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DE-32 Steuerrecht Deutschland;Norm
AVG §10 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Gruber, Dr. Höfinger und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde der XY reg. Gen.m.b.H. in W, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 19. Oktober 1993, Zl. Ib-8375/1, betreffend Abweisung des Antrages auf bescheidmäßige Festsetzung der Getränkesteuer für das Jahr 1990 (mitbeteiligte Partei: Gemeinde F, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.850,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin brachte durch den XY-Verband, Revisionsverband der XY-Genossenschaften, mit der Eingabe vom 26. April 1991 die berichtigte Getränkeabgabenerklärung für das Jahr 1990 bei der mitbeteiligten Gemeinde ein. Die Erklärung über die Selbstbemessung der Getränkeabgabe hätte sich wegen Nichtberücksichtigung der Steuerfreiheit des Außerortverbrauches als unrichtig herausgestellt. Die Beschwerdeführerin beantrage, das sich auf Grund der berichtigten Erklärungen ergebende Guthaben in der Höhe von S 12.273,98 auf ihr Konto zu überweisen. Der Eingabe beigelegt war die Ablichtung einer Vollmachtsurkunde, in der es heißt:
"Hiemit bevollmächtigte(n) ich (wir) "XY-Verband Revisionsverband der XY-Genossenschaften ad personam Dkfm. Mag. J BP und StB" mich (uns) in allen steuerlichen und wirtschaftlichen Angelegenheiten gegenüber den zuständigen Behörden und Personen rechtsgültig zu vertreten und für mich (uns) Eingaben, Steuererklärungen etc. zu unterfertigen, Akteneinsicht zu nehmen, sowie alles ihm in meinem (unseren) Interesse zweckdienlich Erscheinende zu verfügen." In dieser Vollmachtsurkunde war der Text: "Gleichzeitig erteile(n) ich (wir) die Ermächtigung zum Empfang von Schriftstücken der Abgabenbehörde, welche nunmehr ausschließlich dem Bevollmächtigten zuzustellen sind." durchgestrichen.
Mit Erledigung vom 12. September 1991 sprach der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde aus, daß der Antrag der Beschwerdeführerin, vertreten durch den "XY-Verband Revisionsverband der XY-Genossenschaften" vom 26. April 1991 betreffend die Festsetzung der Getränkesteuer für die "Filiale XY in F" für den Zeitraum von 1. Jänner 1990 bis 31. Dezember 1990 gemäß § 9 Abs. 2 des Tiroler Getränke- und Speiseeissteuergesetzes, in der Fassung des Gesetzes LGBl. für Tirol Nr. 54/1991, als unbegründet abgewiesen werde. Diese Erledigung wurde auf Grund der Zustellverfügung an den XY-Verband zugestellt.
Über die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin erging die Erledigung des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 7. September 1993, in der ausgesprochen wurde, daß die Berufung als unbegründet abgewiesen wird. In der Begründung heißt es, die Entscheidung stütze sich auf die Verfassungsbestimmung des Art. II § 2 Abs. 3 FAG 1989 in der Fassung BGBl. Nr. 693/1991. Danach unterbleibe eine Neufestsetzung der Abgaben vom Verbrauch von Getränken gemäß § 14 Abs. 1 Z. 7 FAG 1985 oder § 14 Abs. 1 Z. 7 FAG 1989 auf Grund der Unrichtigkeit der Selbstbemessung gemäß den Vorschriften der LAO, soweit diese Unrichtigkeit damit begründet werde, daß die Abgabenerklärung auch jene Getränke erfasse, die nicht in der Gemeinde verbraucht würden, in der sie an Letztverbraucher entgeltlich abgegeben worden seien. Auch diese Erledigung wurde auf Grund der Zustellverfügung an den "XY-Revisionsverband" zugestellt.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin, vertreten durch den XY-Verband Vorstellung.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet ab. In der Begründung heißt es im wesentlichen, die Aufsichtsbehörde habe den angefochtenen Bescheid an der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner Erlassung zu messen. Dem Antrag der Beschwerdeführerin, eine dem FAG 1989 zuzurechnende Getränkesteuer unter Berücksichtigung des Außerortverbrauchanteiles bescheidmäßig festzusetzen, stehe die im Verfassungsrang stehende Norm des Art. II § 2 Abs. 3 FAG-Novelle 1991 entgegen. Durch diese Verfassungsbestimmung sei eine bescheidmäßige Festsetzung der Getränkesteuer aus dem Grund der Berücksichtigung des Außerortverbrauchanteiles verfassungsrechtlich ausgeschlossen.
Der angefochtene Bescheid wurde entsprechend der Zustellverfügung der Beschwerdeführerin zu Handen des XY-Verbandes und der mitbeteiligten Gemeinde zugestellt.
In der dagegen erhobenen Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf gesetzmäßige Festsetzung der Getränke- und Speiseeissteuer sowie in ihrem Recht auf ein gesetzmäßiges Abgabenverfahren verletzt und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zur Frage der Zulässigkeit der Beschwerde unter dem Gesichtswinkel des Vorliegens eines vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpfbaren Bescheides ist vorweg festzuhalten, daß die von der belangten Behörde angeordnete und bewirkte Zustellung der als Bescheid intendierten Erledigung zu Handen des XY-Verbandes aus den weiter unten dargelegten Gründen eine rechtswirksame Erlassung des Bescheides gegenüber der Beschwerdeführerin nicht bewirkt hat. Die Erledigung der belangten Behörde hat jedoch durch die Zustellung an die mitbeteiligte Stadtgemeinde als Partei des aufsichtsbehördlichen Verfahrens rechtliche Existenz als Bescheid erlangt. Daraus folgt für das verwaltungsgerichtliche Verfahren, daß die Beschwerdeführerin diesen Bescheid gemäß § 26 Abs. 2 VwGG bekämpfen kann (vgl. dazu Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S 34 Anm. 4 zu § 26).
Die Vertretungsbefugnis des XY-Verbandes ergibt sich ungeachtet der Regelung des § 63 Abs. 1 der Tiroler LAO, wonach sich die Parteien und ihre gesetzlichen Vertreter durch eigenberechtigte Personen vertreten lassen können, aus den Bestimmungen des § 71 Abs. 1 erster und zweiter Satz Wirtschaftstreuhänder-Berufsordnung (WTBO), BGBl. Nr. 125/1955, sowie des § 107a Abs. 3 Z. 6 Abgabenordnung vom 22. Mai 1931, Deutsches RGBl. I, S. 161 in der Fassung der Novelle vom 17. Dezember 1935, Deutsches RGBl. I S. 1479.
Gemäß § 71 Abs. 1 erster und zweiter Satz WTBO werden die Befugnisse der Rechtsanwälte, Patentanwälte und Notare durch die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nicht berührt. Gleiches gilt für die Befugnisse von Behörden und Körperschaften des öffentlichen Rechts, soweit sie im Rahmen ihres Aufgabenbereiches Hilfe oder Beistand in Steuersachen im Sinne der Abgabenordnung leisten, sowie der im § 107a Abs. 3 Z. 3 bis 9 der Abgabenordnung genannten Personen oder Stellen.
Nach § 71 Abs. 2 erster Satz WTBO werden durch die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes die den Revisionsverbänden
der Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften ... zugewiesenen
Prüfungs- und Beratungsaufgaben ebenfalls nicht berührt.
§ 107a Abs. 1 und Abs. 3 Z. 6 der Abgabenordnung der verwiesenen (deutschen) Abgabenordnung lautet:
"§ 107a (1) Personen, die geschäftsmäßig Hilfe in
Steuersachen leisten, ... bedürfen dazu der vorherigen
allgemeinen Erlaubnis des Finanzamtes ...
(3) Absatz 1 gilt nicht für
...
6. genossenschaftliche Prüfungsverbände und deren Spitzenverbände, genossenschaftliche Treuhand- und ähnliche genossenschaftliche Stellen, soweit sie im Rahmen ihres Aufgabenbereichs ihren Mitgliedern Hilfe in Steuersachen leisten;"
Diese den XY-Verband betreffenden verfahrensrechtlichen Regelungen, die sich insofern auf Art. 11 Abs. 2 B-VG stützen, sind von der Tiroler Landesabgabenordnung unberührt geblieben, zumal es für den Landesgesetzgeber nach der Verfassungsrechtslage vor der B-VG Novelle BGBl. Nr. 444/1974 verfassungsgesetzlich nicht zulässig gewesen wäre, von einer bundesgesetzlichen, auf die Bedarfskompetenz des Art. 11 Abs. 2 B-VG gestützten Regelung abzuweichen (auf dem Boden dieser Auffassung offenbar auch W. Doralt, ÖStZ 1974, 121). Demnach durfte der XY-Verband in dem Abgabensachen betreffenden verwaltungsbehördlichen Verfahren zur Vertretung der Beschwerdeführerin vor den Gemeindeabgabenbehörden bevollmächtigt werden.
Nach § 119 Abs. 1 erster Satz Tiroler Gemeindeordnung, LGBl. für Tirol Nr. 4/1966 in der Fassung LGBl. Nr. 98/1991, finden für das Verfahren vor der Aufsichtsbehörde ohne Rücksicht auf den Gegenstand des Verfahrens die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 Anwendung.
Die Vertretungsbefugnis des genannten XY-Verbandes im gemeindeaufsichtsbehördlichen Verfahren "in Steuersachen" ergibt sich ungeachtet des § 10 Abs. 1 erster Satz AVG, wonach sich die Beteiligten und ihre gesetzlichen Vertreter durch eigenberechtigte Personen vertreten lassen können, aus den bereits angeführten Bestimmungen des § 71 WTBO und des § 107a Abgabenordnung, die § 10 Abs. 1 AVG insoweit genauso verdrängen wie § 63 Abs. 1 Tiroler LAO.
Der XY-Verband war im verwaltungsbehördlichen Verfahren jedoch nicht zustellungsbevollmächtigt, weil in der
Vollmachtsurkunde der Text, daß "gleichzeitig ... die
Ermächtigung zum Empfang von Schriftstücken der Abgabenbehörde" erteilt wird, gestrichen ist.
Die Zustellung einer Erledigung an eine Person, die zu Unrecht als Zustellungsbevollmächtigter der Partei angesehen wird, entsprechend der Zustellverfügung vermag gegenüber der Partei keine Rechtswirkungen zu entfalten; dies selbst im Falle des tatsächlichen Zukommens an die Partei, weil weder ein Fall des § 7 ZustG noch des § 9 Abs. 1 zweiter Satz ZustG vorliegt (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, 1186, und das dort angeführte Erkenntnis vom 18. Mai 1988, Zl. 87/02/0150).
Die dem XY-Verband zugestellten, als Abgabenbescheide intendierten Erledigungen der Abgabenbehörden sind daher mangels einer für die Beschwerdeführerin rechtswirksamen Zustellung als Bescheide rechtlich nicht existent geworden.
Die Vorstellungsbehörde hätte somit die Vorstellung der Beschwerdeführerin mangels eines bekämpfbaren Bescheides als unzulässig zurückweisen müssen. Die von ihr ausgesprochene Abweisung der Vorstellung erweist sich daher als rechtswidrig.
Für das fortzusetzende Verfahren ergibt sich somit, daß von der belangten Behörde die Vorstellung und vom Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde die Berufung als unzulässig zurückzuweisen ist. Die von der Beschwerdeführerin in ihrer Eingabe vom 26. April 1991 gestellten Anträge sind dann von der Abgabenbehörde erster Instanz, die einen Bescheid bisher noch nicht erlassen hat, zu erledigen.
Für das weitere Verfahren wird überdies noch bemerkt, daß es sich im Beschwerdefall um eine mit Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 93/17/0077, entschiedene gleichgelagerte Sache - sie betrifft dieselbe Beschwerdeführerin und dieselbe belangte Behörde - handelt. Auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses wird hingewiesen.
Aus den oben angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Allgemein Anwendbarkeit zivilrechtlicher Bestimmungen Verträge und Vereinbarungen im öffentlichen Recht VwRallg6/1Vertretungsbefugnis Inhalt Umfang ZustellungVertretungsbefugter physische Person EigenberechtigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1993170414.X00Im RIS seit
22.10.2001Zuletzt aktualisiert am
15.04.2010