Entscheidungsdatum
21.10.2024Norm
AsylG 2005 §10Spruch
W261 2294765-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Karin GASTINGER, MAS als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX auch XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, Außenstelle Wiener Neustadt, vom 31.05.2024, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht: Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Karin GASTINGER, MAS als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch 40 auch römisch 40 , geb. römisch 40 , StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, Außenstelle Wiener Neustadt, vom 31.05.2024, Zl. römisch 40 , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und dem Beschwerdeführer wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.Der Beschwerde wird stattgegeben und dem Beschwerdeführer wird gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG 2005 wird festgestellt, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Syriens, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 16.01.2024 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
2. Am selben Tag fand seine Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Dabei gab der Beschwerdeführer unter anderem an, dass er aus XXXX stamme, der Volksgruppe der Araber angehöre und sunnitischer Muslim sei. Er habe zehn Jahre die Grundschule besucht und danach als Fleischhauer gearbeitet. Er sei mit seinem jüngeren Bruder gemeinsam nach Österreich gereist. In Syrien lebe nur noch ein Bruder von ihm, seine Ehefrau, sein Bruder und seine Kinder würden in der Türkei leben. 2. Am selben Tag fand seine Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Dabei gab der Beschwerdeführer unter anderem an, dass er aus römisch 40 stamme, der Volksgruppe der Araber angehöre und sunnitischer Muslim sei. Er habe zehn Jahre die Grundschule besucht und danach als Fleischhauer gearbeitet. Er sei mit seinem jüngeren Bruder gemeinsam nach Österreich gereist. In Syrien lebe nur noch ein Bruder von ihm, seine Ehefrau, sein Bruder und seine Kinder würden in der Türkei leben.
Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer an, dass er sein Land verlassen habe, weil er zum Militär „gerufen“ worden sei und nicht kämpfen wolle. In der Türkei habe er nicht mehr leben können, da sie ihn zurück nach Syrien hätten schicken wollen. Bei der Rückkehr befürchte er getötet zu werden, da die Regierung bereits zwei seiner Brüder getötet habe.
3. Am 08.05.2024 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden belangte Behörde) niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er zu seinen persönlichen Verhältnissen im Wesentlichen an, dass er gesund und nicht in medizinischer Behandlung sei. Er gehöre der Volksgruppe der Araber an und sei sunnitischer Muslim. Er sei in der Region XXXX geboren, habe zehn Jahre die Grundschule besucht und danach als Fleischhauer gearbeitet. Er sei standesamtlich und traditionell verheiratet und habe mit seiner Ehefrau fünf Söhne. Der Beschwerdeführer habe regelmäßigen Kontakt zu seinen Familienangehörigen. Im Rahmen der Einvernahme legte der Beschwerdeführer syrische Dokumente vor.3. Am 08.05.2024 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden belangte Behörde) niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er zu seinen persönlichen Verhältnissen im Wesentlichen an, dass er gesund und nicht in medizinischer Behandlung sei. Er gehöre der Volksgruppe der Araber an und sei sunnitischer Muslim. Er sei in der Region römisch 40 geboren, habe zehn Jahre die Grundschule besucht und danach als Fleischhauer gearbeitet. Er sei standesamtlich und traditionell verheiratet und habe mit seiner Ehefrau fünf Söhne. Der Beschwerdeführer habe regelmäßigen Kontakt zu seinen Familienangehörigen. Im Rahmen der Einvernahme legte der Beschwerdeführer syrische Dokumente vor.
Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, dass er Syrien wegen des Krieges und der Sicherheitslage verlassen habe. Der Beschwerdeführer habe den Militärdienst bereits abgeleistet und sei zum Reservedienst einberufen worden. Er habe keinen Einberufungsbefehl erhalten, aber ein Freund habe ihm über Facebook mitgeteilt, dass sie zum Reservedienst aufgrund ihrer Kenntnisse über Minen einberufen worden seien. Außerdem sei sein Bruder desertiert und vom Regime ermordet worden. Sein Onkel habe ihm gesagt, dass er und seine Brüder aus dem Regimegebiet ausreisen müssten, da sie alle gesucht werden würden. Bei einer Rückkehr befürchte er die Milizen, die russischen und die iranischen [Milizen], den Krieg und den Reservedienst.
4. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 31.05.2024 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) ab. Es wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt (Spruchpunkt III.), gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Syrien zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).4. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 31.05.2024 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt römisch eins.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt römisch II.) ab. Es wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt (Spruchpunkt römisch III.), gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt römisch IV.) und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Syrien zulässig sei (Spruchpunkt römisch fünf.). Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt römisch VI.).
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer weder als Oppositioneller noch als Wehrdienstentzieher in das Blickfeld des syrischen Regimes geraten sei. Er weise keine glaubhaft verinnerlichte politische Überzeugung gegen das syrische Regime oder gegen den Dienst an der Waffe an sich auf. Zudem sei ein Bruder weiterhin in Afrin aufhältig, dieser könne den Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr mit einer Unterkunft und Nahrung versorgen. Überdies habe das syrische Regime keinen Zugriff auf Personen in Afrin, da dieses Gebiet nicht unter der Kontrolle des Regimes stehe.
5. Mit E-Mailnachricht vom 27.06.2024 erhob der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid – unter Vorlage eines Auszugs aus dem syrischen Militärregister – durch seine bevollmächtigte Vertretung fristgerecht Beschwerde in vollem Umfang. Im Begleitschreiben wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass er seinen Militärdienst im Rang eines Korporals abgeleistet habe und ein Bruder desertiert sei. Die belangte Behörde habe ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren geführt, indem sie mangelhafte Länderfeststellungen getroffen und die beigezogenen Länderberichte nicht ausreichend gewürdigt habe. Die belangte Behörde habe den Beschwerdeführer nicht näher zum Reservedienst befragt. Der Beschwerdeführer sei aufgrund der Weigerung der Ableistung des Reservedienstes, der Herkunft aus einem früher von der Opposition kontrollierten Gebiet, der illegalen Ausreise und wegen der Asylantragstellung im Ausland asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt. Auch die Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides sei aus näher dargestellten Gründen mangelhaft. Der Beschwerdeführer erfülle auch mehrere Risikoprofile der UNHCR-Erwägungen.
Bei richtiger rechtlicher Beurteilung wäre dem Beschwerdeführer daher internationaler Schutz gemäß § 3 AsylG zu gewähren gewesen. Es liege keine innerstaatliche Fluchtalternative vor. Andernfalls hätte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer zumindest den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen müssen, da dem Beschwerdeführer aufgrund der prekären Sicherheits- und Versorgungslage unmenschliche bzw. erniedrigende Behandlung drohe.Bei richtiger rechtlicher Beurteilung wäre dem Beschwerdeführer daher internationaler Schutz gemäß Paragraph 3, AsylG zu gewähren gewesen. Es liege keine innerstaatliche Fluchtalternative vor. Andernfalls hätte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer zumindest den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen müssen, da dem Beschwerdeführer aufgrund der prekären Sicherheits- und Versorgungslage unmenschliche bzw. erniedrigende Behandlung drohe.
6. Die belangte Behörde legte das Beschwerdeverfahren mit Schreiben vom 28.06.2024 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor, wo dieses am 02.07.2024 einlangte.
7. Mit Eingabe vom 11.09.2024 übermittelte der Beschwerdeführer, sowie sein ebenfalls in Österreich wohnender und asylantragstellender Bruder, durch ihre bevollmächtigte Vertretung – unter Vorlage syrischer Dokumente – eine gemeinsame Stellungnahme. Darin wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass Reservisten bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze und teilweise auch darüber hinaus einberufen werden würden. Auch Personen, die keinen Einberufungsbefehl erlangt hätten, würden dem erheblichen Risiko einer Inhaftierung unterliegen. Die Zahlung eines Wehrersatzgeldes sei den Brüdern nicht zumutbar.
8. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 17.09.2024 eine mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer, sowie sein Bruder, im Beisein ihrer Rechtsvertretung zu ihren persönlichen Umständen, ihren Fluchtgründen und der Situation im Falle einer Rückkehr getrennt voneinander befragt wurden. Die belangte Behörde nahm entschuldigt nicht an der Verhandlung teil, die Verhandlungsschrift wurde ihr übermittelt. Der Beschwerdeführer und sein Bruder legten keine weiteren Bescheinigungsmittel vor und verwiesen auf die bereits im bisherigen Verfahren vorgelegten Bescheinigungsmittel. Das Bundesverwaltungsgericht legte die aktuellen Länderinformationen vor und räumte den Parteien des Verfahrens die Möglichkeit ein, hierzu eine Stellungnahme abzugeben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und wurde am XXXX in der Stadt XXXX im gleichnamigen Gouvernement in Syrien geboren. Er ist syrischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Araber sowie sunnitischer Muslim. Seine Muttersprache ist Arabisch.Der Beschwerdeführer führt den Namen römisch 40 und wurde am römisch 40 in der Stadt römisch 40 im gleichnamigen Gouvernement in Syrien geboren. Er ist syrischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Araber sowie sunnitischer Muslim. Seine Muttersprache ist Arabisch.
Der Beschwerdeführer ist seit dem XXXX standesamtlich und traditionell mit XXXX (geb. XXXX ) verheiratet. Der Ehe entstammen fünf Söhne, XXXX (geb. XXXX ), XXXX (geb. XXXX ), XXXX (geb. XXXX ), XXXX (geb. XXXX ) und XXXX (geb. XXXX ). Seine Ehefrau und seine Kinder leben in der Türkei.Der Beschwerdeführer ist seit dem römisch 40 standesamtlich und traditionell mit römisch 40 (geb. römisch 40 ) verheiratet. Der Ehe entstammen fünf Söhne, römisch 40 (geb. römisch 40 ), römisch 40 (geb. römisch 40 ), römisch 40 (geb. römisch 40 ), römisch 40 (geb. römisch 40 ) und römisch 40 (geb. römisch 40 ). Seine Ehefrau und seine Kinder leben in der Türkei.
Der Beschwerdeführer hat nahezu täglichen Kontakt mit seiner Familie.
Seine Eltern hießen XXXX und XXXX (beide verstorben). Der Beschwerdeführer hatte fünf Brüder, XXXX (geb. XXXX , gestorben Anfang XXXX ), XXXX (geb. XXXX , gestorben XXXX ), XXXX (geb. XXXX , kam mit dem Beschwerdeführer nach Österreich und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz, W261 2294768-1) und XXXX (Alter unbekannt, lebt seit ca. Juli 2024 in der Türkei, Name und Alter des fünften Bruders unbekannt). Seine Eltern hießen römisch 40 und römisch 40 (beide verstorben). Der Beschwerdeführer hatte fünf Brüder, römisch 40 (geb. römisch 40 , gestorben Anfang römisch 40 ), römisch 40 (geb. römisch 40 , gestorben römisch 40 ), römisch 40 (geb. römisch 40 , kam mit dem Beschwerdeführer nach Österreich und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz, W261 2294768-1) und römisch 40 (Alter unbekannt, lebt seit ca. Juli 2024 in der Türkei, Name und Alter des fünften Bruders unbekannt).
Der Beschwerdeführer lebte bis Mitte 2015 in seiner Geburtsstadt. Er besuchte zehn Jahre lang die Grundschule arbeitete danach als Fleischhauer. Mitte 2015 zog er bis zu seiner Ausreise aus Syrien in das Dorf XXXX im Gouvernement XXXX .Der Beschwerdeführer lebte bis Mitte 2015 in seiner Geburtsstadt. Er besuchte zehn Jahre lang die Grundschule arbeitete danach als Fleischhauer. Mitte 2015 zog er bis zu seiner Ausreise aus Syrien in das Dorf römisch 40 im Gouvernement römisch 40 .
Der Beschwerdeführer leistete seinen verpflichtenden Wehrdienst von 22.02.2009 bis 01.12.2010 im Rang eines Gefreiten in der neunten Legion in der Panzerabteilung ab.
Das Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers, die Stadt XXXX im gleichnamigen Gouvernement, befindet sich unter Kontrolle der syrischen Regierung.Das Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers, die Stadt römisch 40 im gleichnamigen Gouvernement, befindet sich unter Kontrolle der syrischen Regierung.
Der Beschwerdeführer verließ Syrien 2017 in Richtung Türkei, wo er bis 2023 lebte. Danach reiste er weiter und hielt sich unter anderem in Griechenland, Serbien, Bosnien, Kroatien, Slowenien und in der Schweiz auf und reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in Österreich ein und stellte am 16.01.2024 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Er ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Der Bruder des Beschwerdeführers, namens XXXX , absolvierte von Mai 2010 bis 2012 seinen verpflichtenden Wehrdienst in der Gruppe XXXX der republikanischen Garde in einem Ort namens XXXX (phonetisch) in der Umgebung von Damaskus. Im Jahr 2012 desertierte der Bruder des Beschwerdeführers und wurde im Zuge dessen in das Herkunftsgebiet der Familie, die Stadt XXXX , welche damals unter der Kontrolle des IS stand, geschmuggelt bzw. geschleppt. Sein Bruder kam im XXXX bei einem Bombenanschlag auf die Stadt ums Leben.Der Bruder des Beschwerdeführers, namens römisch 40 , absolvierte von Mai 2010 bis 2012 seinen verpflichtenden Wehrdienst in der Gruppe römisch 40 der republikanischen Garde in einem Ort namens römisch 40 (phonetisch) in der Umgebung von Damaskus. Im Jahr 2012 desertierte der Bruder des Beschwerdeführers und wurde im Zuge dessen in das Herkunftsgebiet der Familie, die Stadt römisch 40 , welche damals unter der Kontrolle des IS stand, geschmuggelt bzw. geschleppt. Sein Bruder kam im römisch 40 bei einem Bombenanschlag auf die Stadt ums Leben.
Ein weiterer Bruder des Beschwerdeführers, namens XXXX , wurde Anfang des Jahres XXXX bei einem Checkpoint der syrischen Regierung festgenommen, gefoltert und getötet.Ein weiterer Bruder des Beschwerdeführers, namens römisch 40 , wurde Anfang des Jahres römisch 40 bei einem Checkpoint der syrischen Regierung festgenommen, gefoltert und getötet.
Regierungstruppen bedrohen Familienangehörige von Deserteuren gezielt, verhaften und internieren diese willkürlich. Der Beschwerdeführer steht dem syrischen Regime, unter anderem aufgrund der Ermordung seiner beiden Brüder, ablehnend gegenüber. Das Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers steht im Entscheidungszeitpunkt unter Kontrolle der syrischen Regierung, diese hat somit im Fall einer Rückkehr Zugriffsmöglichkeiten auf den Beschwerdeführer.
Dem Beschwerdeführer droht im Falle einer Rückkehr an seinen Herkunftsort – einem ehemals von der Opposition (IS) kontrollierten Gebiet, das aktuell wieder unter der Kontrolle der syrischen Regierung steht – mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, dass er aufgrund der Desertion seines Bruders und seiner Abstammung aus einem ehemaligen oppositionellen Gebiet in Syrien, was aufgrund der kumulativ vorliegenden erhöhenden Gefährdungsfaktoren als Ausdruck einer oppositionellen Gesinnung gesehen wird, Repressionen, insbesondere einer Festnahme bzw. Inhaftierung sowie einer langen Gefängnisstrafe und der damit verbundenen psychischen und physischen Folter, allenfalls sogar der Todesstrafe, seitens des syrischen Regimes ausgesetzt ist.
Bei einer Rückkehr in sein Herkunftsgebiet in Syrien droht ihm daher aus diesen Gründen individuell und konkret Lebensgefahr beziehungsweise ein Eingriff in seine körperliche Integrität.
1.3. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:
Die Länderfeststellungen zur Lage in Syrien basieren auf nachstehenden Quellen:
- Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien, Version 11, veröffentlicht am 27.03.2024 (LIB);
- UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 6. aktualisierte Version, März 2021 (UNHCR);
- EUAA, Country of Origin Information Report „Syria: Targeting of Individuals”, September 2022 (EUAA 1);- EUAA, Country of Origin Information Report „Syria: Targeting of Individuals”, September 2022 (EUAA 1);
- EUAA, Country Guidance Syria, April 2024 (EUAA 2);
- EUAA, Bericht über die Sicherheitslage, Oktober 2023 (EUAA 3);
- ACCORD, Wehrdienst Syrien, 20.03.2024 (ACCORD).
1.3.1. Politische Lage – Letzte Änderung: 08.03.2024
Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba’ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt. Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (LIB).
Der Machtanspruch des syrischen Regimes wird in einigen Gebieten unter seiner Kontrolle angefochten. Dem Regime gelingt es dort nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Im Gouvernement Suweida kommt es beispielsweise seit dem 20.8.2023 zu täglichen regimekritischen Protesten, darunter Straßenblockaden und die zeitweise Besetzung von Liegenschaften der Regime-Institutionen. In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hizbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus. In den übrigen Landesteilen üben unverändert de facto Behörden Gebietsherrschaft aus. Im Nordwesten kontrolliert die von der islamistischen Terrororganisation Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) gestellte Syrische Errettungsregierung (SSG) weiterhin Gebiete in den Gouvernements Idlib, Lattakia, Hama und Aleppo. In Teilen des Gouvernements Aleppo sowie in den von der Türkei besetzten Gebieten im Norden beansprucht weiterhin die von der syrischen Oppositionskoalition (SOC/Etilaf) bestellte Syrische Interimsregierung (SIG) den Regelungsanspruch. Die von kurdisch kontrollierten Kräften abgesicherten sogenannten Selbstverwaltungsbehörden im Nordosten (AANES) üben unverändert Kontrolle über Gebiete östlich des Euphrats in den Gouvernements ar-Raqqah, Deir ez-Zor und al-Hassakah sowie in einzelnen Ortschaften im Gouvernement Aleppo aus. Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen. Im syrischen Bürgerkrieg hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (LIB).
Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert. Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung. Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht. Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen. Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (LIB).
Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen. Das propagierte „Normalisierungsnarrativ“ verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten. Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war. Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon, Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft. Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren. Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen (LIB).
1.3.2. Sicherheitslage – Letzte Änderung: 08.03.2024
Die Gesamtzahl der Kriegstoten wird auf fast eine halbe Million geschätzt. Die Zahl der zivilen Kriegstoten zwischen 1.3.2011 und 31.3.2021 beläuft sich laut UNO auf 306.887 Personen - dazu kommen noch viele zivile Tote durch den Verlust des Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Lebensmittel, sauberem Wasser und anderem Grundbedarf (LIB).
Überlappende bewaffnete Konflikte und komplexe Machtverhältnisse
Der Konflikt in Syrien seit 2011 besteht aus einem Konvolut überlappender Krisen. Die Suche nach einer politischen Beilegung verlief im Sand. Im Wesentlichen gibt es drei Militärkampagnen: Bestrebungen durch eine Koalition den Islamischen Staat zu besiegen, Kampfhandlungen zwischen der Syrischen Regierung und Kräften der Opposition und türkische Militäroperationen gegen syrische Kurden. Dazu kommt das bestehende Informationsdefizit. Obwohl der Syrien-Konflikt mit einer seit Jahren anhaltenden, extensiven Medienberichterstattung einen der am besten dokumentierten Konflikte aller Zeiten darstellt, bleiben dennoch eine Reihe grundlegender Fragen offen. Angesichts der Vielschichtigkeit des Konflikts ist es auch Personen, die in Syrien selbst vor Ort sind, oft nicht möglich, sich ein Gesamtbild über alle Aspekte zu verschaffen. Das Phänomen des Propagandakrieges besteht auf allen Seiten und wird von allen kriegsführenden Parteien und ihren Unterstützern gezielt und bewusst eingesetzt, sodass sich das Internet, soziale und sonstige Medien angesichts der Verzerrungen der Darstellungen nur bedingt zur Informationsbeschaffung eignen. Darüber hinaus sind offiziell verfügbare Quellen (Berichte, Analysen etc.) aufgrund der Entwicklungen vor Ort