner benötigten je einen Abstellplatz. Es wurde weiters die Vernehmung von 22 Gästen beantragt, die in diesem Gebiet wohnen und mit dem Pkw zur Imbißstube kommen. Der Versagungsgrund des § 4 Abs. 3 Wiener Garagengesetz liege daher nicht vor.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde u. a. die Berufung der Beschwerdeführer gegen den Punkt II des erstinstanzlichen Bescheides als unbegründet ab. Gemäß § 1 Abs. 3 der Verordnung zur Durchführung des Wiener Garagengesetzes vom 11. Februar 1975, LGBl. Nr. 9 (im folgenden: DV), sei pro 40 m2 Aufenthaltsraumfläche ein Einstellplatz zu schaffen. Zur Begründung, daß mit den Pflichtstellplätzen das Auslangen gefunden werde, wurde festgestellt:
"Das gegenständliche Gebiet, in dem die Baulichkeit errichtet wurde, ist Wohngebiet Bauklasse I offen oder gekuppelt gewidmet. Es stellt sich als locker mit Ein- und Zweifamilienhäusern bebautes Siedlungsgebiet dar.
Erfahrungsgemäß sind in diesen Gebieten die Parkplätze auf der öffentlichen Verkehrsfläche nicht ausgelastet, da pro Grundstück max. 2 Pkw im Normalfall zur Verfügung stehen und diese in den meisten Fällen entweder in Garagen oder auf Abstellplätzen auf den Grundstücken untergebracht sind. Es erscheint auch unwahrscheinlich und nicht mit den Denkgesetzen vereinbar, daß in unmittelbarer Nähe Wohnende mit dem Pkw zur Imbißstube fahren sollten."
Entsprechend der vorliegenden Beschwerde erachten sich die Beschwerdeführer in ihrem Recht auf Schaffung von weiteren 8 Stellplätzen verletzt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligten Nachbarn eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die hier anzuwendenden Bestimmungen des Wiener Garagengesetzes, LGBl. Nr. 22/1957 (in der zuletzt durch das Gesetz LGBl. Nr. 73/1990 geänderten Fassung; im folgenden WGG), lauten:
"Städtebauliche Vorschriften
§ 4.
(3) Innerhalb des Baulandes sind im Wohngebiet nur Anlagen zum Einstellen von Kraftfahrzeugen mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von 3.500 kg zulässig und auch diese nur insoweit, als sie für die Bewohner des Gebietes oder für die dort Beschäftigten erforderlich sind. Im Wohngebiet und im gemischten Baugebiet hat die Behörde hinsichtlich von Anlagen in der unmittelbaren Nähe bereits bestehender Schulen, Kirchen, Krankenanstalten, Kindergärten oder sonstiger Einrichtungen, die nach ihrer Zweckbestimmung eines besonderen Schutzes der Bewohner oder der Benützer gegen Lärm, üblen Geruch oder Brandgefahr bedürfen, die hiefür besonderen Auflagen vorzuschreiben, wenn solche jedoch nicht ausreichen, die Bewilligung zu versagen.
V. Abschnitt: Verpflichtung zur Schaffung von
Einstellplätzen und Garagen
Einstellplätze oder Garagen innerhalb von Bauplätzen
§ 36.
(1) Bei Neu- und Zubauten sind, mit Ausnahme unmittelbar kultischen oder Bestattungszwecken dienenden Anlagen, auf dem Bauplatz Anlagen zum Einstellen von Kraftfahrzeugen in Ansehung des künftigen Bedarfes für die Benützer und Besucher dieser Bauten nach Maßgabe der folgenden Absätze zu schaffen. Die dafür erforderlichen Stellplätze (Pflichtstellplätze) sind ...
b) bei Industrie- und Betriebsgebäuden, Büro- und Geschäftshäusern, Amtsgebäuden, Schulen, Instituten, Krankenanstalten, Heimen, bei welchen keine Wohneinheiten bestehen oder vorgesehen sind, wie bei Heimen für Lehrlinge und jugendliche Arbeiter, Schüler und Studenten und dgl., nach der Fläche der Aufenthaltsräume, ...
zu ermitteln.
(3) Die Anzahl der Pflichtstellplätze nach Abs. 1 und 2 wird mit Verordnung der Wiener Landesregierung bestimmt ..."
Gemäß § 1 Abs. 3 zweiter Satz DV ist bei Geschäftshäusern und anderen dem Verkehr mit Kunden, Gästen und anderen vorwiegend nicht betriebsgehörigen Personen dienenden Räumlichkeiten für je 40 m2 Aufenthaltsraum ein Stellplatz zu schaffen; gemäß Abs. 6 dieser Bestimmung ist bei Anwendung der Richtsätze ein Stellplatz jeweils nur für die volle Verhältniszahl zu berechnen.
Während somit der Gesetzgeber des WGG hinsichtlich der (bewilligungspflichtigen) Stellplätze im Wohngebiet eine Beschränkung der Zulässigkeit dahingehend verfügt hat, daß die Stellplätze für die Bewohner des Gebietes oder für die dort Beschäftigten erforderlich sein müssen, wird im V. Abschnitt dieses Gesetzes bei Errichtung bestimmter Bauten, die zum Teil auch mit der Widmung "Wohngebiet" vereinbar sind, sogar die Verpflichtung zur Schaffung von Stellplätzen vorgeschrieben. Die Errichtung von Stellplätzen kann in Wohngebieten insoferne nicht beschränkt werden, als solche Stellplätze gemäß § 36 WGG i. V.m. der DV vorgeschrieben sind; das sind im vorliegenden Fall die pro voll erreichten 40 m2 Fläche von Aufenthaltsräumen vorgeschriebenen Stellplätze (2).
Die Zahl der Pflichtstellplätze ist nicht schlechthin die Höchstzahl der im Wohngebiet erlaubten Stellplätze; so hat der Verwaltungsgerichtshof anläßlich der Bewilligung zur Errichtung eines Bürogebäudes samt Tiefgarage im Wohngebiet ausgesprochen, daß die Errichtung der Tiefgarage jedenfalls als zulässig zu beurteilen ist, sind doch mit den (gemäß § 4 Abs. 3 WGG) erforderlichen Stellplätzen nicht nur Pflichtstellplätze gemeint, sondern jene Zahl an Stellplätzen, für welche üblicherweise wirklicher Bedarf besteht (Erkenntnis vom 5. Feber 1991, Zl. 90/05/0157).
Allerdings ging es im dortigen Fall um den Bedarf der Beschäftigten, also jener Benützer, die im § 4 Abs. 3 WGG aufgezählt sind (Bewohner und Beschäftigte). Andere Benützer, wie die im § 1 Abs. 3 DV genannten Gäste, können diesen Gruppen nicht zugeordnet werden. Daraus folgt, daß im Wohngebiet - über die Stellplatzpflicht hinaus - Stellplätze für andere Benützer als Bewohner und Beschäftigte unzulässig sind.
Ob die von den Beschwerdeführern aufgezählten 22 Gäste auch Bewohner des Gebietes sind, kann dahingestellt bleiben. Die Stellplätze sollen offenkundig nicht den Benützern in ihrer Eigenschaft als Bewohner (also als Dauerparkplätze), sondern allein deshalb zur Verfügung stehen, weil sie als Gäste (i.S.d. § 1 Abs. 3 DV) die Imbißstube der Beschwerdeführer aufsuchen. Es soll also nicht der Bedarf der Bewohner des Gebietes, sondern der Bedarf von Benützern i.S.d. § 36 Abs. 1 WGG, nämlich von den in der Verordnung explizit genannten Gästen, befriedigt werden.
Aus diesem Grunde erfolgte somit die Teilabweisung des Bauansuchens zu Recht und war aufgrund der Beschränkung des § 4 Abs. 3 WGG ein weiteres Beweisverfahren hinsichtlich der Gäste nicht erforderlich.
Allerdings hat sich die Behörde mit der Behauptung in der Berufung - die Beschwerdeführer waren als Bauwerber zu diesem neuen Tatsachenvorbringen berechtigt - nicht auseinandergesetzt, daß für die insgesamt 4 "Beschäftigten" je ein Stellplatz erforderlich sei. Sollte die Berufungsbehörde die Behauptung für wahr gehalten haben, alle 4 Personen benötigten gleichzeitig je einen Stellplatz, so waren die diesbezüglich angebotenen Beweise tatsächlich nicht aufzunehmen. Allerdings wurde die Feststellung, die Parkplätze auf öffentlichem Grund seien so wenig ausgelastet, daß auch für diese Personen Parkmöglichkeiten bestünden, allein auf die "Erfahrung" der Berufungsbehörde gestützt. Für diese "Erfahrung" finden sich aber im Akt keinerlei Grundlagen; der Hinweis in der Gegenschrift auf die im Lageplan ersichtliche Bebauung vermag die in der Beschwerde vorgetragenen Bedenken, daß der öffentliche Grund möglicherweise doch nicht ausreicht, nicht zu entkräften. Jedenfalls wurde den Beschwerdeführern im Berufungsverfahren nicht Gelegenheit geboten, zu dieser Erfahrung der Berufungsbehörde Stellung zu nehmen, Gegenbehauptungen aufzustellen und Beweise anzubieten. Bei Beachtung der Bestimmung des § 45 Abs. 3 AVG kann nicht ausgeschlossen werden, daß die Behörde zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre.
Sollte sich nach Aufnahme geeigneter Beweise - etwa eine Auskunft des Bezirkspolizeikommissariates - herausstellen, daß tatsächlich der Bedarf nach weiteren Stellplätzen auf dem Grund der Beschwerdeführer für die Beschäftigten besteht, wäre bei einer Bewilligung allerdings die Einhaltung insbesondere der Bestimmung des § 6 Abs. 1 WGG zu beachten.
Der angefochtene Bescheid war somit im Umfang des Spruchpunktes A) wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1992050241.X00Im RIS seit
11.05.2001