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L66205 Landw Bringungsrecht Güter- und Seilwege Salzburg;Norm
AgrBehG 1950 §7 Abs2 idF 1974/476;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):93/07/0045Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerden 1. des R in
M, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt, und 2. des J in M,
vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Obersten Agrarsenates beim BMLF vom 2.12.1992, Zl. 710.921/07-OAS/92, betreffend Einräumung eines landwirtschaftlichen Bringungsrechtes (mitbeteiligte Parteien:
1. J in M, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt, und 2. R in M, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der erstbeschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- und der zweitbeschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren der erstbeschwerdeführenden Partei wird abgewiesen.
Begründung
Mit Eingabe vom 16. März 1990 beantragte die zweitbeschwerdeführende Partei die Einräumung eines landwirtschaftlichen Bringungsrechtes für die Bewirtschaftung der sogenannten L.-Wiese. Begründet wurde dieser Antrag damit, die zweitbeschwerdeführende Partei sei Eigentümerin der im Jahre 1955 per Handschlag erworbenen L.-Wiese, bestehend aus den Grundstücken Nr. 828/1, 828/2, 829/1 und 829/2, EZ. 233, KG. Schloß M. Seit 1955 seien die landwirtschaftliche Zufahrt und der Viehtrieb unbeanstandet erfolgt. Zur Erreichung der L.-Wiese habe man den seit jeher bestehenden Zufahrtsweg über das Grundstück Nr. 803, KG. Schloß M., der erstbeschwerdeführenden Partei benützt. Diese habe am 17. November 1986 auf Unterlassung des Viehtriebes und des Fahrens mit Fahrzeugen welcher Art auch immer, ausgenommen von Fahrten im Winter zum Zwecke der Heufuhr mit einem Traktor und Hänger über das Grundstück Nr. 803 vor dem zuständigen Zivilgericht geklagt. Der darauf folgende Prozeß habe die zweitbeschwerdeführende Partei durch einen Fehler des Rechtsanwaltes, welcher die Echtheit und Richtigkeit des Kaufvertrages bestätigt hatte, ohne zu erwähnen, daß die Benützung der Zufahrt bereits seit dem Jahre 1955 erfolgt sei, verloren. Da die erstbeschwerdeführende Partei in der Zwischenzeit hinter dem ihr gehördenden H.-Gut einen Schranken errichtet habe, sei die ordentliche Bewirtschaftung der L.-Wiese derzeit nicht möglich.
Im Zuge einer mündlichen Verhandlung am 9. Mai 1990 hat die zweitbeschwerdeführende Partei vor der Agrarbehörde erster Instanz ihren Antrag ausgedehnt und sich mit Einräumung einer bei dieser Verhandlung vorgeschlagenen Variante einverstanden erklärt.
Mit Bescheid vom 23. August 1991 gab der Landesagrarsenat beim Amt der Salzburger Landesregierung (LAS) dem am 18. Juni 1991 eingebrachten Devolutionsantrag der zweitbeschwerdeführenden Partei statt. Am 15. Oktober 1991 fand eine Begehung und Erhebung von Mitgliedern des LAS unter Teilnahme der beschwerdeführenden Parteien an Ort und Stelle statt.
Mit Eingabe vom 17. Oktober 1991 präzisierte die zweitbeschwerdeführende Partei ihren Antrag vom 16. März 1990 dahingehend, daß ihr neben der außer Streit stehenden Befugnis, im Winter zum Zweck der Heuabfuhr mit einem Traktor und Hänger die Grundparzellen Nr. 803 und 68 zu befahren, das Recht eingeräumt werden möge, auf dem bestehenden Weg in einer Breite von 2,5 m (Ladewagenbreite) im Bereich über die Grundstücke während des übrigen Jahres das Weidevieh zu treiben und die für die Bewirtschaftung der L.-Wiese (Grundstücke Nr. 828/1, 828/2, 829/1 und 829/2, alle KG. Schloß M.) notwendigen Fahrten mit landwirtschaftlichen Maschinen durchzuführen. Der Antrag auf Einräumung eines Bringungsrechtes nach irgendwelchen anderen Varianten werde nicht aufrecht erhalten. Hinsichtlich des Grundstücks Nr. 68 werde der Antrag "unpräjudiziell auf eine bereits erfolgte Ersitzung gestellt", da diese Ersitzung bisher nicht "grundbücherlich durchgeführt" worden sei.
Die erstbeschwerdeführende Partei bestritt eine solche Ersitzung. Im Verfahren vor dem LAS wurden mehrere Varianten betreffend das Bringungsrecht ausgearbeitet und den beschwerdeführenden Parteien zur Kenntnis gebracht.
Am 11. Mai 1992 legte die zweitbeschwerdeführende Partei ein Gutachten von Univ. Doz. Dr. B. vor, das sich mit der Notwendigkeit und der zwecksmäßigen Ausgestaltung eines landwirtschaftlichen Bringungsrechtes über die vorgenannten Grundstücke der erstbeschwerdeführenden Partei für die Bewirtschaftung der L.-Wiese befaßte und der erstbeschwerdeführenden Partei zur Kenntnis gebracht wurde, wogegen diese ausführlich Stellung nahm. In diesem Privatgutachten kam der Sachverständige zu dem Schluß, daß neben dem Viehtriebsrecht auch eine Bewirtschaftungsmöglichkeit für den unteren Teil der L.-Wiese mit Maschinen und Geräten über die vorgenannten Grundstücke der erstbeschwerdeführenden Partei notwendig sei.
Der LAS führte am 26. Juni 1992 eine mündliche Verhandlung durch, bei der ausführlich die Standpunkte der beschwerdeführenden Parteien sowie der vorliegenden Gutachten des privaten Sachverständigen und der Amtssachverständigen erörtert und ergänzt wurden und erließ gemäß § 1 Agrarverfahrensgesetz i.V.m. § 73 AVG und § 2 des Salzburger Güter- und Seilwegegesetzes 1970 (Slbg. GSLG) einen Bescheid, datiert mit 20. Juli 1992, mit dem dem Antrag der zweitbeschwerdeführenden Partei teilweise Folge gegeben und das Viehtriebsrecht über die Grundstücke Nrn. 68 und 803 der erstbeschwerdeführenden Partei auf dem hinter dem H.-Gut beginnenden, zunächst in der Natur ersichtlichen und in dessen Fortsetzung auf der flach ausgeformten Geländestufe bis zur bestehenden Zaunöffnung der L.-Wiese, zugunsten der Grundstücke Nrn. 828/1, 828/2, 829/1 und 829/2, alle KG. Schloß M., eingeräumt wird. Das Viehtriebsrecht wurde zeitlich jeweils auf den Hin- und Rücktrieb im Frühjahr vor Beginn der Alpungsperiode und im Herbst nach Ende der Alpungsperiode beschränkt.
Der Antrag auf Einräumung eines Fahrtrechtes mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen über die Grundstücke Nrn. 68 und 803 der erstbeschwerdeführenden Partei zur Bewirtschaftung der vorgenannten Grundstücke der zweitbeschwerdeführenden Partei (L.-Wiese) wurde gemäß § 2 Slbg. GSLG abgewiesen. Schließlich behielt sich der LAS die Entscheidung über die Entschädigung für die Einräumung des Viehtriebsrechtes gemäß § 2 Abs. 10 Slbg. GSLG "für den Zeitpunkt der Rechtskraft" dieses Bescheides vor. Gegen diesen Bescheid erhoben beide beschwerdeführenden Parteien Berufung an die belangte Behörde. Die zweitbeschwerdeführende Partei erhob außerdem aufgrund einer unrichtigen Rechtsmittelbelehrung dieses Bescheides Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, die mit Beschluß vom 10. November 1992, Zl. 92/07/0170, mangels Erschöpfung des Instanzenzuges zurückgewiesen wurde.
Die belangte Behörde ergänzte das Verfahren durch örtliche Erhebungen durch Vertreter des Senates am 12. November 1992 und behob mit dem angefochtenen Bescheid vom 2. Dezember 1992 den erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 1 Agrarverfahrensgesetz 1950 (AgrVG) i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG. In der Begründung wird zur Frage der Zuständigkeit der belangten Behörde ausgeführt, diese sei gemäß § 2 AgrVG 1950 im Verhältnis zu den LAS sachlich in Betracht kommende Oberbehörde. Aufgrund des § 1 Abs. 2 leg. cit. sei die belangte Behörde auch im Instanzenzug übergeordnete Behörde.
Da aufgrund der eingetretenen Devolution der LAS als Behörde erster Instanz entschieden habe, sei kein Bescheid der Agrarbezirksbehörde vorgelegen, der durch den LAS (im Sinne des § 7 Abs. 2 Agrarbehördengesetz 1950 (AgrBehG)) "abgeändert" hätte werden können. Da infolge der Verfahrenssituation eine Abänderung eines vorhandenen Bescheides nicht in Frage komme, sich die Angelegenheit aber im Rahmen der Zuständigkeitsabgrenzung des § 7 Abs. 2 AgrBehG 1950 befinde, sei die Zuständigkeit des OAS gegeben.
Nach der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts falle jedoch die Entscheidung über die Entschädigung nicht unter § 7 Abs. 2 AgrBehG 1950. Angesichts der gesetzlichen Grundlagen ergebe sich für die belangte Behörde folgende unbefriedigende Situation: Gemäß § 7 Abs. 2 Z. 5 lit. a und b AgrBehG 1950 sei die belangte Behörde unter anderem zur Entscheidung in Fällen berufen, in denen einem Begehren auf Einräumung, Abänderung oder Aufhebung eines Bringungsrechtes keine Folge gegeben oder in denen ein Bringungsrecht eingeräumt, abgeändert oder aufgehoben wurde. Bei Beurteilung dieser Frage habe die belangte Behörde auch die inhaltliche Determination des § 2 Abs. 6 Slbg. GSLG 1970 zu berücksichtigen. Ein wesentlicher Punkt sei dabei die in Z. 1 dieser Bestimmung genannte Abwägung der durch die Einräumung und Ausübung des Bringungsrechtes erreichbaren Vorteile mit den damit verbundenen Nachteilen. Als Nachteil komme neben allfälligen Wegerrichtungskosten die Leistung einer Entschädigung gemäß § 2 Abs. 10 i.V.m. § 5 leg. cit. an den Eigentümer des belasteten Grundstücks in Frage.
Dies bedeute, daß bei Einräumung eines Bringungsrechtes von der Behörde stets die Vorteile mit dem Kostenfaktor (auch) der Entschädigung verglichen werden müßten. Gelange die Behörde zum Ergebnis, daß die Entschädigung eine Höhe erreichen würde, "die in keiner Relation zu den eingeräumten und erreichbaren Vorteilen für den Antragsteller" stehe, so habe sie gemäß § 2 Abs. 2 Z. 2 i.V.m. Abs. 6 Z. 1 Slbg. GSLG den Antrag abzuweisen.
Der LAS sei offenbar von der Trennbarkeit der Frage der Rechtseinräumung und jener der Zuerkennung eines konkreten Entschädigungsbetrages ausgegangen. Konkrete Zahlen bezüglich einer Entschädigung für die Einräumung des Viehtriebes auf den Grundstücken der erstbeschwerdeführenden Partei würden sich im Erwägungsteil des erstinstanzlichen Bescheides nur ansatzweise finden; auch setze sich der LAS damit nicht bei der Interessensabwägung auseinander, sondern behalte sich die endgültige Festlegung der Entschädigung der Rechtskraft des Bescheides über das Bringungsrecht vor.
Durch diese Vorgangsweise sei die belangte Behörde nicht in der Lage, die Abwägung der Vor- und Nachteile, die der LAS getroffen habe, um zu einem Ergebnis zu gelangen, detailliert nachzuvollziehen, da ein wesentliches Element der Abwägung, nämlich die Festlegung des konkret in Rechnung zu stellenden Entschädigungsbetrages, fehle.
Nach Ansicht der belangten Behörde liege jedoch die Möglichkeit einer Trennbarkeit wesentlicher Spruchteile im Gegenstand nicht vor. Einerseits sei die Beurteilung der Entschädigung ein wesentlicher Faktor bei der Abwägung der Vor- und Nachteile bei der Beurteilung der Einräumung eines Bringungsrechtes, andererseits komme es durch diese Vorgangsweise zu einer Rechtsmittelinsuffizienz.
Diese Vorgangsweise könne dazu führen, daß im (nachfolgenden) Entschädigungsbescheid eine von den Erwägungen des Rechtseinräumungsbescheides gänzlich abweichende Höhe der Entschädigung rechtsverbindlich festgelegt werde. Damit werde aber der entscheidungswesentliche Inhalt des rechtseinräumenden Bescheides durch nachfolgende Festlegung der Entschädigung in einem separaten Bescheid konterkariert und entwertet. Ohne daß es möglich wäre, in die Rechtskraft des ursprünglichen Bescheides einzugreifen, werde eine Entscheidungsgrundlage dieses Bescheides umgestaltet, die bei Zugrundelegung der tatsächlich festgesetzten Entschädigung gar keine oder eine andere Rechtseinräumung nach sich gezogen hätte. Bei der Entscheidung über die Entschädigung handle es sich auch nicht um eine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG, die allenfalls zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens der Rechtseinräumung führen könne, da es sich dabei nicht um eine, von einer anderen Behörde als Hauptfrage zu beurteilende Vorfrage handle.
Der Rechtskraftsvorbehalt des LAS sei daher rechtswidrig und mache es der belangten Behörde unmöglich, die Rechtseinräumung und die dieser zugrundeliegenden Abwägungen auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen.
Aufgrund dieser Rechtswidrigkeit, die kein Sachverhaltsmangel im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG sei, sondern der ein Mangel der rechtlichen Beurteilung und Begründung zugrundeliege, sei der erstinstanzliche Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG zu beheben gewesen.
In weiterer Folge führt die belangte Behörde unter anderem "unvorgreiflich der neuen Entscheidung des LAS" aufgrund der von der belangten Behörde vorgenommenen Erhebungen und der ihr vorgelegten Urkunden zur Frage der Ersitzung des Rechtes (gemeint wohl das Viehtriebs- und Fahrrecht) auf dem Grundstück Nr. 68, KG. Schloß M., aus, daß das Recht auf Benützung durch die erfolgreiche Klagsführung der erstbeschwerdeführenden Partei hinsichtlich der Parzelle 803 beendet worden sei, aber dadurch das Recht auf Benützung der Parzelle 68 nicht erloschen sei, da es bis spätestens Ende 1989 ungehindert ausgeübt worden sei.
Diesen Bescheid bekämpfte die zweitbeschwerdeführende Partei zunächst vor dem Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der Beschwerde jedoch mit Beschluß vom 23. März 1993, B 299/93, ablehnte, gleichzeitig den Antrag auf Entscheidung eines verneinenden Kompetenzkonfliktes zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und der belangten Behörde zurückwies (K I-3/93), und die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abtrat.
Vor dem Verwaltungsgerichtshof macht die erstbeschwerdeführende Partei Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die zweitbeschwerdeführende Partei darüber hinaus auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Beide beschwerdeführenden Parteien beantragen kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides; die zweitbeschwerdeführende Partei stellte ferner den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Die beschwerdeführenden Parteien erachten sich insbesondere in ihrem Recht auf Erlassung einer Sachentscheidung gemäß § 66 Abs. 4 AVG verletzt.
Die belangte Behörde legte eine Gegenschrift vor, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte. Die erstmitbeteiligte (= zweitbeschwerdeführende) Partei brachte eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides ein; die zweitmitbeteiligte Partei verzichtete auf die Einbringung einer Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die Beschwerden wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung zu verbinden, und hierüber erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 2 des Agrarverfahrensgesetzes 1950 (AgrVG) ist der Oberste Agrarsenat (OAS) im Verhältnis zu den Landesagrarsenaten die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im Sinne des AVG.
Nach § 7 Abs. 1 des Agrarbehördengesetzes 1950 (AgrBehG) in der Fassung der Agrarbehördengesetznovelle 1974, BGBl. Nr. 476, endet der Instanzenzug mit den im Abs. 2 genannten Ausnahmen beim Landesagrarsenat (LAS). § 7 Abs. 2 Z. 5 lit. a und b AgrBehG sehen unter anderem vor, daß die Berufung an den OAS gegen "abändernde Erkenntnisse" des LAS zulässig ist, mit denen (lit. a) einem Begehren um Einräumung, Abänderung oder Aufhebung eines Bringungsrechtes keine Folge gegeben wird, (lit. b) ein Bringungsrecht eingeräumt, abgeändert oder aufgehoben wird.
In diesem Zusammenhang bringt die erstbeschwerdeführende Partei vor, daß die belangte Behörde (OAS) als Berufungsbehörde in zweiter Instanz eingeschritten sei. Es treffe zwar zunächst zu, daß die belangte Behörde für Rechtsmittel, die sich ausschließlich gegen die Höhe der Entschädigung richteten unzuständig sei, dies aber dann, wenn sie im Instanzenzug dritte Instanz sei.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem, die Beschwerde der zweitbeschwerdeführenden Partei gegen den Bescheid des LAS vom 20. Juli 1992 erledigenden Beschluß vom 10. November 1992, Zl. 92/07/0170, dargetan hat, ist im Beschwerdefall der Rechtszug an den OAS als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde möglich, wobei der Hinweis wesentlich ist, daß es sich dabei um eine, in § 7 Abs. 2 Z. 5 AgrBehG 1950 geregelte Angelegenheit handelt. Wie der Verfassungsgerichtshof im Zusammenhang mit dem ähnlich gelagerten Fall eines Zuständigkeitsübergangs gemäß § 73 AVG auf den OAS infolge Säumigkeit des LAS in seinem Erkenntnis vom 6. Oktober 1980, B 411/77 (= VfSlg. 8891/80), ausgesprochen hat, umschreibt § 7 Abs. 2 AgrBehG 1950 (in der Fassung der Agrarbehördengesetzesnovelle 1974) erschöpfend jene Angelegenheiten, in denen der OAS als Rechtsmittelinstanz zuständig ist. Daraus ergibt sich, daß der OAS in diesen - und nur in diesen Angelegenheiten - auch SONST (nämlich in seiner Funktion als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde) kompetent ist, Bescheide von Landesagrarsenaten aufzuheben oder zu ändern.
Dieser aus Art. 12 Abs. 1 Z. 3 i.V.m. Art. 2 B-VG vom Verfassungsgerichtshof abgeleitete Grundsatz gilt auch für den Fall, daß die erstinstanzliche Entscheidung infolge Zuständigkeitsübergang vom LAS zu treffen war und daher das Vorliegen eines abändernden Bescheides des LAS nicht möglich ist.
Wie der Verwaltungsgerichtshof im Zusammenhang mit § 7 Abs. 2 Z. 5 AgrBehG 1950 in der Fassung der Agrarbehördengesetzesnovelle 1974 ausgesprochen hat, ist die Anrufung des OAS in Fragen der Höhe der Entschädigung für ein Bringungsrecht (samt Bringungsanlage) auch gegen abändernde Erkenntnisse des Landesagrarsenates selbst dann unzulässig, wenn die Festsetzung der Entschädigung im unmittelbaren Zusammenhang mit der Einräumung des Bringungsrechtes steht (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 11. Oktober 1978, Slg. NF Nr. 9651/A und vom 14. Februar 1984, Zl. 81/07/0076).
Die belangte Behörde ist daher zutreffend davon ausgegangen, daß sie für die Entscheidung über die Höhe der Entschädigung im Beschwerdefall nicht zuständig ist. Entgegen der Ansicht der zweitbeschwerdeführenden Partei kann jedoch daraus kein negativer Kompetenzkonflikt zwischen dem OAS und - im Hinblick auf den bereits zitierten hg.
Zurückweisungsbeschluß vom 10. November 1992 - dem Verwaltungsgerichtshof in der Behandlung des Beschwerdefalles konstruiert werden, hat doch die belangte Behörde durch ersatzlose Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides nach § 66 Abs. 4 AVG eine - wenngleich negative - Sachentscheidung getroffen. Auch der Verfassungsgerichtshof hat in seinem (bereits erwähnten) Beschluß vom 23. März 1993 gegenüber der zweitbeschwerdeführenden Partei den Antrag auf Entscheidung eines verneinenden Kompetenzkonfliktes zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und dem OAS zurückgewiesen.
Darüberhinaus kann - wie sich zweifelsfrei und eindeutig aus dem Wortlaut der Begründung entnehmen läßt - aus dem vorgenannten Zurückweisungsbeschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. November 1992 gerade nicht abgeleitet werden, daß der OAS auch zur Entscheidung über Fragen der Höhe der Entschädigung zuständig wäre, wie dies die zweitbeschwerdeführende Partei vermeint.
Die belangte Behörde war allerdings zuständig, über die Frage des im Berufungswege bei ihr anhängig gemachten Bringungsrechtes aufgrund des, im erstinstanzlichen Verfahren geltend gemachten Übergangs der Zuständigkeit von der Agrarbezirksbehörde auf den LAS zu entscheiden.
Zutreffend machen beide beschwerdeführenden Parteien eine Verletzung ihrer subjektiven Rechte durch die ersatzlose Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides nach § 66 Abs. 4 AVG - wie noch näher auszuführen sein wird - geltend.
Die belangte Behörde geht zunächst von der These aus, daß die Frage der Einräumung eines Bringungsrechtes untrennbar mit der Frage der Entschädigung verbunden sei und ohne Beurteilung der Höhe der Entschädigung nicht beantwortet werden könne. Es müsse die Einräumung eines Bringungsrechtes und die Festlegung der Entschädigung "prinzipiell in einem Bescheid erfolgen". Nach Ansicht der belangten Behörde ist der in Spruchpunkt 3 des erstinstanzlichen Bescheides vorgenommene Vorbehalt der gesonderten Entscheidung über die Höhe der Entschädigung nach Rechtskraft des Bescheides über das Bringungsrecht rechtswidrig.
Gemäß § 5 Abs. 1 des Güter- und Seilwege-Grundsatzgesetzes 1967 (GSGG), BGBl. Nr. 198, ist für die "durch die Einräumung eines Bringungsrechtes verursachten vermögensrechtlichen Nachteile" ein Anspruch auf Entschädigung vorzusehen. Unter diesen Nachteilen sind auch jene zu verstehen, die Nutzungsberechtigte, Gebrauchtsberechtigte oder Bestandnehmer erleiden.
Allein schon aus dem Wortlaut dieser Bestimmung des Grundsatzgesetzes läßt sich schließen, daß zwar vermögensrechtliche Nachteile auszugleichen sind, daß daraus ein gesetzliches Verbot der Trennung zwischen der Einräumung des Bringungsrechtes und Entscheidung über den dadurch ausgelösten Entschädigungsanspruch jedoch nicht ableitbar ist.
Diesem Konzept der Trennbarkeit ist auch die Ausführungsgesetzgebung im Rahmen des Salzburger Güter- und Seilwegegesetzes 1970, LGBl. Nr. 41, (Slbg. GSLG) in der Fassung der Novellen LGBl. Nrn. 90/1971, 44/1975 und 23/1989, gefolgt.
Gemäß § 2 Abs. 2 leg. cit. ist ein Bringungsrecht durch die Agrarbehörde einzuräumen, wenn
1. die zweckmäßige Bewirtschaftung von Grundstücken, die land- und forstwirtschaftlichen Zwecken gewidmet sind, oder eines land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes dadurch erheblich beeinträchtigt wird, daß für die Bringung der auf den Grundstücken oder im Betrieb gewonnenen oder gewinnbaren Erzeugnisse oder der zur Bewirtschaftung erforderlichen Personen oder Sachen keine oder nur eine unzulängliche Bringungsmöglichkeit besteht und
2. dieser Nachteil nur durch ein Bringungsrecht, das öffentliche Interessen nicht verletzt und den im Abs. 6 aufgezählten Erfordernissen entspricht, beseitigt oder gemildert werden kann.
Öffentliche Interessen werden nach § 2 Abs. 3 leg. cit. insbesondere dann verletzt, wenn durch das Bringungsrecht Belange des Forstwesens, der Wildbach- und Lawinenverbauung, der Raumplanung, des Natur- und Landschaftsschutzes sowie eines ausgeglichenen Naturhaushaltes, des Denkmalschutzes, der Wasserwirtschaft, des öffentlichen Verkehrs, der sonstigen öffentlichen Versorgung, des Bergwesens, der Landesverteidigung und der Sicherheit des Luftraumes abträglich berührt würden.
Nach Abs. 6 leg. cit. ist Art, Inhalt und Umfang eines Bringungsrechtes so festzusetzen, daß
1. die durch seine Einräumung und Ausübung erreichbaren Vorteile die damit verbundenen Nachteile überwiegen,
2.
weder Menschen noch Sachen gefährdet werden,
3.
fremder Grund unter Berücksichtigung seines Verwendungszweckes in möglichst geringem Ausmaß in Anspruch genommen wird und
4. möglichst geringe Kosten verursacht werden.
Nach Abs. 10 leg. cit. gebührt für die durch die Einräumung von Bringungsrechten verursachten vermögensrechtlichen Nachteile dem Eigentümer des belasteten Grundstückes und dem daran aufgrund seines Eigentums an einem anderen Gegenstand dinglich berechtigten eine Entschädigung, die mangels eines diesbezüglichen Parteienübereinkommens unter sinngemäßer Anwendung des § 5 von der Agrarbehörde zu bestimmen ist. Unter solchen vermögensrechtlichen Nachteilen sind auch jene zu verstehen, die Nutzungsberechtigte, Gebrauchsberechtigte oder Bestandnehmer erleiden. Nach § 5 Abs. 1 leg. cit. gebührt für alle mit der Entschädigung verbundenen vermögensrechtlichen Nachteile einschließlich einer allfälligen Wirtschaftserschwernis dem Enteigneten angemessene Schadloshaltung.
Soweit über die Art und die Höhe der Entschädigung ein Parteienübereinkommen nicht zustande gekommen ist, ist nach § 5 Abs. 2 leg. cit. eine Geldentschädigung durch die Agrarbehörde festzusetzen, für deren Ermittlung die Bestimmungen des § 4 Abs. 2 und der §§ 5 bis 9 leg. cit. und für deren Bezahlung und Verteilung die Bestimmungen des § 34 Abs. 1 und 2 des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954, BGBl. Nr. 71, sinngemäß gelten.
Entgegen der tragenden Begründung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid ist jedoch eine Trennung des Abspruches über die Einräumung des Bringungsrechtes und über die hiefür zu leistende Entschädigung nach dem Salzburger Güter- und Seilwegegesetz 1970 möglich.
Es trifft die Rechtsmeinung der belangten Behörde nicht zu, die Beurteilung der Entschädigung sei ein wesentlicher Faktor bei der Abwägung der Vor- und Nachteile, die zur Beurteilung der Frage der Einräumung eines Bringungsrechtes vorzunehmen sei. Die Entscheidung über die Entschädigung einschließlich der Bemessung ihrer Höhe ist nämlich eine Rechtsfolge der Einräumung des Bringungsrechtes und keine Tatbestandsvoraussetzung für dessen Einräumung. Die Entschädigung dient als Nachteilsausgleich und kann ihrerseits nicht zugleich in die Nachteilsbeurteilung einbezogen werden. Als Nachteil kann letztlich nur die Belastung des Grundeigentums angesehen und in die Nachteilsbeurteilung einbezogen werden.
Aus den dargelegten Gründen belastet daher die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war. Es erübrigt sich somit auch ein Eingehen auf das übrige Beschwerdevorbringen.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Die Abweisung des Mehrbegehrens der erstbeschwerdeführenden Partei betrifft Stempelgebühren für die vorgelegte Ablichtung des Bescheides, da gemäß § 14 TP 5 Abs. 1 Gebührengesetz 1957 die Stempelgebühren je Beilage auf maximal S 180,-- begrenzt ist.
Schlagworte
Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Nichterschöpfung des Instanzenzuges Besondere Rechtsgebiete BodenreformAllgemeinOffenbare Unzuständigkeit des VwGH Nichterschöpfung des Instanzenzuges Allgemein Allgemeine VerwaltungsverfahrensgesetzeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1993070028.X00Im RIS seit
03.04.2001Zuletzt aktualisiert am
08.10.2012