TE Vwgh Erkenntnis 1995/3/28 94/19/1210

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Veröffentlicht am 28.03.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;
AsylG 1991 §20 Abs2;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §60;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des C in Y, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in Y, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. April 1994, Zl. 4.344.065/1-III/13/94, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Zaire, reiste am 27. Dezember 1993 in das Bundesgebiet ein und stellte am 29. Dezember 1993 einen Asylantrag.

Das Bundesasylamt hat diesen Asylantrag mit Bescheid vom 26. Jänner 1994 mit der Begründung abgewiesen, daß der Beschwerdeführer vor seiner Einreise in das Bundesgebiet bereits in Rußland, Kroatien und in Slowenien vor Verfolgung sicher gewesen sei und demnach gemäß § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 die Asylgewährung (im Sinne von § 3 leg. cit.) ausgeschlossen sei.

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG (am 28. April 1994) erlassenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. April 1994 wurde die gegen den vorerwähnten Bescheid erhobene Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die belangte Behörde begründete die Abweisung der Berufung (ohne sich mit der Flüchtlingseigenschaft auseinanderzusetzen) ausschließlich damit, daß der - bereits von der Erstbehörde gebrauchte - Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 beim Beschwerdeführer gegeben sei, weil dieser vor seiner Einreise in das Bundesgebiet bereits in den Staaten Kongo, Rußland, Kroatien und Slowenien "Verfolgungssicherheit" erlangt habe, sodaß demnach die Asylgwährung ausgeschlossen sei.

Der Beschwerdeführer tritt (nachdem er schon in seiner Berufung die Bejahung seiner "Verfolgungssicherheit" in den von der Erstbehörde genannten Ländern bekämpft hatte) der Bejahung dieses Asylausschließungsgrundes durch die belangte Behörde in seiner Beschwerde entgegen. Soweit die belangte Behörde das Vorliegen des Asylausschließungsgrundes des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 ebenso wie die Erstbehörde auf den Aufenthalt des Beschwerdeführers in den Staaten Rußland, Kroatien und Slowenien gestützt hat, fällt der vorliegende Beschwerdefall in den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 2 leg. cit. (in der noch unbereinigten Fassung BGBl. Nr. 8/1992) und gleicht mithin in allen für die Entscheidung (in diesem Umfang) relevanten Einzelheiten (Aufhebung des Wortes "offenkundig" in § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1. Juli 1994, G 92, 93/94) jenem, der dem hg. Erkenntnis vom 16. November 1994, Zl. 94/01/0610, zugrundelag. Auf dieses Erkenntnis wird daher gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen, wobei eine Ausfertigung zur Information angeschlossen ist.

Schon aus den dort dargelegten Erwägungen ist auch der angefochtene Bescheid - soweit die belangte Behörde den Ausschließungsgrund auf "Verfolgungssicherheit" des Beschwerdeführers in Rußland, Kroatien und Slowenien gestützt hat - mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet (vgl. für viele beispielsweise das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 1995, Zl. 94/19/0221).

Die belangte Behörde hat das Vorliegen des gebrauchten Ausschließungsgrundes - anders als die Erstbehörde - des weiteren aber auch damit begründet, daß sich der Beschwerdeführer vor seiner Einreise in das Bundesgebiet in Kongo aufgehalten habe und bereits in diesem Land "Verfolgungssicherheit" erlangt habe.

Der Beschwerdeführer bestreitet die insoweit von der belangten Behörde gebrauchten Annahmen. Er bringt dazu unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften unter anderem ausdrücklich vor, daß die tatsächlichen Verhältnisse in Kongo von der belangten Behörde dahin hätten geprüft werden müssen, ob er in diesem Staat einer (asylrechtlich relevanten) Verfolgung ausgesetzt gewesen sei und wirksamen Schutz vor Abschiebung nach Zaire gehabt habe.

Dem Beschwerdeführer ist darin zuzustimmen, daß in dem seiner Beschwerde zugrundeliegenden Verwaltungsverfahren keine ausreichenden Ermittlungen gepflogen wurden, um annehmen zu können, der Staat Kongo hätte ihm aufgrund seiner "im großen und ganzen effektiv geltenden Rechtsordnung" als Zufluchtsstaat bereits einen dem Standard der Genfer Flüchtlingskonvention - insbesondere hinsichtlich des Rückschiebungsschutzes - entsprechenden Schutz geboten.

Die Beschwerdeausführungen sind nach Maßgabe der einen Asylwerber im Verfahren treffenden Mitwirkungspflicht ausreichend konkretisiert, um die Wesentlichkeit der im vorliegenden Beschwerdefall der belangten Behörde unterlaufenen Verletzungen von Verfahrensvorschriften (Parteiengehör, Ermittlungs- und Begründungspflicht) zu erkennen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 1995, Zl. 94/19/0413).

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid nicht entsprechend der durch § 60 (i.V.m § 67) AVG gebotenen Begründung dargelegt, aufgrund welcher Ermittlungen und Überlegungen sie zu der Feststellung gelangte, der Beschwerdeführer habe nicht darzutun vermocht, daß er keinen Rückschiebungsschutz (in Kongo) genossen habe.

Im Hinblick darauf, daß dem Beschwerdeführer zur Frage seiner "Verfolgungssicherheit" in Kongo kein Parteiengehör gewährt wurde, obwohl die belangte Behörde - anders als die Erstbehörde - den Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 zusächtlich auf den Aufenthalt des Beschwerdeführers in diesem Land gestützt hat, verstößt sein (erstmals in der Beschwerde erstattetes) Vorbringen diesbezüglich auch nicht gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG.

Die hinsichtlich der Annahme von "Verfolgungssicherheit" in Kongo somit unterlaufenen Verletzungen von Verfahrensvorschriften sind auch wesentlich, weil - zufolge des nach der Aktenlage insoweit mangelhaften Ermittlungsverfahrens - nicht auszuschließen ist, daß die belangte Behörde bei deren Vermeidung zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können.

Aus den im Erkenntnis vom 16. November 1994, Zl. 94/01/0610, enthaltenen und aus den soeben dargelegten Erwägungen mußte daher der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufgehoben werden, da die Rechtswidrigkeit des Inhaltes der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. November 1994, Zl. 94/19/0182).

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil der für Schriftsatzaufwand vorgesehene Pauschbetrag die Umsatzsteuer bereits beinhaltet und darüber hinaus kein zusätzlicher Betrag aus diesem Titel zuzuerkennen ist.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994191210.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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