TE Vwgh Erkenntnis 1995/4/5 94/01/0507

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Veröffentlicht am 05.04.1995
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des AM in L, vertreten durch die Mutter MM, diese vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. Jänner 1994, Zl. 4.335.431/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. Jänner 1994 wurde in Erledigung der Berufung der beschwerdeführenden Partei gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 6. Mai 1992 ausgesprochen, daß Österreich der beschwerdeführenden Partei - einem Staatsangehörigen "der jugosl. Föderation", der am 16. März 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 23. März 1992 den Asylantrag gestellt hat - kein Asyl gewähre.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die belangte Behörde hat der beschwerdeführenden Partei, ohne sich mit deren Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 auseinanderzusetzen, deshalb kein Asyl gemäß § 3 leg. cit. gewährt, weil sie der Ansicht war, daß bei der beschwerdeführenden Partei der Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. gegeben sei, wonach einem Flüchtling kein Asyl gewährt wird, wenn er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war. Sie ging von den Angaben der beschwerdeführenden Partei bei ihrer niederschriftlichen Vernehmung am 16. April 1992 aus, daß sich die beschwerdeführende Partei vor ihrer Einreise nach Österreich in Ungarn aufgehalten habe, und befaßte sich in rechtlicher Hinsicht näher mit dem Begriff der "Verfolgungssicherheit" im Sinne der genannten Gesetzesstelle, wobei sie im wesentlichen - im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 27. Mai 1993, Zl. 93/01/0256, und vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0356), auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird - die Rechtslage richtig erkannt hat.

Die beschwerdeführende Partei bringt zunächst vor, daß ihr Rechtsvertreter im Zuge einer Akteneinsicht bei der zuständigen Behörde festgestellt habe, daß außer der Einvernahme der beschwerdeführenden Partei keinerlei Ermittlungsergebnisse vorhanden seien. "Sollte jedoch ein Ermittlungsverfahren durchgeführt worden sein", sei dessen Ergebnis der beschwerdeführenden Partei niemals zur Kenntnis gebracht und ihr auch nicht Gelegenheit gegeben worden, hiezu Stellung zu nehmen. Dem ist entgegenzuhalten, daß die belangte Behörde die tragende Begründung ihrer Entscheidung nicht auf das Nichtvorliegen der Flüchtlingseigenschaft, sondern auf die Annahme der Verfolgungssicherheit der beschwerdeführenden Partei in Ungarn gestützt hat, sodaß die im Zusammenhang mit der Flüchtlingseigenschaft der beschwerdeführenden Partei stehende Verfahrensrüge ins Leere geht.

Ferner rügt die beschwerdeführende Partei, "der Wortlaut" des angefochtenen Bescheides sei im Falle des Fehlens weiterer Ermittlungsergebnisse unrichtig und der Bescheid mangelhaft, weil dieser entgegen seinem "Wortlaut" nicht von der Aussage des Beschwerdeführers vom 16. April 1992 ausgehe. Insbesondere sei unrichtig, daß die beschwerdeführende Partei bei dieser Einvernahme angegeben habe, sich vor ihrer Einreise in das (österreichische) Bundesgebiet in Ungarn "aufgehalten" zu haben; sie habe auch nicht "den ungarischen Staat betreten".

Im Hinblick darauf, daß der beschwerdeführenden Partei im Berufungsverfahren zur Annahme der Verfolgungssicherheit in Ungarn kein Parteiengehör gewährt wurde, obwohl die belangte Behörde, anders als die Erstbehörde, nunmehr aufgrund des von ihr gemäß dessen § 25 Abs. 2 anzuwendenden AsylG 1991 von diesem Ausschließungsgrund Gebrauch gemacht hat, verstößt zwar ihr (erstmals in der Beschwerde erstattetes) Vorbringen diesbezüglich nicht gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG. Jedoch stimmen auch die vorstehenden Rügen nicht mit der Aktenlage überein, hat doch die beschwerdeführende Partei bei ihrer Einvernahme betreffend den Fluchtweg ausgeführt, mit ihrer Mutter am 14. März 1992 von ihrem Heimatort mit dem Reisebus über Serbien und Kroatien nach Ungarn gefahren und über die Grenzstelle Nickelsdorf legal nach Österreich eingereist zu sein. Dieser Darstellung hat die beschwerdeführende Partei auch in ihrer Berufung nicht widersprochen. Daran, daß sich die beschwerdeführende Partei in Ungarn "aufgehalten" hat, vermochte der Umstand, daß sie lediglich auf der Durchreise nach Österreich war, nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nichts zu ändern (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 1994, Zl. 94/01/0402). Auch der in weiterer Folge von der belangten Behörde verwendete Begriff des "Betretens" eines Staates wird nicht ausdrücklich im Zusammenhang mit den Ausführungen der beschwerdeführenden Partei gebracht, sondern lediglich in abstrakter Form der zeitliche Beginn für die Annahme des Vorliegens von Verfolgungssicherheit näher umschrieben, sodaß auch diese Rüge ins Leere geht.

Auch der allgemeinen Rüge der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der beschwerdeführenden Partei sei keine Möglichkeit gegeben worden, zu "dieser Sicht der Dinge" (offenbar gemeint: der von der belangten Behörde angenommene Aufenthalt der beschwerdeführenden Partei in Ungarn) Stellung zu nehmen, bleibt der Erfolg versagt, da die beschwerdeführende Partei nicht näher ausführt, worin die Wesentlichkeit dieses Verfahrensmangels liegen soll.

Die beschwerdeführende Partei führt weiters aus, es wäre Sache der belangten Behörde gewesen, Ermittlungen durchzuführen, warum die beschwerdeführende Partei in Ungarn nicht um Asyl angesucht habe. Es sei "durchaus denkbar und sogar wahrscheinlich", daß die beschwerdeführende Partei keine Kenntnis von der Mitgliedschaft Ungarns bei der Genfer Flüchtlingskonvention gehabt habe und irrtümlich der Meinung gewesen sei, sie wäre in Ungarn als (ehemals kommunistischem) Ostblockstaat vor Verfolgung nicht sicher. Ein solcher Irrtum sei beachtlich, weil es der beschwerdeführenden Partei nicht zumutbar gewesen wäre, bei den politischen Behörden in Ungarn um Asyl anzusuchen, wenn sie wegen dieses Irrtums zu befürchten gehabt hätte, nach "Jugoslawien" abgeschoben zu werden. Abgesehen davon, daß die beschwerdeführende Partei mit diesen Ausführungen selbst nicht behauptet, daß tatsächlich ein derartiger Irrtum vorgelegen wäre, ist dieses Vorbringen nicht geeignet, einen wesentlichen Verfahrensmangel aufzuzeigen, kommt es doch aufgrund der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 darauf an, daß sich der Asylwerber nach Verlassen seines Heimatstaates, in dem er verfolgt zu werden behauptet, in einem anderen Staat - selbst nur im Zuge der Durchreise - befunden hat und die Sicherheit vor Verfolgung bereits dort hätte in Anspruch nehmen können. Dabei ist ein objektiver Maßstab anzulegen, weshalb bloß subjektive Gründe, die die Person veranlaßt haben, in diesem Staat nicht länger zu bleiben und nicht dort einen Asylantrag zu stellen, ohne Bedeutung sind (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0357). Außerdem läßt das Vorbringen der beschwerdeführenden Partei nicht erkennen, daß sich die Verhältnisse in Ungarn - entgegen der Annahme der belangten Behörde - grundlegend geändert hätten.

Auch mit dem Einwand, die belangte Behörde habe - anders als die Behörde erster Instanz - ihre Begründung ausschließlich auf das Asylgesetz 1991 gestützt, und es hätte der beschwerdeführenden Partei - mangels Befragung im Verfahren erster Instanz - Gelegenheit gegeben werden müssen, "zu diesem Tatbestandsmerkmal" Stellung zu nehmen, wird zwar zu Recht die Verletzung des Parteiengehörs geltend gemacht, jedoch nicht aufgezeigt, daß die von der belangten Behörde angenommene Verfolgungssicherheit in Ungarn nicht vorliegen würde, sodaß gleichfalls die Wesentlichkeit des gerügten Verfahrensmangels nicht vorliegt.

Ferner ist nicht einsichtig, weshalb angesichts der Minderjährigkeit der beschwerdeführenden Partei eine besondere Manuduktion durch die belangte Behörde erforderlich gewesen wäre, hatte doch die belangte Behörde ihrer Entscheidung gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrunde zu legen, aus dem zweifelsfrei hervorging, daß die beschwerdeführende Partei vor ihrer Einreise nach Österreich in Ungarn war.

Soweit die beschwerdeführende Partei eine unzutreffende Auslegung des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 im Zusammenhang mit der Anreise auf dem Landweg rügt, ist ihr die diesbezügliche hg. Judikatur (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 1994, Zl. 94/01/0402) entgegenzuhalten.

Unter Zugrundelegung des im angefochtenen Bescheid angenommenen tatsächlichen Sachverhalts vermag der Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf seine - bereits ausgeführte - ständige Rechtsprechung zum Begriff der "Verfolgungssicherheit" gemäß § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991, auf die des näheren gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, der belangten Behörde auch in rechtlicher Hinsicht nicht entgegenzutreten.

Bei diesem Ergebnis braucht auch auf die weiteren Beschwerdeausführungen nicht mehr eingegangen zu werden, weil dahingestellt bleiben kann, ob die Flüchtlingseigenschaft hätte bejaht werden müssen bzw. ob die Prüfung der Flüchtlingseigenschaft mit Rechtsverletzungen belastet worden ist (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 1994, Zl. 94/01/0430).

Schließlich kommt auch der Rüge, die belangte Behörde hätte prüfen müssen, ob nicht ein Antrag gemäß § 4 Asylgesetz vorliege, keine Bedeutung zu, weil "Sache" des Berufungsverfahrens aufgrund des Abspruches der Behörde erster Instanz und unter Berücksichtigung der Übergangsbestimmung des § 25 Abs. 2 Asylgesetz 1991 ausschließlich die Frage der Asylgewährung nach § 3 Asylgesetz 1991 war.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994010507.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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