TE Vwgh Erkenntnis 1995/3/30 93/17/0076

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Veröffentlicht am 30.03.1995
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Index

DE-32 Steuerrecht Deutschland;
L34007 Abgabenordnung Tirol;
L37017 Getränkeabgabe Speiseeissteuer Tirol;
yy41 Rechtsvorschriften die dem §2 R-ÜG StGBl 6/1945 zuzurechnen
sind;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
36 Wirtschaftstreuhänder;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
AVG §7;
AVG §9 Abs1;
B-VG Art11 Abs2;
Getränke- und SpeiseeissteuerG Tir;
LAO Tir 1963 §60 Abs1;
LAO Tir 1984 §63 Abs1;
ReichsabgabenO §107a Abs1;
ReichsabgabenO §107a Abs3 Z6;
Verhütung von Mißbräuchen auf dem Gebiet der Rechtsberatung 1935 Art2 §1 Z1;
VwRallg;
WTBO §71 Abs1;
WTBO §71 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Gruber, Dr. Höfinger und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde der XY reg. Gen.m.b.H. in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 8. Oktober 1992, Zl. Ib-8269/1-1992, betreffend Abweisung des Antrages auf bescheidmäßige Festsetzung der Getränkesteuer für die Jahre 1986 bis 1990 (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde Z, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin brachte durch den XY-Verband, Revisionsverband der XY-Genossenschaften mit der Eingabe vom 26. April 1991 die berichtigte Getränkesteuererklärung für die Jahre 1986 bis 1990 bei der mitbeteiligten Marktgemeinde ein. Die Erklärungen über die Selbstbemessung der Getränkeabgabe hätten sich wegen Nichtberücksichtigung der Steuerfreiheit des Außerortverbrauches als unrichtig herausgestellt. Die Beschwerdeführerin beantrage, das sich auf Grund der berichtigten Erklärungen ergebende Guthaben in der Höhe von S 294.887,91 auf ihr Konto zu überweisen. Dieser Eingabe beigelegt war die Ablichtung einer Vollmachtsurkunde, in der es heißt: "Hiemit bevollmächtigte(n) ich (wir) 'XY-Verband Revisionsverband der XY-Genossenschaften ad personam Dkfm. Mag. J BP und StB' mich (uns) in allen steuerlichen und wirtschaftlichen Angelegenheiten gegenüber den zuständigen Behörden und Personen rechtsgültig zu vertreten und für mich (uns) Eingaben, Steuererklärungen etc. zu unterfertigen, Akteneinsicht zu nehmen, sowie alles ihm in meinem (unseren) Interesse zweckdienlich Erscheinende zu verfügen." In dieser Vollmachtsurkunde war der Text: "Gleichzeitig erteile(n) ich (wir) die Ermächtigung zum Empfang von Schriftstücken der Abgabenbehörde, welche nunmehr ausschließlich dem Bevollmächtigten zuzustellen sind." durchgestrichen.

Mit der auf Grund der Zustellverfügung an den XY-Verband zugestellten Erledigung vom 12. August 1991 sprach der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde - soweit in diesem Verfahren von Relevanz - aus, daß der Antrag der Beschwerdeführerin auf Rückerstattung der Getränkesteuer für den XY-Markt in Z für den Zeitraum 1. Oktober 1986

(= erstmalige Abgabe einer Getränkesteuererklärung) bis 31. Dezember 1990 abgewiesen werde. In der Begründung heißt es, nach § 9 des Tiroler Getränke- und Speiseeissteuergesetzes habe die Festsetzung der Getränkesteuer mit Bescheid nach § 151 Abs. 2 der Tiroler LAO zu unterbleiben, soweit sich die Unrichtigkeit der Selbstberechnung daraus ergebe, daß in der Getränkesteuererklärung auch jene Getränke erfaßt seien, die nicht in der Gemeinde, in der die Getränke an Letztverbraucher entgeltlich abgegeben worden seien, verbraucht würden. Da für die im Spruch angeführten Zeiträume Getränke- und Speiseeissteuererklärungen ordnungsgemäß abgegeben worden seien, sei eine Festsetzung der Getränkesteuer mit Bescheid gemäß § 9 Tiroler Getränke- und Speiseeissteuergesetz nicht erforderlich.

Die dagegen von der Beschwerdeführerin erhobene Berufung wies der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde mit der ebenfalls an den genannten XY-Verband zugestellten "Berufungsvorentscheidung" vom 13. Februar 1992 ab.

Auf Grund des Vorlageantrages der Beschwerdeführerin wies der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Marktgemeinde die Berufung mit dem an die Beschwerdeführerin gerichteten und dem Beschwerdevertreter zugestellten Berufungsbescheid vom 27. Juli 1992 als unbegründet ab. Dies mit der Begründung, gemäß Art. II § 2 Abs. 3 FAG 1989, in der Fassung BGBl. Nr. 693/1991, habe eine Neufestsetzung der Abgaben vom Verbrauch von Speiseeis und Getränken gemäß § 14 Abs. 1 Z. 7 FAG 1985, BGBl. Nr. 544/1984, oder § 14 Abs. 1 Z. 7 FAG 1989 auf Grund der Unrichtigkeit der Selbstbemessung gemäß den Vorschriften der Landesabgabenordnungen zu unterbleiben, soweit diese Unrichtigkeit damit begründet werde, daß die Abgabenerklärung auch jenes Speiseeis und jene Getränke erfasse, die nicht in der Gemeinde verbraucht würden, in der sie an Letztverbraucher entgeltlich abgegeben worden seien. Die Getränkesteuer sei durch den Gewerbebetrieb vom Letztverbraucher eingehoben und an die mitbeteiligte Marktgemeinde erklärt und abgeführt worden. Eine Rückzahlung komme aus den vorgenannten Gründen nicht in Betracht.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Vorstellung.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet ab. Dies im wesentlichen mit der Begründung, die Aufsichtsbehörde habe den angefochtenen Bescheid an der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Erlassung zu messen. Dem Antrag, eine den FAG 1985 und 1989 zuzurechnende Getränkesteuer unter Berücksichtigung eines Außerortverbrauchanteils bescheidmäßig festzusetzen, stehe die im Verfassungsrang stehende Norm des Art. II § 2 Abs. 3 FAG-Novelle 1991 entgegen. Durch diese Verfassungsbestimmung sei eine bescheidmäßige Festsetzung der Getränkesteuer aus dem Grunde der Berücksichtigung des Außerortverbrauchanteiles verfassungsrechtlich ausgeschlossen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluß vom 16. Dezember 1992, B 1866/92-3, ab und trat die Beschwerde mit Beschluß vom 19. Februar 1993, B 1866/92-5, zur Entscheidung ab. Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf gesetzmäßige Festsetzung der Getränke- und Speiseeissteuer sowie im Recht auf ein gesetzmäßiges Abgabenverfahren verletzt und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Marktgemeinde

erstatteten je eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Vertretungsbefugnis des XY-Verbandes ergibt sich ungeachtet der Regelung des § 63 Abs. 1 der Tiroler LAO, wonach sich die Parteien und ihre gesetzlichen Vertreter durch eigenberechtigte Personen vertreten lassen können, aus den Bestimmungen des § 71 Abs. 1 erster und zweiter Satz Wirtschaftstreuhänder-Berufsordnung (WTBO), BGBl. Nr. 125/1955, sowie des § 107a Abs. 3 Z. 6 Abgabenordnung vom 22. Mai 1931, Deutsches RGBl. I, S. 161, in der Fassung der Novelle vom 17. Dezember 1935, Deutsches RGBl. I, S. 1479.

Gemäß § 71 Abs. 1 erster und zweiter Satz WTBO werden die Befugnisse der Rechtsanwälte, Patentanwälte und Notare durch die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nicht berührt. Gleiches gilt für die Befugnisse von Behörden und Körperschaften des öffentlichen Rechts, soweit sie im Rahmen ihres Aufgabenbereiches Hilfe oder Beistand in Steuersachen im Sinne der Abgabenordnung leisten, sowie der im § 107a Abs. 3 Z. 3 bis 9 der Abgabenordnung genannten Personen oder Stellen.

Nach § 71 Abs. 2 erster Satz WTBO werden durch die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes die den Revisionsverbänden

der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften ... zugewiesenen

Prüfungs- und Beratungsaufgaben ebenfalls nicht berührt.

§ 107a Abs. 1 und Abs. 3 Z. 6 der Abgabenordnung der verwiesenen (deutschen) Abgabenordnung lautet:

"§ 107a (1) Personen, die geschäftsmäßig Hilfe in

Steuersachen leisten, ... bedürfen dazu der vorherigen

allgemeinen Erlaubnis des Finanzamtes ...

(3) Absatz 1 gilt nicht für

...

6. genossenschaftliche Prüfungsverbände und deren Spitzenverbände, genossenschaftliche Treuhand- und ähnliche genossenschaftliche Stellen, soweit sie im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ihren Mitgliedern Hilfe in Steuersachen leisten;"

Diese den XY-Verband betreffenden verfahrensrechtlichen Regelungen, die sich insofern auf Art. 11 Abs. 2 B-VG stützen, sind von der Tiroler Landesabgabenordnung unberührt geblieben, zumal es für den Landesgesetzgeber nach der Verfassungsrechtslage vor der B-VG Novelle BGBl. Nr. 444/1974 verfassungsrechtlich nicht zulässig gewesen wäre, von einer bundesgesetzlichen auf die Bedarfskompetenz des Art. 11 Abs. 2 B-VG gestützten Regelung abzuweichen (auf dem Boden dieser Auffassung offenbar auch W. Doralt, ÖStZ 1974, 121). Demnach durfte der XY-Verband in dem Abgabensachen betreffenden verwaltungsbehördlichen Verfahren zur Vertretung der Beschwerdeführerin vor den Gemeindeabgabenbehörden bevollmächtigt werden.

Der XY-Verband war im verwaltungsbehördlichen Verfahren jedoch nicht zustellungsbevollmächtigt, weil der Text, daß

"gleichzeitig ... die Ermächtigung zum Empfang von

Schriftstücken der Abgabenbehörde" erteilt wird, in der vorgelegten Vollmacht gestrichen ist.

Die Zustellung einer Erledigung an eine Person, die zu Unrecht als Zustellungsbevollmächtigter der Partei angesehen wird, entsprechend der Zustellverfügung vermag gegenüber der Partei keine Rechtswirkungen zu entfalten; dies selbst im Falle des tatsächlichen Zukommens an die Partei, weil weder ein Fall des § 7 ZustG noch des § 9 Abs. 1 zweiter Satz ZustG vorliegt (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, 1186, und das dort angeführte Erkenntnis vom 18. Mai 1988, Zl. 87/02/0150).

Die als Abgabenbescheid intendierte Erledigung der Abgabenbehörde erster Instanz ist daher mangels einer für die Beschwerdeführerin rechtswirksamen Zustellung als Bescheid rechtlich nicht existent geworden. Die Berufungsbehörde hätte daher die Berufung als unzulässig zurückweisen müssen, ihre Entscheidung in der Sache war rechtswidrig. Für die belangte Behörde ergab sich daraus, daß sie den Berufungsbescheid hätte beheben müssen. Der angefochtene Bescheid ist daher inhaltlich rechtswidrig.

Für das fortzusetzende Verfahren ergibt sich daraus, daß nach erfolgter Aufhebung des Berufungsbescheides durch die Vorstellungsbehörde die Abgabenbehörde erster Instanz, die einen Bescheid bisher noch nicht erlassen hat, über die in der Eingabe der Beschwerdeführerin vom 26. April 1991 gestellten Anträge zu entscheiden haben wird.

Für das weitere Verfahren wird überdies noch bemerkt, daß es sich im Beschwerdefall um eine mit Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 93/17/0077, entschiedene gleichgelagerte Sache - sie betrifft dieselbe Beschwerdeführerin und dieselbe belangte Behörde - handelt. Auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses wird hingewiesen.

Aus den oben angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

Schlagworte

Vertretungsbefugnis Inhalt Umfang ZustellungVertretungsbefugter physische Person Eigenberechtigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1993170076.X00

Im RIS seit

22.10.2001

Zuletzt aktualisiert am

15.04.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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