TE Vwgh Erkenntnis 1995/3/28 94/19/1377

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Veröffentlicht am 28.03.1995
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §2 Abs2;
AsylG 1991 §2 Abs3;
AsylG 1991 §25 Abs2;
AsylG 1991 §3;
B-VG Art140 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Stöberl, Dr. Holeschofsky und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des K in A, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. April 1994, Zl. 4.326.850/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist ein Staatsangehöriger Ghanas. Er reiste am 11. November 1991 in das Bundesgebiet ein und beantragte am darauffolgenden Tag, ihm Asyl zu gewähren. Mit Bescheid vom 20. November 1991 (zugestellt am 3. Dezember 1991) stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei.

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. April 1994 wurde die Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer deshalb kein Asyl gewährt, weil sie der Auffassung war, daß der Ausschließungsgrund des - im vorliegenden Fall anzuwendenden - § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 gegeben sei. Nach dieser Bestimmung wird einem Flüchtling kein Asyl gewährt, wenn er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war.

Der Beschwerdeführer wendet sich dagegen, daß die belangte Behörde auf sein Berufungsvorbringen nicht näher eingegangen sei und erblickt darin einen Verstoß gegen § 60 AVG.

Der Asylbehörde obliegt gemäß § 3 AsylG 1991 eine Entscheidung darüber, ob einem Asylwerber Asyl zu gewähren ist, wobei einem solchen Antrag nur dann stattzugeben ist, wenn nach diesem Bundesgesetz glaubhaft ist, daß der Asylwerber Flüchtling UND die Gewährung von Asyl nicht gemäß § 2 Abs. 2 und 3 leg. cit. ausgeschlossen ist. Es müssen demnach im Falle der Asylgewährung kumulativ beide Voraussetzungen vorliegen, was bedeutet, daß es dann, wenn schon eine dieser Voraussetzungen (wie insbesonders die des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991) fehlt, rechtlich nicht mehr der Klärung bedarf, ob allenfalls die weitere dieser Voraussetzungen (die Flüchtlingseigenschaft) gegeben wäre. Hat die belangte Behörde daher von dem im vorliegenden Beschwerdefall herangezogenen Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. zu Recht Gebrauch gemacht, dann wäre es nicht rechtswidrig, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers nicht geprüft hätte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 1995, Zl. 94/19/0416, mit weiteren Nachweisen). Daß der angefochtene Bescheid aber im Hinblick auf die rechtliche Beurteilung gemäß § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 gegen die Begründungspflicht des § 60 AVG verstößt, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen und wird vom Beschwerdeführer auch nicht dargelegt.

Der Beschwerdeführer sieht weiters in der Anwendung des Asylgesetzes 1991 auf den Beschwerdefall eine gleichheitswidrige Schlechterstellung, da bei Anwendung des Asylgesetzes (1968) die ""Drittlandbestimmung" des § 2 AsylG (1991)" nicht anzuwenden gewesen wäre.

Nach § 25 Abs. 2 AsylG 1991 sind die am 1. Juni 1992 beim Bundesminister für Inneres anhängigen Verfahren nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zu Ende zu führen. Da die am 12. Dezember 1991 rechtzeitig erhobene Berufung des Beschwerdeführers zu diesem Zeitpunkt unbestritten bei der belangten Behörde anhängig war, war diese somit verpflichtet, die Bestimmungen des Asylgesetzes 1991 ihrer Entscheidung zugrundezulegen. Diesbezüglich hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 16. Dezember 1992, Zlen. B 1387/92, B 1542/92, ausgesprochen, daß gegen § 25 Abs. 2 AsylG 1991 und die sich daraus ergebende Anwendung des Asylgesetzes 1991 im anhängigen Berufungsverfahren keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 16. September 1993, Zl. 92/01/1115; dazu und zur Frage der Auswirkungen eines Verstoßes gegen die sich aus § 73 Abs. 1 AVG ergebende Verpflichtung das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 1994, Zl. 94/01/0022, mit weiteren Hinweisen).

Der Beschwerdeführer ist weiters der Ansicht, daß § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 nicht zur Anwendung komme, wenn es der Asylwerber unterlassen habe, in einem TRANSITLAND einen Asylantrag zu stellen. Auch sei der Flüchtling im Sinne der zitierten Gesetzesbestimmung vor Verfolgung in einem Drittstaat nur dann sicher, wenn er in diesem Drittstaat nicht verfolgt werde und ihm andererseits ein rechtlich einklagbarer Schutz vor Ausweisung in den Verfolgerstaat zukomme; Sicherheit sei nur dann anzunehmen, wenn der Drittstaat bereits Asyl gewährt habe. Der Beschwerdeführer übersieht dabei jedoch, daß dem einem Flüchtling im Zuge der Auslegung des § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 zuzubilligenden Sicherheitsbedürfnis nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bereits dann entsprochen ist, wenn er sich nach Verlassen seines Heimatlandes in einem anderen Staat, selbst nur im Zuge der Durchreise, befunden hat und diese (seit Betreten dieses Staates vorhandene) Sicherheit schon dort hätte in Anspruch nehmen können (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0357; vgl. weiters das bereits zitierte Erkenntnis vom 23. Februar 1994).

Der Beschwerdeführer wendet sich jedoch des weiteren gegen die Annahme der belangten Behörde, daß er bereits in Nigeria vor Verfolgung sicher gewesen sei. Der Beschwerdeführer hat hiezu in seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 14. November 1991 vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich angeführt, daß er sich vom 21. bis 25. Oktober 1991 dort aufgehalten habe. Hiezu führt der Beschwerdeführer aus, daß in Nigeria keinerlei durchsetzbare Ansprüche auf Asylgewährung bestanden hätten und auch kein Schutz vor Abschiebung gegeben gewesen wäre; insbesonders sei es notorisch, daß infolge der äußerst instabilen politischen Lage in Nigeria dort rechtsstaatliche Garantien nicht vorhanden seien.

Mit diesen Ausführungen bringt der Beschwerdeführer in tatsächlicher Hinsicht Behauptungen vor, bei deren Zutreffen nicht mehr ohne weiteres davon die Rede sein könnte, Nigeria biete als Zufluchtsstaat von seiner effektiv geltenden Rechtsordnung her einen dem Standard der Genfer Flüchtlingskonvention entsprechenden Schutz (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 1995, Zl. 94/19/1196, mit weiteren Nachweisen).

Der Beschwerdeführer hat zwar diesbezüglich konkrete Behauptungen zur Bestreitung der von der belangten Behörde angenommenen Verfolgungssicherheit erstmals in der Beschwerde aufgestellt, doch wurde ihm im Verwaltungsverfahren nicht Gelegenheit gegeben, dazu Stellung zu nehmen, weshalb dieses Vorbringen nicht gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG verstößt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 1995, Zl. 94/19/1009, sowie das bereits zitierte Erkenntnis vom 26. Jänner 1995). Damit aber hat der Beschwerdeführer insoweit die Wesentlichkeit eines Verfahrensmangels aufgezeigt, sodaß die belangte Behörde den vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid nicht mit Erfolg auf diesen Asylausschließungsgrund stützen kann.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Umsatzsteuer bereits im Pauschalbetrag für den Schriftsatzaufwand enthalten ist.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994191377.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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